Namensgebung bei den Wikinger

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Ein grundsätzliches Verbot, Kinder nach Gottheiten zu benennen, ist für die germanische Religion nicht überliefert. In der Wikingerzeit (etwa 800 - 1050) hat es Personennamen gegeben, die den Namen eines Gottes als Bestandteil hatten. Es wird dazu auch nicht berichtet, dies habe gegen irgendwelche Gesetze, Regeln, Bestimmungen, Normen verstoßen.

Mit einem Fachbegriff werden solche Namen, die Bezeichnungen oder Namen von Gottheiten enthalten, als theophore Namen bezeichnet (griechisch: θεός = Gott, θεοί = Götter; φοϱός = tragend, zu φέϱειν = tragen).

Ein Name, bei dem jemand einfach genauso wie eine Gottheit heißt, ist für die Wikingerzeit nicht bekannt. So etwas hat es später gegeben, vielleicht zuerst als Kurzform für Zusammensetzungen mit Thor-.

Namen mit dem Namen von Gottheiten als Bestandteil in Komposita (Zusammensetzungen, zusammengesetzte Wörter) sind eine verhältnismäßig späte Erscheinung in der Wikingerzeit.

Die allgemeinen germanischen Bezeichnungen für Gottheiten ansu («Ase») und guða («Gott») stecken in einigen Namen als Erstglied/erster Bestandteil. Beispiele sind Asmund/Ásmundr, Gudlaug/Guðlaug und der weibliche Name Gudrun/Guðrún.

Bei Namen bestimmter einzelner Gottheiten sind Personennamen, die damit zusammengesetzt sind, praktisch fast ganz auf Thor und Freyr beschränkt. Dabei sind anscheinend Namen, die als einen Bestandteil «Donner» bzw. «Herr(scher)» hatten, auf einen direkten Bezug zu den entsprechenden Göttern gedeutet worden. Die Erstglieder/ersten Bestandteile Thor-/Þor- und Frey- sind dann insofern eine sekundäre Entwicklung.

Zu Odin/Óðinn gibt es anscheinend nur den weiblichen Namen Odindisa (in einer schwedischen Runeninschrift) als nachweisbares Beispiele (der Bestandteil -disa hat wohl einen Bezug auf die Disen, niedere Gottheiten der germanischen/nordischen Religion/Mythologie; anscheinend handelt es sich um den Namen Disa mit dem Götternamen als sekundärem Beinamenpräfix).

Es gibt Namen auf Ing-, die indirekt auf einen Gott oder eponymen Heros (namensgebendenHelden), germanisch *Inguaz, zurückgeführt werden können. Im Erstglied/ersten Bestandteil der Ing-Namen steht die Bezeichnung des Stammes/Kultverbandes der Ingwionen. Als Stammvater des Geschlechtes der ynglingar gilt Yngvi. Die Stammtafel der ynglingar enthält in altwestnordischen Quellen auch die Götter Njǫrðr und Freyr (vgl. Thorsten Andersson, Orts- und Personennamen als Quellen der germanischen Religionsgeschichte. In: Germanische Religionsgeschichte : Quellen und Quellenprobleme. Herausgegeben von Heinrich Beck, Detlef Elmers, Kurt Schier. Berlin ; New York : de Gruyter, 1992 (Reallexikon der germanischen Altertumskunde : Ergänzungsbände ; Band 5), S. 509 – 510). Einige Beispiele für Ing-Namen sind bei Männern Ingimarr, Ingimund, Ingwine, Ingólfur, bei Frauen Ingegerd, Ingibjǫrg.

Einige Beispiele für Zusammensetzungen mit Freyr sind bei Männern Freydard/Freygarðr, Freygunnr, Freylaug, Freysteinn, bei Frauen Freydís (Erik/Eirik der Rote hatte eine Tochter mit diesem Namen), Freyygerd/Freygerðr.

Am häufigsten sind Zusammensetzungen mit Thor/Þórr. Einige Beispiele sind bei Männern Thorbrand/Þórbrandr, Thorfinn/Þorfinnr (z. B. Thorfinn Karlsefni, Thorfinn Sigurdsson), Thorgeirr/Þórgeirr, Thorhall/Þórhall, Thorolf/Þórolfr, Thorsteinn/Þórsteinn, Thorwald/Þórvaldr, bei Frauen Thorbjorg/Þorbjǫrg, Thordis/Þórdís, Thorhild/Þórhildr.

Mehr theophore Namen, auch zu Göttinnen, gibt es Ortsnamen.

Theophore Namen enthalten eine Götterbezeichungen oder einen -namen oder lassen sich ausnahmsweise von einer solchen Basis ableiten. Ehrfurcht vor den Göttern verhindert, daß bei den Germanen die Götterbezeichnungen bzw. Götternamen als Zweitglied/zweiter Bestandteil verwendet werden, abgesehen von Bezeichnungen transzendenter Wesen niederen Ranges wie Alfen (alfr) , Elfen (elfr)und Disen (dís).

Albrecht  22.03.2015, 12:40

Informationen:

Thorsten Andersson, Namen in Skandinavien. In: Namenforschung : ein internationales Handbuch zur Onomastik. Herausgegeben von Ernst Eichler, Gerold Hilty, Heinrich Löffler, Hugo Steger, Ladislav Zgusta. Teilband 1. Berlin ; New York : de Gruyter, 1995. S. 792 - 805

S. 798: „Unter den Namen, die in der Religion wurzeln, ist eine skandinavische Neuerung hervorzuheben. Während theophore Namen mit Götterbezeichnungen, z. B. germ. *Guða‚ ‚Gott', *Ansu-‚ ‚Ase', als Erstglied gemeingermanisch sind […], gibt es im Nordischen auch Personennamen mit Götternamen als Erstglied. Dieser neue Namentyp, der sich praktisch auf Frey- und Þór beschränkt, geht sicherlich von Namen aus, die mit Frey- in der ursprünglichen Bedeutung , profanen Bedeutung, ‚Herr', gebildet worden sind […].Vor allem die Þór-Namen, z. B. Männernamen wie Þormóðr, Þorsteinn und Frauennamen wie Þorbjǫrg, Þordís, spiegeln in der Wikingerzeit die Popularität des volkstümlichen Gottes wider."

Thorsten Andersson, Personennamen. In: Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Von Johannes Hoops. Band 22: Östgötalag – Pfalz und Pfalzen. 2., völlig neu bearbeitete und stark erweiterte Auflage. Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer. Berlin ; New York : de Gruyter, 2003, S. 589 - 614

S. 594 - 595: „Genuine Züge unterschieden die germ. von anderen ig. theophoren PN. Im Griech. und Inodiranischen kommen Götternamen als Erstglied von PN vor, während gemeingerm. nur Götterbezeichnungen in dieser Funktion auftreten. Nur im Nord. kommen Götternamen, hauptsächlich awnord. Freyr, Þórr, als Erstglied vor, was offensichtlich auf eine Umdeutung von Frey-, eigentlich ‚Herr ‚Herrscher', zurückzuführen ist. Die ält. Bedeutung des Götternamens, Þórr, ‚Donner' (→ Donar- Þórr) kommt vereinzelt in kontinentalgerm. PN vor und liegt sicher auch dem awnord. Þórgnyr, auf Donnerschlag bezogen, zugrunde. Awnord. - Þórr als Zweitglied ist nicht der Göttername, sondern eine Bildung dazu (< -Þórir; […]).“  

germ. = germanischen  

ig. = indogermanischen  

PN = Personennamen  

Griech. = Griechischen  

gemeingerm. = gemeingermanisch  

Nord. = Nordischen  

awnord. = altwestnordisch  

ält. = ältere  

kontinentalgerm. = kontinentalgermanischen

S. 595: „Im Germ. treten Götterbezeichnungen grundsätzlich nicht als Zweitglied auf, was als Gotteslästerung aufgefaßt worden wäre."

„Durch die theophoren Namen wurden die Kinder wahrscheinlich in die besondere Obhut der Götter gestellt. Der Gedanke an eine besondere Weihe an die Götter ist oft ausgesprochen worden, z. T. allerdings in sehr spekulativer Weise. Der adän. PN Othinkar ist dabei herangezogen worden […]; dieser Name enthält aber allem Anschein nach nicht den Götternamen awnord. Óðinn, sondern ein mit dem Götternamen etym. verwandtes Adj. mit der Bedeutung ‚zur Wut geneigt' […].“  

z. T. = zum Teil

adän. = altdänische  

etym. = etymologisch  

Adj. = Adjektiv

Thorsten Andersson, Theophore Namen. In: Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Von Johannes Hoops. Band 30: Stil - Tissø. 2., völlig neu bearbeitete und stark erweiterte Auflage. Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer. Berlin ; New York : de Gruyter, 2005, S. 442 – 452 (§3: Personennamen S. 448 – 450)

S. 449: „Es handelt sich dabei praktisch nur um awnord. Freyr und Þórr.“

„Die theophoren germ. Individualnamen dienen wahrscheinlich dazu, die Kinder in die besondere Obhut der Götter – in Skand. auch einzelner Götter – zu stellen."  

Skand. = Skandinavien

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Es gab (und gibt) Namen wie Thorsten (Thor-Stein), Ingwine (Freund von Ing) oder auch tatsächlich Thor (allerdings hab ich nur zwei englische Adelige (also Christen) aus dem 12. Jahrhundert mit dem Namen gefunden, und da war die Wikingerzeit schon vorbei).

Außerdem sein Kind nach einem Gott zu benennen würde den Gott ehren, von daher sehe ich nichts was dagegen spräche, zumal polytheistische (heidnische) Religion dazu tendierten weniger restriktiv zu sein, als das Christentum.

Das nordische Heidentum war außerdem nicht zentriert und festgelegt. Die Mehrheit der Sagen wurde erst sehr spät aufgeschrieben und enthalten soweit ich weiß keine Regeln wie man beispielsweise mit seinem Kind verfahren soll.  Von daher war es mit Sicherheit erlaubt.

Ganz genau weiß ich das nicht, aber ich denke mal, dass das verboten war. Du nennst dein KInd ja heute auch nicht Gott