Kann man als Christ das alte Testament ignorieren und nur das neue Testament verfolgen?

10 Antworten

Hallo Nico,

kurz gesagt: nein, das kann man nicht! Und überhaupt: Die Unterscheidung in Altes und Neues Testament legt den Gedanken nahe, dass die Bibel aus zwei Teilen bestehe, wobei nur der letzte Teil noch Gültigkeit besitzt. Dem ist jedoch nicht so.

Die Schreiber der Bibel machen keinen Unterschied zwischen Altem und Neuem Testament, was den Wert oder die Gültigkeit betrifft. Im Neuen Testament finden sich über 320 direkte und weitere hunderte Male indirekte Bezugnahmen auf Texte des Alten Testaments. Denkst Du, die Schreiber hätten dies getan, wenn sie geglaubt hätten, das Altes Testament besitze keine Gültigkeit mehr? Außerdem zitierte Jesus Christus viele Male aus den alten Schriften, wenn er sagte: "Es steht geschrieben...".

Der Apostel Paulus, ein guter Kenner der heiligen Schriften, schrieb einmal über ihren Wert für einen Christen: „Alles, was vorzeiten geschrieben wurde [damit meinte der das gesamte Alte Testament], ist zu unserer Unterweisung geschrieben worden, damit wir durch unser Ausharren und durch den Trost aus den Schriften Hoffnung haben können“ (Römer 15:4). Man kann sogar sagen, dass wir das AT ohne das NT gar nicht richtig verstehen könnten. Beides gehört untrennbar zusammen.

Das, was für einen Christen keine Gültigkeit mehr besitzt ist der "alte Bund", den Gott einst mit dem Volk Israel geschlossen hatte und der durch den "neuen Bund" ersetzt wurde. Der "alte Bund" schloss das mosaische Gesetz mit ein, das aus diesem Grund ebenfalls nicht mehr bindend für uns ist.

Das heißt nun aber nicht, dass dieses Gesetz für einen Christen ohne Bedeutung ist. Aus ihm lassen sich viele Grundsätze auch für unser Leben heute ableiten und es wurde dadurch auch erkennbar, wie Gott zu Ehe und Moral sowie zu menschlichem Miteinander eingestellt ist.

Man kann also sagen, dass die Bibel im Grunde ein einheitliches Ganzes bildet, das nur dann für uns seinen vollen Wert besitzt, wenn man nicht einen wesentlichen und wichtigen Teil, das Alte Testament, davon abtrennt.

LG Philipp

Verbindlich ist für Christen das Neue Testament. Aber das Alte Testament wir nicht ignoriert, sondern im Licht des Neuen Testamentes als Wurzel gesehen.

Das Alte Testament ist sozusagen in dreifacher Weise aufgehoben:

  • Das Gesetz ist aufgehoben als Zwang.
  • Es ist aufgehoben im Sinne von "bewahrt".
  • Es ist aufgehoben auf eine höhere Ebene.

Im Neuen Testament wird sich vielfach, vor allem bei Matthäus auf das Alte Testament berufen.

Jesus zitiert selbst oft aus dem AT.

Paulus weist auf die Nützlichkeit des AT hin: 2. Tim 3,14ff : 14 Du aber bleibe bei dem, was du gelernt und wovon du dich überzeugt hast. Du weißt, von wem du es gelernt hast; 15 denn du kennst von Kindheit an die heiligen Schriften, die dich weise machen können zum Heil durch den Glauben an Christus Jesus. 16 Jede Schrift ist, als von Gott eingegeben, auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, 17 damit der Mensch Gottes gerüstet ist, ausgerüstet zu jedem guten Werk.

Da ist der Bezug zum AT hergestellt. Das Neue Testament ist hier nicht gemeint; das gab es zur Zeit des Briefes an Timotheus noch nicht.

Und im Großen Glaubensbekenntnis der kath. und evangelischen Kirche steht als deutlicher Hinweis, das AT nicht zu ignorieren:....ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift....

Mit Schrift ist das AT gemeint.

GandalfAwA  15.11.2019, 10:56

Das hast Du sehr schön auf den Punkt gebracht Nadelwald. :-)

Was mich persönlich betrifft, da wollte ich eines Tages genauer wissen, wie die Geschichte zwischen Mensch und Gott entstanden ist, und habe deshalb das Alte Testament auch gelesen. :-)

Und es gibt auch tolle Bücher wie die Sprüche & Weisheiten Salamos und die Psalmen, die eine echte Bereicherung sind! 😀

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adelaide196970  15.11.2019, 16:11
@GandalfAwA

das negative in der Bibel darfst du aber auch nicht vergessen. Und Gottes Wort? Na ja, die Sintflut steht schon im Gilgamesch Epos. Die hat man von dort übernommen. Das sind alles Geschichten, wie sie in Mesopotamien und Umgebung damals so üblich waren. Ein Teil der Bibel ist ja in Babylon geschrieben. Und in Ugarit hat man eine vorherige Version der Schöpfungsgeschichte gefunden, auf Steintafeln, die ähnlich, aber etwas anders ist. Da wird zum Beispiel die Frau besser dargestellt. Und sogar in der Bibel im AT gibt es zwei Schöpfungsgeschichten. Genesis 1 und Genesis 2, die ein wenig sich unterscheiden.

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adelaide196970  15.11.2019, 14:49

wo steht es denn im Glaubensbekenntnis?

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Nadelwald75  15.11.2019, 15:57
@adelaide196970

Steht im Nicäno-Konstantinopolitanum, auch Großes Glaubensbekenntnis genannt, das oft als Credo in der Liturgie Verwendung findet. 

Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden, ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift und aufgefahren in den Himmel.

Griechische Fassung:

Καὶ ἀναστάντα τῇ τρίτῃ ἡμέρᾳ

κατὰ τὰς Γραφάς·

Lateinische Fassung:

et resurrexit tertia die,

secundum Scripturas,

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adelaide196970  15.11.2019, 16:05
@Nadelwald75

kenne ich nicht. ich kenne nur: ".. ..ist am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten , aufgefahren in den Himmel. Sitzet zur rechten ...." Also von "nach der Schrift" hörte ich nichts. Aber selbst wenn, wo im AT wird darauf hingewiesen? Ist mit "Schrift" evtl. das NT gemeint?

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Nadelwald75  15.11.2019, 16:11
@adelaide196970

Da du es nicht kennst, kannst du dich ja mal hier informieren: Anklicken, dann unter "verschiedene Texte", hier unter Nicäo-Konstantinopolitanum:

https://de.wikipedia.org/wiki/Credo

Im AT kann natürlich nichts darüber stehen, da es da Christus, Christen und Neues Testament noch nicht gab.

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Nadelwald75  15.11.2019, 16:17
@adelaide196970

Mit "Schrift" ist zur Zeit Jesu und in den Jahrhunderten danach immer das AT gemeint.

Du kannst auch mal vergleichen, wie das NT selbst diesen Begriff verwendet:

Lk 24, 25 f:  Da sagte er zu ihnen: Ihr Unverständigen, deren Herz zu träge ist, um alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben.26 Musste nicht der Christus das erleiden und so in seine Herrlichkeit gelangen?27 Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.

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Im Prinzip ja. Für Christen ist das Neue Testament und seine Lehre ausschlaggebend, danach leben wir.

Weil aber im NT viele Hinweise auf das AT vorkommen, wird man früher oder später auch im AT nachgucken.

Ignorieren Christen nicht bis auf

  • die 10 Gebote
  • die Schöpfungsgeschichte
  • die Sintflut

eh bereits alles aus dem AT?

Zumindest wüßte ich nicht, daß für Christen z.B. gelte, seinen Sohn vor dem Dorf zu steinigen wenn er ungehorsam ist.

Hadaguggna  15.11.2019, 10:16

Die 10 Gebote hat Jesus übrigens auf die Frage welches die wichtigsten seien auf zwei heruntergebrochen! :-)

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adelaide196970  15.11.2019, 14:45
@Hadaguggna

und das ist insbesondere das Gebot der Nächstenliebe, welches fast alle anderen beinhaltet.

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Das Alte und Neue Testament bilden eine Einheit und sind deshalb miteinander verbunden. Bei der Bibel handelt es sich also um ein Buch, das aus 66 einzelnen Büchern besteht (die 39 Bücher das AT und die 27 Bücher des NT). Deshalb sollte man keine Wertung vornehmen.

Das Alte Testament etabliert Prinzipien, die im Neuen Testament veranschaulicht werden. Das Alte Testament enthält viele Prophezeiungen die im Neuen Testament erfüllt werden. Das Alte Testament liefert Geschichte über ein Volk, während das Neue Testament sich auf die Person fokussiert. Das Alte Testament zeigt den Zorn Gottes gegen Sünde (mit kurzem Blick auf Seine Gnade); das Neue Testament zeigt die Gnade Gottes gegenüber Sündern (mit kurzem Blick auf Seinen Zorn).

Das Alte Testament sagt einen Messias voraus (Jesaja 53), und das Alte Testament offenbart wer der Messias ist (Johannes 4,25-26). Das Alte Testament zeigt Gottes Gesetz auf, das Neue zeigt wie Jesus, der Messias, das Gesetz erfüllt (Matthäus 5,17; Hebräer 10,9). Im Alten Testament handelt Gott meist mit Seinem auserwählten Volk, den Juden; im Neuen geht es hauptsächlich um Gottes Umgang mit Seiner Gemeinde (Matthäus 16,18).

Das Alte Testament sah das Paradies für Adam verloren; das Neue zeigtwie das Paradies wiedergewonnen wurde durch den zweiten Adam (Christus). Das Alte Testament verkündet, dass der Mensch durch seine Sünde von Gott getrennt wurde (1. Mose) und das Neue Testament verkündet, dass die Beziehung zwischen Mensch und Gott wieder hergestellt werden kann (Römer 3; 6). 

Das Alte Testament legt also die Basis für das Kommen des Messias nieder, der sich Selbst geopfert hat für die Sünden der Welt (1. Johannes 2,2). Das Neue Testament zeichnet den Dienst von Jesus Christus auf und schaut zurück, auf was Er getan hat und wie wir darauf reagieren müssen. Beide Testamente eröffnen den gleichen heiligen, barmherzigen und gerechten Gott, der Sünde verdammt und sich wünscht Sünder zu retten durch das Sühnopfer. In beiden Testamenten eröffnet sich Gott selbst für uns und zeigt uns, wie wir zu Ihm kommen können durch unseren Glauben (1. Mose 15,6; Epheser 2,8).