Ist Schwarz-Weiß-Denken angeboren, anerzogen, Denkfaulheit, Aggression, ein Problem von Digitalisierung oder etwas Anderes?


01.11.2021, 03:16

Auf die Anregung von Nutzerin Kleidchen2 hin, doch bitte ein Beispiel zu nennen, möchte ich gern folgende Beispiele vortragen :

Beispielsweise: "Politiker sind alle Korrupt", "Die Wirtschaft ist marode", "HartzIV-Empfänger sind faul", "Asylanten sind Wirtschaftsflüchtlinge", "Migranten sind Kriminelle" , also die Einteilung in Gut und Böse, in makellos und fehlerhaft, in sauber und schmutzig oder die Einteilung in heilig und sündhaft.

Zudem gibt es das Schwarz-Weiß-Denken in der Form eines "Alles-oder-Nichts-Denken" : "Wenn ich keine Eins bekomme, bin ich ein Versager. Alle Menschen, die ich liebe, verlassen mich. Immer muss mir das passieren. Nie kann ich was richtig machen." (vgl. https://www.psychotipps.com/schwarz-weiss-denken.html) :

Zitat:

Diese Art des negativen Denkens lässt sich sehr schön an einem Beispiel verdeutlichen, das der amerikanische Psychologe Tom Miller das 100 Cent-Spiel nennt: In diesem Spiel gilt man nur dann ein wertvoller Mensch, wenn man stets 100 Cent bei sich trägt. Sobald man auch nur einen Cent weniger in der Tasche hat, ist man ein minderwertiger und wertloser Mensch. Was ist die Folge davon? Wer sich auf dieses Spiel einlässt, versucht krampfhaft, immer 100 Cent bei sich zu tragen, und tut alles, dass ihm das gelingt. Aber selbst wenn man die 100 Cent hat, kommt man nicht zur Ruhe. Man muss nämlich befürchten, dass man sie verliert. Man lebt ständig in der Angst, eines Tages einen Cent zu verlieren. Und so hat man keine Chance, ruhig und in Frieden leben zu können.

Das Ergebnis basiert auf 16 Abstimmungen

Anerzogen 56%
Etwas Anderes 25%
Angeboren 6%
Denkfaulheit 6%
Problem von Digitalisierung 6%
Aggression 0%

11 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Anerzogen

Ich nenne es Kriegsdenken und es ist eindeutig anerzogen durch unser Gesellschaftssystem, in dem die Kriegskultur ein wesentlicher Baustein ist. Man wird immer wieder gedrängt, sich zu entscheiden zwischen zwei Parteien, die sich bekämpfen.

Wenn man das Schlimmste nicht will, muss man das Zweitschlimmste unterstützen. Wer gegen beide Bedenken hat, sitzt zwischen den Stühlen und wird von beiden Seiten beargwöhnt: "Wer nicht mein Freund sein will, ist mein Feind". Wer sich zu einer Seite bekennt und trotzdem etwas an ihrem Vorgehen kritisiert, wird als möglicher Verräter angesehen, auf den man sich nicht verlassen kann.

Das Denken in Gut und Böse, Freund und Feind, Nutzen und Schaden, Pro und Contra usw ist dummes Denken, das zu dem katastrophalen Zustand dieser Welt geführt hat. Meist ist es verbunden mit dinglichem Denken, dem Denken in Dingen (Objekten) und ihren Eigenschaften, die als konstant angesehen werden.

Es gibt aber noch ein anderes Denken, dem es mehr um das Werden als um das Sein geht, mehr um Wirkungen und Prozesse als um Eigenschaften. Da gehören Gegensätze zusammen und bewirken sich gegenseitig. Da gilt eine allgemeine Ambivalenz, alles hat sowohl gute wie schlechte Seiten.

Man nennt es auch systemisches Denken, denn es fasst unterschiedliche Dinge, die gemeinsam wirken, zu Einheiten zusammen, eben den Systemen. Ein solches Denken ist leider nur bei einer Minderheit zu finden.


Sternguckerin  01.11.2021, 22:03

Da bin ich ganz bei dir, aber natürlich dient Schwarz-Weiß-Denken auch der Reduktion von Komplexität, denn es ermöglicht, alle Objekte des Denkens, fein säuberlich und überschaubar in Schubladen einzuordnen und sich eben nicht mit evtl. Ambivalenzen, die das Denken in Grautönen bzw. das Sitzen "zwischen den Stühlen" mit sich bringt, rumärgern zu müssen.

Und dann auch noch die Vorstellung, sich in Perspektivübernahme, Empathie, ggf. Frustrationstoleranz zu üben und schließlich auch noch Kompromisse eingehen zu müssen, pfui, aber auch...;-).

3
Machtnix53  02.11.2021, 04:57

Danke für das Sternchen.

1
Anerzogen

Nenn doch bitte mal ein Beispiel.

Ergänzung nach der Erläuterung des FS:

Ich würde das als undifferenzierte Denken bezeichnen. Differenzierung dagegen ist erlernbar und ein Zeichen von Intelligenz. Ich sehe die Schwarz/Weiß-Rasterung als eine Form der vielleicht aus Bequemlichkeit geübten Grobpixelung der Welt. Das erfordert weniger Informationen und weniger Hirnrechnerleistung.

Da das menschliche Hirn schon früh konfiguriert wird, trägt die Erziehung der Eltern sehr dazu bei. Wer Neugierde bei Kindern unterbindet, weil das bequemer ist, verhindert Intelligenz.


EinTeilnehmer 
Fragesteller
 01.11.2021, 03:13

Beispielsweise: "Politiker sind alle Korrupt", "Die Wirtschaft ist marode", "HartzIV-Empfänger sind faul", "Asylanten sind Wirtschaftsflüchtlinge", "Migranten sind Kriminelle" , also die Einteilung in Gut und Böse, in makellos und fehlerhaft, in sauber und schmutzig oder die Einteilung in heilig und sündhaft.

Zudem gibt es das Schwarz-Weiß-Denken in der Form eines "Alles-oder-Nichts-Denken" : "Wenn ich keine Eins bekomme, bin ich ein Versager. Alle Menschen, die ich liebe, verlassen mich. Immer muss mir das passieren. Nie kann ich was richtig machen." (vgl. https://www.psychotipps.com/schwarz-weiss-denken.html) :

Zitat:

Diese Art des negativen Denkens lässt sich sehr schön an einem Beispiel verdeutlichen, das der amerikanische Psychologe Tom Miller das 100 Cent-Spiel nennt: In diesem Spiel gilt man nur dann ein wertvoller Mensch, wenn man stets 100 Cent bei sich trägt. Sobald man auch nur einen Cent weniger in der Tasche hat, ist man ein minderwertiger und wertloser Mensch. Was ist die Folge davon? Wer sich auf dieses Spiel einlässt, versucht krampfhaft, immer 100 Cent bei sich zu tragen, und tut alles, dass ihm das gelingt. Aber selbst wenn man die 100 Cent hat, kommt man nicht zur Ruhe. Man muss nämlich befürchten, dass man sie verliert. Man lebt ständig in der Angst, eines Tages einen Cent zu verlieren. Und so hat man keine Chance, ruhig und in Frieden leben zu können.
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EinTeilnehmer 
Fragesteller
 01.11.2021, 08:51
@Kleidchen2

Du hast ein Frage gestellt und eine Antwort bekommen. Darauf hast du eine Feststellung getroffen, die jedoch unklar ist. Ich habe quasi um Klarheit gebeten.

Welche Richtung?

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Kleidchen2  01.11.2021, 09:38
@EinTeilnehmer

Meine Ergänzung in der Antwort ist meine Antwort auf deine ursprüngliche Frage. Meine Nachfrage vorher sollte klären, was der Hintergrund deiner Frage ist. Es hätte ja auch sein können, dass du Verschwörungserzählern das Wort redest.

1
EinTeilnehmer 
Fragesteller
 01.11.2021, 09:41
@Kleidchen2

Ok, verstehe. Nein, Verschwörungstheorien waren gar nicht gemeint.
Allgemeines, nachvollziehbares "Schwarz-Weiß-Denken" ist gemeint.
Vielen Dank für Deine Klarstellung.

1
Denkfaulheit

Die wenigsten machen sich die Mühe einzelne gegebene Schlagworte in irgendeiner Weise sinnvoll definieren und abarbeiten zu wollen.

Das ist leider so.

Das ist dem Menschen weder so angeboren, noch anerzogen, sondern seine eigene Entscheidungs aus Bequemnlichkeit und Gewohnheit, jedenfalls sehe ich das so.

Mit der Digitalisierung hat das nichts zu tun, das gab es auch vorher bereits in entsprechendem Maße.

Anerzogen

Definitiv ist es keine Veranlagung sondern anerzogen. Und diese "Erziehung" kann man jederzeit ändern - oder ändert sich irgendwann von alleine bei diesem und jenem - einfach durch Erfahrungen im Leben.


EinTeilnehmer 
Fragesteller
 01.11.2021, 10:43
"Erziehung" kann man jederzeit ändern - oder ändert sich irgendwann von alleine bei diesem und jenem - einfach durch Erfahrungen im Leben.

sehr schön.
.. so wie Ghandi einst sagte: "Sei du selbst die Veränderung, die du sehen willst in der Welt."

2
Etwas Anderes

Kombination von verschiedenen Faktoren.

Eigentlich alles was du aufgezählt hast ausser Digitalisierung. Und wahrscheinlich noch ein paar Punkte mehr.