Ein paar Fragen zur Glücksphilosophie?

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Alle drei philosophischen Richtungen (Aristoteles, Epikur, Stoa) vertreten eine Glücksethik: Glück/Glückseligkeit ist das höchste und letzte Ziel (Endziel) menschlichen Handelns. Diese Theorie wird auch als Eudaimonismus (griechisch: εὐδαιμονία [eudaimonia] = Glück(seligkeit), was ein guten Leben des Wohlbefindens und Wohlergehens bedeutet) bzw. latinisiert als Eudämonismus bezeichnet.

In einer Tugendethik geht es um das Anstreben des Guten aus einer inneren Einstellung heraus. Tugendethiken richten ihre Aufmerksamkeit auf das Gute bei Personen und deren innere Einstellung. Tugend/Vortrefflichkeit wird um ihrer selbst willen erstrebt und führt nach Auffassung zum Glück/zur Glückseligkeit In der Tugendethik geht es um etwas inhaltlich Wertvolles. Aristoteles und die Stoa können der Tugendethik zugeordnet werden, Epikur (griechisch: Ἐπίκουρος [Epikouros]) dagegen nicht. Denn Tugend/Vortrefflichkeit leistet zwar nach seiner Auffassung etwas zum Erreichen von Glück(seligkeit), ist aber nur Mittel, nicht Ziel (Tugend/Vortrefflichkeit wird nicht um ihrer selbst willen erstrebt, sondern wegen ihrer Ergebnisse).

Epikur vertritt eine Lustethik (Hedonismus). Nach Epikurs Auffassung besteht Glück in der Empfindung von Lust. Lebewesen streben von Natur aus nach Lust. Lust ist ein angenehmer Zustand des Wohlbefindens. Ziel allen Handelns ist nach Epikur das gute Leben (griechisch: εὐ ζῆν) oder anders gesagt das Glück (griechisch: εὐδαιμονία). Glück(seligkeit) ist das höchste Gut. Epikur hält die Gleichsetzung von oberstem Gut und höchster Lust für evident (offensichtlich) (vgl. Marcus Tullius Cicero, De finibus bonorum et malorum 1, 9, 29 - 33; 3, 1, 3). Die konkrete Bestimmung dieses Zustandes ist für Epikur die Seelenruhe (griechisch ἀταραξία [ataraxia]) und die körperliche Schmerzlosigkeit (griechisch ἀπονία [aponia]). Ziel (τέλος) der Ethik im prägnanten Sinn ist nach Epikur die Lust (ἡδονή). Sie ist der naturgegebene Ausgangspunkt und das Ziel alles Handelns (Brief an Menoikeus 128). Das sittlich Schöne/Tugend ist nach Epikurs Auffassung nicht das grundlegende Ziel und Selbstzweck, sondern nur insofern (unter der Bedingung) wertzuschätzen, als es Mittel zu einem lustvollen Leben ist (und damit zum Glück beiträgt). Weil Epikur das Freisein von Unlust/Schmerz/Leid für vorrangig hält, kann seine Ethik als ein »negativer Hedonismus« (Vermeidung von Unlust/Schmerz/Leid ist am wichtigsten) bezeichnet werden. Es ist gut und richtig, möglichst wenig unangenehme Empfindungen/Gefühle (Lust, Freude, Vergnügen, Genuß) erleiden zu wollen (Ziel: Minimierung von Unlust/Schmerz/Leid).

1.) Epikur: Einsicht das größte Gut und noch kostbarer als die Philosophie

Die Aussage steht bei Diogenes Laertios 10, 132 (Epikur, Brief an Brief an Menoikeus).

Vorangestellt ist ein Hinweis auf seine Theorie der Begierden. Epikur unterscheidet:

a) natürliche und notwendige Bedürfnisse (dazu gehören die Grundbedürfnisse)

b) natürliche und nicht-notwendige Bedürfnisse

c) nicht-natürliche und nicht-notwendige Bedürfnisse

Natürliche und notwendige Bedürfnisse müssen für ein gutes Leben befriedigt werden und haben Vorrang. Natürliche und nicht-notwendige Bedürfnisse sind verzichtbar, ihre Befriedigung kann gewählt werden, sollte aber klug geprüft werden und nicht in Maßlosigkeit ausufern. Nicht-natürliche und nicht-notwendige Bedürfnisse beruhen auf falschen/nichtigen/leeren Meinungen und Einbildungen. Epikur lehnt es nicht ab, Freuden zu genießen, aber die Klugheit des Verstandes/der Vernunft ist als Mittel wichtig, die richtigen Entscheidungen für ein lustvolles Leben zu treffen, und daher ein sehr großes Gut.

Nach seiner Auffassung erzeugen nicht Trinkgelage, Sex und reichhaltiges Essen ein angenehmes Leben, sondern die nüchterne Überlegung, die Ursachen für alles Wählen und Meiden erforscht und die falschen/nichtigen/leeren/ Meinungen austreibt, aus denen die schlimmste Verwirrung der Seele [Verwirrung der Seele ist entgegengesetzt zu Seelenruhe] entsteht. Dafür ist Einsicht (griechisch: φρόνησις [phronesis]; das Wort kann auch mit „Klugheit“ oder „praktische Vernunft“ übersetzt werden) der Anfang/Ausgangspunkt und das höchste Gut.

Aus Einsicht/Klugheit/praktische Vernunft enstehen die übrigen Tugenden/Vortrefflichkeiten und sie lehrt, dass ein lustvolles Leben nicht möglich ist ohne ein einsichtsvolles, sittlich schönes und gerechtes Leben und ein einsichtsvolles und sittlich schönes und gerechtes Leben nicht ohne ein lustvolles.

Einsicht/Klugheit/praktische Vernunft hält Epikur für noch kostbarer/wertvoller als Philosphie, weil sie die Überlegung leistet, die beim Handeln richtiges Wählen und Vermeiden zustandebringt und so zu einem angenehmen Leben, also Glück(seligkeit) führt. Ethik hat bei Epikur Priorität vor Erkenntnistheorie und Naturlehre. Philosophie kann auf verschiedene Weise geschehen und es ist nicht gesichert, dass bei jeder Weise Glück(seligkeit) das Ergebnis ist. Das Ergebnis des Philosophierens kann grundsätzlich auch wenig gelungen sein.

2.) Ähnlichkeiten von Aristoteles und Epikur über die Wichtigkeit der Philosophie

Es besteht eine teilweise Ähnlichkeit. Einsicht/Klugheit/praktische Vernunft (griechisch: φρόνησις [phronesis]) wird von Aristoteles als Tugend/Vortrefflichkeit des Verstandes wertgeschätzt und spielt auch bei den Charaktertugenden eine wichtige Rolle, weil sie das Treffen des in einer Lage für eine Person Angemessene leisten kann.

Bei Epikur ist aber nur der Weg der Lust der Weg der Glückseligkeit, während Aristoeles drei hauptsächlich Lebensformen nennt und dem Weg der Lust (Lebensform des Genusses) dabei den geringten Rang zuspricht. Die Rolle von Verstand/Vernunft/kluger Überlegung ist bei Epikur insofern etwas geringer, als nach ihm das Erstrebenswerte grundsätzlich schon von der Sinnlichkeit vorgegeben ist, während Aristoteles als das einem Menschen eigentümliche Werk (das, wozu er speziell bestimmt ist) die mit Vernunft verbundene Tätigkeit der Seele und ein entsprechendes Handeln versteht. Bei Aristoteles steht das Erreichen von Zielen und die Verwirklichung von Anlagen im Zentrum, bei Epikur Empfindungen von Lust, Freude und Ähnlichem, ihr Erreichen und ihre Vergrößerung/Maximierung (bzw. die Verkleinerung/Minimierung des Gegenteils).

Aristoteles ist kein Hedonist, vertritt aber auch nicht das völlige Gegenteil (Anti-Hedonismus), sondern einen Standpunkt dazwischen. Lust und Freude sind nach seiner Auffassung Bestandteile eines guten Lebens/von Glück. Lust ist nach seiner Ethik ein Glücksbestandteil (Nikomachische Ethik 1, 5 1097 b 4 – 5). Das Gute und die Lust gehören zu dem, was um seiner selbst willen liebenswert ist (Aristoteles, Nikomachische Ethik 8, 2 1155 b 21 – 22). Die Lust ist aber nach Aristoteles nicht das höchste Gut. Nicht jede Form der Lust ist an sich wählenswert. Nicht jede Lust gilt Aristoteles als ein Gut (Nikomachische Ethik 10, 2 1173 b 21; 10, 3 1174 a 3). Das Lustvolle ist ein anscheinendes Gut, das ein wirkliches Gut oder nur ein täuschendes Scheingut sein kann.

3.) Stoa, Tugenden und Tugendethik

Die Stoa vertritt eine Tugendethik.

In der stoischen Ethik ist das einzige Gute die Tugend/Vortrefflichkeit (griechisch: ἀρετή [arete]; lateinisch: virtus). Allein die innere Einstellung ist zu beeinflussen, bei der die Vernunft von außen an sie herantretenden Vorstellungen, die ein Streben in Bezug auf eine Verwirklichung auslösen können, ihre bewusste Zustimmung erteilt oder nicht. Tugend/Vortrefflichkeit besteht dabei darin, nicht irrigen Meinungen zu verfallen, somit den richtigen Weg zum Glück zu beschreiten.

Tugend/Vortrefflichkeit allein ist hinreichend für Glück(seligkeit).

Die Stoa unterscheidet sich in der Güterlehre auch von Aristoteles, nach dessen Auffassung es mehrere Glücksbestandteiel gibt

Außersittliche Dinge können nach stoischer Philosophie völlig gleichgültig, Bevorzugtes (griechisch: προηγμένα; lateinisch: praeposita oder praecipua bzw. commoda), also ein positiver Wert (griechisch: ἀξία), oder Zurückgesetztes (griechisch: ἀποπροηγµένα; lateinisch reiecta bzw. incommoda) sein, also ein negativer Wert (griechisch: ἀπαξία). Positive Dinge (griechisch: ἀγαθά; lateinisch: bona) sind in körperlicher Hinsicht z. B. Gesundheit, Stärke oder Schönheit, in äußerer Hinsicht z. B. Reichtum oder Ruhm. Dies sind aber keine sittlichen Güter.

Körperliches gehört nach stoischer Lehre zu äußeren Dingen, die unverfügbar sind (sie folgen den Kausalgesetzen der Natur). Moralisch neutrale Dinge (Adiaphora) sind in sittlicher Hinsicht nicht von Belang (griechisch: ἀδιάφορα „nicht Unterschiedenes“, also Gleichgültiges; lateinisch indifferentia).

Nicht klar ist, was mit „diese Tugenden“ gemeint ist.

Weisheit/Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Besonennheit/Mäßigung/Maßhalten galten in der Antike weithin als wichtige Tugenden. Die stoische Philosphie lehrte eine Einheit der Tugenden. Wer wirklich tugendhaft/vortrefflich ist, hat alle Tugenden. Sie hängen zusammen und die einzelnen Tugenden sind Tugend unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet.

Inhaltlich gibt es einzelne Abweichungen von Aristoteles. So kann es nach Auffassung von Aristoteles richtig sein, zornig zu sein, während Stoiker Zorn als Leidenschaft grundsätzlich für falsch halten.

Alice740 
Fragesteller
 14.12.2021, 20:45

Sehr hilfreich!!!

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1) Einsicht gibt Antworten, auch dort wo die Philosophie nur noch Fragen hat. Für mich ist Einsicht das Ergebnis einer gelungenen Philosophie.

3) Für die alten Griechen waren die ,,Kardinaltugenden" maßgebend: Klugheit (Vernunft); Gerechtigkeit, Tapferkeit, Mäßigung. Die ,,Alltagstugenden" wie Ordnungssinn, Ehrlichkeit, Treue usw. können mit etwas gutem Willen aus diesen Kardinaltugenden abgeleitet werden. Auch die ,,Tugendethik" geht an erster Stelle von diesen Kradinaltugenden aus.