Ist man verantwortlich für Zwangsgedanken bzw. steckt man hinter diesen Gedanken?

6 Antworten

Oh. Ich erzähl dir mal was über meine Zwangsgedanken und -handlungen.

Ich verlasse meine Wohnung. Ziehe die Türe hinter mir zu und gehe Einkaufen. Ich komme zurück - der Schlüssel steckt von Innen. Ich hatte vergessen, ihn abzuziehen und einzustecken.

Es klingelt. Der Paketbote. Ich gehe auf den Flur, und die Tür fällt ins Schloss. Ich habe zwar das Paket, komme aber nicht wieder in Wohnung.

Folgen: Zum Nachbarn gehen, bitten, das Telefon benutzen zu dürfen, ein paar Stunden auf den Schlüsseldienst warten, und ein Scheißgeld für die Türöffnung bezahlen.

Wenn dir das ein Paar Mal passiert, wirst du darauf achten, dass du immer den Schlüssel bei dir hast.

Du nimmst den Schlüssel in die Hand, bevor du die Tür öffnest. Immer. Du schließt die Tür nur noch von außen, nachdem du dich nochmal vergewissert hast, dass du den Schlüssel bei dir hast. Du gehst zur Haustür, und klopfst nochmal auf deine Jackentasche, ob der Schlüssel wirklich da ist.

Dieses Verhalten ist harmlos, wirst du sagen. Du hast recht. Aber es ist eine Steigerung möglich. (Das betrifft mich jetzt nicht mehr.)

Wenn die Angst, den Schlüssel zu vergessen, zu groß wird, dann ist nämlich die sicherste Option, die Wohnung gar nicht mehr zu verlassen.

Dann ist die Zwangshandlung nicht mehr harmlos, sondern führt zu Einbußen der Lebensqualitiät und sollte dringend behandelt werden.

Das sind schon die Gedanken dieser Person. Allerdings kommt diese Person nicht von diesen Gedanken los und muss immer wieder und wieder daran denken.

Also beispielsweise, muss diese Person immer wieder daran denken, ob auch die Türe verschlossen ist und kann einfach nicht damit aufhören.

Zwangsgedanken treten stellvertretend für ein psychisches Problem auf. Beispiel: Jemand hat große Familienprobleme und den Zwangsgedanken, sich zu kontrollieren, ob er evt. eine Straftat begangen hätte oder er hat den Zwangsgedanken, jemanden zu vergewaltigen, was er natürlich nicht will und i.d.R. nicht tut, solange er sich unter Kontrolle hat. Zwangsgedanken und Zwangshandlung (z.B. sich ständig die Hände waschen zu müssen) sind insofern sehr ähnlich, gehen ineinander über.

Zwangsgedanken kommen aus dem Unterbewusstsein und sind eine Reaktion auf Erlebnisse z.B. der Kindheit, des Lebens allgemein oder eine Reaktion auf sonstige schwere Belastungen. Der Mensch wird zunehmend in seinem Alltag belastet und gehindert, unbeschwert zu leben und seinen Aufgaben nachzukommen. Das nennt man dann eine psychische Erkrankung. In der Entstehung der Krankheit kann der Erkrankte nicht verantwortlich gemacht werden, auch wenn es seine Gedanken sind. Jedoch sollte er sich unbedingt fachliche (psychologische) Hilfe holen.

Zwangsgedanken treten üblicherweise als Zwangsstörung auf und das ist eine psychische Krankheit. Dazu zählt man noch Zwangshandlungen. Jetzt, da es einen Namen hat, kannst Du Dich darüber informieren.

Und ja. Es sind die eigenen Gedanken, aber sie sind nicht rational sondern fast immer von Angst gesteuert.

Jemand mit einem Waschzwang, einer möglichen Ausprägung einer Zwangsstörung, hat selbst nach dem fünften Mal gründlichen Händewaschen das Gefühl, dass sie noch nicht sauber sind. Und obwohl der Betroffene weiß, dass die Angst irrational ist, kommt ihn ihm die Angst vor Krankheiten hoch, die er bekommen könnte, wenn er sich jetzt nicht nochmal die Hände wäscht, um die vermeintlich vorhandenen Bakterien oder Viren, die diese Krankheiten auslösen würden, loszuwerden. Das ganze wird zu Ritualen und damit festigt sich die Angst.

Das Händewaschen bei einem Waschzwang dient der Wiedererlangung der Kontrolle und führt zu einer Senkung der Angst, jedoch nicht für lange. Sich nicht die Hände zu waschen, obwohl man das krankhafte Bedürfnis dazu hat, kann die betroffene Person unter großen Stress oder sogar Panik versetzen.

Es ist eine sehr unfaire und beklemmende Krankheit, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Intensive Beschäftigung mit der menschlichen Psyche
Noeru  29.06.2020, 15:03

Ergänzung: der Betroffene ist sich in der Regel über die Irrationalität der Zwangsgedanken und den damit verbundenen Zwangshandlungen bewusst, kann sich aber nicht gegen die Angst wehren bzw. führt die Handlungen dann doch aus, damit die Angst und der Stresspegel annehmen.

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Nein, verantwortlich ist man in der Regel nicht, dass drückt schon das Wort Zwang aus. Lediglich für das Verhalten unter beeinflussung dieser Zwänge ist man verantwortlich. Zb. Ob man sich hilfe sucht oder durchdreht etc.