Philosophie Frage über 3 Kritiken von Cicero an Epikur?
Ich habe am Montag einen Test in Philosophie und brauche dringend Hilfe. Wir beschäftigen uns im Philosophie Unterricht mit 3 Kritiken von Cicero an Epikur. Ich habe mühe alle 3 zu verstehen. (Anbei noch das Bild, welches wir vom Lehrer bekommen haben... Aber wer das entziffern kann wird als 8. Weltwunder getauft.)
- Epikur hat keinen klaren Begriff von "Lust" (im Bild auf der rechten Seite): bsp. wenn ich Durst habe: ist das Trinken lustvoll/also ist Lust in Bewegung (kinetisch) oder ist die höchste Lust wenn der Durst gelöscht ist/ also Lust als Zustand (Katastematisch).
- Tugend vor blosser Lust (im Bild in der Mitte, leicht unten): Cicero definiert das Gute mit: "... dass eben das (das Gute) der Lohn der Pflichterfüllung sein soll, seine Pflicht erfüllt zu haben." und Cicero sagt, glaube ich, dass es ohne Tugend kein Gutes gibt. Aber ich verstehe hier die Sicht von Cicero nicht...
- Epikurs Ratschläge fürs Leben taugen nichts! (im Bild auf der linken Seite): Ich glaube hier fasst Cicero einige Kritikpunkte zusammen: Geist über den Körper zu stellen sei falsch, Vergangene Lust/die Tugend wird angestrebt und nicht die Lust, wieso sollte ein einfacheres Mahl wie Brot und Wasser in gleicher Weise Lust bereiten wie ein feineres und zuletzt kritisiert Cicero den 4.ten Lehrsatz von Epikur: was ist der Unterschied zwischen grossen kurzen Schmerzen und schwachen langen? und sagt, dass dies Fragwürdig sei.
Alles was ich hier oben geschrieben habe ist meine Interpretierung vom Bild, welches wir bekommen haben. Vielleicht ist es aber auch totaler Schwachsinn und falls jemand dieses Bild versteht oder sich mit Cicero auskennt, wäre ich sehr dankbar darüber.
1 Antwort
Zugrundegelegt ist vor allem Marcus Tullius Cicero, De finibus bonorum et malorum, Buch 2.
Einwand 1: Unklarheit des Begriffes »Lust« bei Epikur, Verwendung einer einzigen Bezeichnung für verschiedene Sachen, daher Wechsel der Bedeutung von »Lust«
Lust (griechisch: ἡδονή [hedone; lateinisch: voluptas) ist eine angenehme Erregung.
Epikur nennt die angenehme Erregung, die Freude/Vergnügen bereitet, Lust, aber er bezeichnet auch Schmerzlosigkeit (Abwesenheit von Schmerz/Leid) als Lust. Beim Beispiel Durst ist Trinken lustvoll. Es bereitet als angenehme Erregung Freude/Vergnügen. Dies ist Lust in Bewegung (kinetische Lust). Wenn durch Trinken der Durst gelöscht ist, liegt Schmerzlosigkeit (Abwesenheit von Durstleiden) vor. Schmerzlosigkeit versteht Epikur als höchste Lust (höchste Steigerung der Lust). Die Schmerzlosigkeit ist Lust als Zustand (katastematische Lust).
Ciceros Einwand richtet sich dagegen, auch Schmerzlosigkeit als Lust zu bezeichnen, obwohl keine Erregung vorliege. Epikur weicht mit seinem Sprachgebrauch von dem ab, was Menschen üblicherweise unter Lust verstehen. Mit Lust werden von ihm verschiedene Sachen bezeichnet. Dies führt zu einem Durcheinander mit wechselnden Bedeutungen von »Lust«.
Cicero vertritt die Auffassung, in drei Zustände zu unterteilen, einen lustvollen, einen schmerzvollen und einen dritten, neutralen Zustand (weder lustvoll noch schmerzvoll). Epikur wirft er vor, nur in zwei Zustände zu unterteilen, obwohl ein lustvoller Zustand und ein schmerzloser Zustand nicht dasselbe seien.
Einwand 2: Vorrang von Tugend vor bloßer Lust, Lust kann nicht das höchste Gut sein, weil das höchste Gut um seiner selbst willen erstrebenswert ist, das Lustvolle aber nicht immer und jeder Hinsicht das Gute ist, sondern das Gute etwas ist, das (als Pflicht) sein soll, bei bloßer Lust dieses Gute dies aber abhängig vom Nutzen (Lustempfindungen als angenehme Folgen) getan oder nicht getan würde
Das Gute ist nach Ciceros Auffassung das Richtige, Maßvolle und Anständige und notwendig mit Tugenden verbunden. Das sittlich Gute (griechisch: ϰαλόν [kalon]; lateinisch: honestum) ist das, was unter Absehen von irgendeinem Nutzen um seiner selbst willen mit Recht lobenswert genannt werden kann. Seine Beschaffenheit kann aus dem gemeinsamen Urteil aller, den Bestrebungen und Handlungen der Besten, Vernunft, Ordnung und Maß eingesehen werden. Kein sittlich Gutes geschieht ohne Tugend. Tugend hat Vorrang vor bloßer Lust. Lust kann nicht das höchste Gut sein. Das Gute ist etwas, das sein soll. Der Lohn der Pflichterfüllung soll sein, seine Pflicht erfüllt zu haben. Bei der tugendhaften Pflichterfüllung wird also das Gute um seiner selbst willen erstrebt. Es ist in sich selbst ein Ziel. Es kommt nicht darauf an, einen Nutzen in Bezug auf etwas außerhalb dieses Zieles zu berechnen. Bei bloßer Lust ist es von einem erwarteten Nutzen (Lustempfindungen als angenehme Folgen) abhängig, was getan wird. Dies kann das sittlich Gute, aber auch sein Gegenteil sein. Wer bloße Lust als höchsten Maßstab hat, kann in Orientierung an diesem Maßstab Unrecht begehen. Es kommt nur darauf an, dabei verborgen zu handeln oder straflos zu bleiben und so keine unangenehmen Folgen zu erleiden. Freundschaften können nicht sehr wertvoll und stabil sein, wenn bloße Lust Vorrang hat.
Einwand 3: Epikurs Ratschläge fürs Leben taugen nichts.
a) Fragwürdigkeit einer Dauer des Glück und der Auffassung, großer Schmerz sei kurz und der langer Schmerz sei klein
b) Erinnerung an vergangene Lust/Freude ist keine vom Körper stammende Lust und das sittlich Gute um seiner selbst willen erstrebenswert, wie Epikurs eigenes Verhalten bezeugt
c) mangelnde Folgerichtigkeit der Behauptung, der Genuss einfacher Speisen bereite gleich viel Lust wie der Genuss feinerer Speisen
a) Wenn es ein glückliches Leben (Glückseligkeit) gibt, muss es Weisen ganz zur Verfügung stehen (erreichbar sein). Wirklich glückselig ist nur ein dauerhaft glückliches Leben. Wenn das Vertrauen in die Dauer fehlt, gibt es Sorge und Furcht vor Unglück und Verlust und niemand kann wirklich glückselig sein. Epikur bestreitet, dass durch längere Zeit das Glück des Lebens vermehrt werden könne. Dies stimme aber nicht mit seinen übrigen Auffassungen überein. Beim Schmerz müsste dann auch gelten, durch längere Dauer nicht unglücklicher zu machen. Epikur meint aber, um Glück beeinträchtigender Angst vor Schmerz vorzubeugen, Schmerz sei entweder zwar groß, aber kurz oder zwar lang, aber klein. Daraus ergibt sich als Folgerung, dass der längste Schmerz am unglücklichsten macht. Entsprechend müsste folgerichtig längere Lust glücklicher machen. Bei aus dem Körper stammender Lust steht es für die Weisen nicht in ihrer Macht, für sich ein Leben mit andauerndem Glück zu bewirken, weil das Glück von äußerlichen und dem Zufall unterworfenen Dingen abhängt. Außerdem sind große und zugleich ziemlich lange Schmerzen bekannt. Die epikureische Auffassung hilft den Menschen, die sie erleiden, nicht.
b) Erinnerung an vergangene Lust/Freude bewirkt nach Epikurs Auffassung Glück. Der Körper (lateinisch: corpus) empfindet aber zeitlich nur in der Gegenwart. Wenn die Erinnerung aber auf den Geist (lateinisch: animus) bezogen wird, entsteht ein Widerspruch zu der Auffassung, alle Lust stamme vom Körper. Epikurs Verhalten beim Sterben, an Freunde zu denken und Fürsorge für deren Kinder zu empfehlen, zeige Pflichterfüllung und Rechtschaffenheit und bezeuge, dass das sittlich Gute um seiner selbst willen erstrebenswert ist.
c) Epikur vertritt die Auffassung, der Genuss einfacher Speisen bereite nicht weniger Lust als der Genuss feiner Speisen. Unter der Voraussetzung, dass Lust das höchste Gut ist, muss aber nach lustvollen Sinnesempfindungen geurteilt werden und das Angenehmste für das Beste erklärt werden. Es ist dann nicht nachvollziehbar, warum Genuss einfacher Speisen in genau gleicher Weise Lust bereiten sollte wie der Genuss feinerer Speisen. Kritisiert wird also ein Mangel an Folgerichtigkeit.