Kladogramm Biologie?

DedeM  17.05.2021, 18:17

Auf welchem Niveau?

Gretadeso 
Fragesteller
 17.05.2021, 18:21

Was meinen Sie in dem Fall mit Niveau. Gemeint ist das klassische Kladogramm, wo man mit Hilfe von Kriterien der Homologie und Analogie die Verwandtschaft ausmachen muss.

DedeM  17.05.2021, 18:24

Schon klar, aber sagt dir die Methode Hennig etwas? Oder apomorph (abgeleitet) oder plesiomorph (ursprünglich)? Niveau meint welche Klassenstufe?

Gretadeso 
Fragesteller
 18.05.2021, 15:07

Ne, das habe ich noch nie gehört. Die Frage ist jetzt geklärt, trotzdem vielen dank für die Hilfsbereitschaft!!

1 Antwort

Eigentlich ist es ganz einfach. Ein Kladogramm stellt die verwandtschaftlichen Verhältnisse von Gruppen (Taxa genannt) übersichtlich als Grafik, eben als Stammbaum, dar. Anders als andere Stammbaumdarstellungen (wie z. B. phylogenetische Bäume) liefert ein Kladogramm keine weiteren Informationen (bei phylogenetischen Bäumen repräsentieren die Astlängen beispielsweise die genetischen Distanzen, bei manchen Stammbäumen gibt die Astlänge auch Auskunft darüber, wann zwei Taxa sich voneinander getrennt haben), die Astlänge spielt in einem Kladogramm also keine Rolle. Einzig das Aufzweigungsmuster gibt uns also eine Auskunft, nämlich darüber, welche Taxa wie miteinander verwandt sind.

Zwei Taxa, die einem gemeinsamen Knoten entspringen, sind untereinander am nächsten miteinander verwandt. Sie werden als Schwestertaxa oder Schwestergruppen bezeichnet. Der Knoten, von dem zwei (manchmal auch mehr) Äste abzweigen, ist der jeweils letzte unmittelbare gemeinsame Vorfahre der von diesem Punkt ausgehenden Taxa.

Meist verzweigen sich Stammbäume dichotom, d. h., dass von einem Knoten zwei Äste abgehen. Der Evolutionstheorie zufolge entstehen Arten schließlich, indem eine Vorfahrenart sich in zwei neue Arten aufspaltet. Manchmal sind aber drei (oder mehr) Taxa so eng miteinander verwandt (weil z. B. innerhalb kurzer Zeit mehrere Artspaltungsprozesse hintereinander aufgetreten sind, man nennt das dann Radiation), dass z. B. der Vergleich von DNA-Sequenzen keine Auskunft darüber geben kann, welche Aufzweigungen nun zuerst stattfanden und welche Taxa nunSchwestergruppen bilden. Wenn man also drei Arten, z. B. A, B und C hat, lässt sich dann nicht sagen, ob zuerst C abzweigt und dann A und B sich aufspalten oder erst B abzweigt und dann A und C oder erst A und dann B und C. Wenn von einem Knoten mehr als zwei Äste abgehen, sagt man, dass der Baum an dieser Stelle nicht vollständig aufgelöst werden kann. Dann sind andere Untersuchungen und Methoden notwendig, um diese Stelle eventuell doch auflösen zu können.

Vom Prinzip her gitl, dass zwei Taxa (z. B. zwei Arten) umso näher miteinander verwandt sind, je ähnlicher sie sind. Wenn man z. B. DNA-Sequenzen verschiedener Arten miteinander vergleicht, schaut man, wie viel % der DNA übereinstimmt und kann daraus ableiten, wie nahe verwandt zwei Arten miteinander sind. In Genen häufen sich Mutationen mit einer bestimmten Geschwindigkeit, die man bestimmen kann (molekulare Uhr) an. Sobald eine Art sich in zwei Arten aufgespalten hat, häufen sich diese Mutationen in jeder der beiden "Tochterarten" unabhängig voneinander an, sodass sich mit der Zeit die beiden Arten immer stärker genetisch voneinander unterscheiden werden. Angenommen, wir haben wieder drei Arten A, B und C und vergleichen die DNA-Sequenz eines Gens dieser drei Arten miteinander, können wir durch Bestimmen der Ähnlichkeit ermitteln, wie die Verwandtschaftsverhältnisse aussehen. Nehmen wir an, dass zwischen Art A und B 2 Unterschiede bestehen und Art C sich von A und B durch eine weitere Mutation unterscheidet. Dann bedeutet das, dass A und B offensichtlich untereinander näher verwandt sind und somit in einem Schwestergruppenverhältnis stehen. Wir können deshalb davon ausgehen, dass von einer Ursprungsart, die wir nicht kennen, zunächst Art C abgezweigt ist und eine weitere Evolutionslinie, die sich später dann noch einmal geteilt hat, nämlich in die Arten A und B.
Genauso kann man auch mit morphologischen Merkmalen hantieren. Man erstellt dazu eine Merkmalsmatrix. Das ist nichts anderes als eine Liste von Merkmalen zu erstellen und dann zu schauen, wo die Arten sich in den Merkmalen unterscheiden oder wo sie übereinstimmen. Auch hier gilt: je näher zwei Arten verwandt sind, umso ähnlicher sehen sie sich morphologisch.

Beim Vergleich von Merkmalen ist aber Vorsicht geboten. Nur homologe (d. h. ursprungsgleiche) Merkmale sind auch ein Indiz für eine gemeinsame Verwandtschaft. Homologien sind also Merkmale, die auf einen gemeinsamen Ahn zurückgehen, auf ein gemeinsames "Ur-Merkmal". Im Unterschied dazu sind Analogien Merkmale, die oberflächlich betrachtet sehr ähnlich sind, tatsächlich aber unabhängig voneinander entstanden sind. Nimmt man für zwei Merkmale fälschlicherweise Homologie an, obwohl es eigentlich konvergent entstandene Analogien sind, rekonstruiert man einen falschen Stammbaum. Ein Beispiel: sowohl Vögel als auch Fledermäuse haben Flügel und können fliegen. Das könnte dazu verleiten, eine nähere Verwandtschaft zwischen Vögeln und Fledermäusen anzunehmen. In WIrklichkeit aber haben Vögel und Fledermäuse ihre Flügel unabhängig voneinander entwickelt und sind nicht näher miteinander verwandt. Fledermäuse sind echte Säugetiere und am ehesten mit Insektenfressern, Huftieren, Raubtieren und Schuppentieren verwandt, während die nächsten lebenden Verwandten der Vögel die Krokodile sind. Beim Erstellen von Stammbäumen muss man deshalb zunächst sicherstellen, dass man auch wirklich nur homologe Merkmale jeweils miteinander vergleicht.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
Gretadeso 
Fragesteller
 18.05.2021, 15:10

Oh, vielen Dank für die ausführliche Antwort. Ich schaue mir das später nochmal genauer an.

Dankeschön

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