Ist es sehr schwer mit Sonder und Wegerecht (Blaulicht&Tröte) zu fahren (Feuerwehr MTW)?

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Zu Beginn sicherlich etwas stressig, da diese Fahrweise deutlich mehr Aufmerksamkeit erfordert.

Man muss immer für die anderen Verkehrsteilnehmer mitdenken, da sich diese von

-"mitdenkent" (zB bereits in 50m Entfernung trotz alleinigem Blaulicht rechts ran und blinken) über

-"asozial" (einfach weiterfahren und innerorts mit weit über 70km/h nach vorn flüchten) bis hin zu

-"völlig irrational" (in freie Spuren rein ziehen und innerorts Rettungsgassen bilden)

in allen möglichen unvorhersehbaren Varianten verhalten. Wenn du glaubst, es ist eine völlig übersichtliche und logische Verkehrssituation, kommt eines Tages jemand daher, der ABSOLUT unvorhersehbar reagiert.

Ein paar Tipps aus meinen paar Jährchen Feuerwehrerfahrung:

-DEUTLICH und BESTIMMT zeigen, wohin und über welche Spur du fahren willst, keinen Slalom fahren, DU bestimmst DEINE Spur,

-Horn RECHTZEITIG einschalten (rechtzeitig sind ein paar mehr als drei Sequenzen), meinetwegen lass das Horn eingeschaltet, wenn es dir sicherer ist. Irgendwann wirst du das belächeln, aber zu Beginn ist das einfacher,

-bei entsprechender Möglichkeit Pressluft nutzen (man bemerkt dein Fahrzeug früher),

-blinken,

-IMMER mit Licht fahren,

-IMMER bremsbereit sein,

-an Kreuzungen nicht anhalten (wie es oft empfohlen wird), mit einem stehenden und wartenden Fahrzeug kann niemand etwas anfangen, könnte als Freigabe zur Weiterfahrt missinterpretiert werden, lieber langsam weiterrollen,

-einen erfahrenen Fahrer beobachten und in den ersten Schichten dabei haben,

-"fahr langsam, wir hams eilig", wirkt im ersten Moment befremdlich, aber: schneller als 10-20 km/h über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit brauchst du nicht zu fahren, bringt keinen Vorteil, erhöht die Gefahr aber,

-je schwerer das Fahrzeug ist, um so defensiver wird gefahren, ein TLF schiebt und schwankt anders als ein NEF,

-falls du allein fährst, lass die Leitstelle plärren wie sie will, konzentrier dich aufs fahren, wenn es dir grade zu anstrengend ist. Funken und Status geben, Navi einstellen etc, wird VOR der Fahrt erledigt, egal wie lange es dauert. "drei drücken", vorbereiten, DANN losfahren,

-DU bestimmst, wo du herfährst, wenn andere meinen dir Fahrwege vorgeben zu müssen oder sogar dich einweisen zu müssen, lass sie winken, deuten, fuchteln, DU bist der Maschinist und suchst dir deinen Weg aus,

-beherrsche dein Fahrzeug unter Normalfahrtbedingungen sicher, bevor du es mit Sondersignalen führst,

Das fahren mit Sondersignalen ist kein Hexenwerk, bedarf aber Übung und absoluter Aufmerksamkeit. Meine erste Alarmfahrt war der reine Stress für mich, inzwischen quatsche ich ganze entspannt über das Mittagessen mit dem Kollegen. Das haben "hunderttausende" Einsatzkräfte vor dir gelernt, das lernst du auch.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
DeDorfDepp 
Fragesteller
 01.04.2022, 22:10

Alles klar, ich kann große Autos fahren z.B. 40 Tonnen Gespanne in der Forst und Landwirtschaft mit Führerscheinklasse T. Danke für deine Tipps! Mein Wehrführer gibt mir morgen eine Einweisung in den MTW und den GW-L1 (3,5 Tonnen). CE kann ich ja leider erst mit 21 machen.

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iwaniwanowitsch  01.04.2022, 22:20
@DeDorfDepp

Das ist schon mal ein sehr gute Vorraussetzung, wenn du solche Gespanne und Einzelfahrzeuge beherrschst! Top, lass dich da ordentlich einweisen und guck's dir selber anschließend an und alles wird gut 👍☺️ No Problem!

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DeDorfDepp 
Fragesteller
 01.04.2022, 22:41
@iwaniwanowitsch

Ja, bin eben noch ein Kind (18 Jahre) 🤣... Etwas unbeholfen, manchmal... Aber mit dem AGT sieht es gut aus! 👍

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Von Experte iwaniwanowitsch bestätigt

Sagen wir so: Zu sagen, dass es nicht stressig wäre, wäre falsch.

Wie stressig eine Einsatzfahrt tatsächlich ist, das hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Erfahrung - mangelnde Erfahrung führt zu mehr Stress beispielsweise durch noch unkoordinierte Handgriffe, durch neue Situationen, durch falsche Einschätzung usw. Zunehmende Erfahrung rediziert den persönlichen Stress.
  • Einsatzart - es liegt in der Sache der Natur, dass das Einsatzstichwort "Brennt Schule, Kinder eingeschlossen" den Adrenalinspiegel deutlich höher fahren lässt als das Einsatzstichwort "Ölspur auf Straße". Das wirkt sich natürlich auch auf das Fahrverhalten aus... man möchte schneller zum Einsatzort und der Kopf läuft auf Hochtouren.
  • Verkehrslage und -teilnehmer - Stressig wird es häufig durch unübersichtliche oder schwierige Verkehrslagen (z.B. Stau, enge Baustellen usw.) sowie das (Fehl-)verhalten anderer Verkehrsteilnehmer. Oder auch durch eine schwierige Witterung wie Regen, Sturm, Glatteis usw., was dann vom Fahrer noch höhere Konzentration verlangt
  • Ständige Funksprüche in großer Lautstärke, Dauer-Martinhorn und das Stimmen-Wirrwarr der Mitfahrenden können den Stressfaktor ebenfalls mitbestimmen. Da hilft es ggfs. das Horn mal auszuschalten, den Lautsprecher leiser zu machen oder im Mannschaftsraum für Ruhe zu sorgen.
Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Stv. Wehrführer und Zugführer bei der Freiwilligen Feuerwehr
DeDorfDepp 
Fragesteller
 02.04.2022, 07:03

Alles klar, ich kenne das. Ein paar Einsätze habe ich schon hinter mir ca. 90-100 bin erst 18. Ja, der Wehrführer sagte ich soll mal den GW-L1 und den MTW fahren können, für unser HLF bräuchte ich ja CE. Das fahren an sich ist nicht so das Problem ich arbeite in der Land und Forstwirtschaft, das 18 Meter Gespann ist kein Problem... Ich weiß jetzt nicht, ob das helfen könnte, aber die Tatsache, das ich dies im Schlaf kann, weil ich in diesem Bereich Erfahrung habe, gibt mir irgendwie Sicherheit.. Ich bekomme dann heute von Gerätewartin und Wehrführer eine Einführung.

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Am Anfang sicherlich.

Wichtig ist, dass du das Fahrzeug in der Normalfahrt wirklich gut beherrschst. Dass du nicht ständig abwürgst, dass du die Dimensionen kennst, dass du im normalen Verkehr gut fahren kannst. Das erfordert etwas Übung. Sammle Fahrpraxis, auch mit dem MTF. Auch wenn es "nur" ein PKW ist, ist es doch größer als die üblichen Fahrschulautos. Sammle gerne ein paar Monate, besser Jahre Fahrerfahrung.

Die erste Sonderrechtsfahrt ist immer irgendwie besonders.

Mache dir bewusst, dass es in den wenigsten Einsätzen wirklich auf Sekunden ankommt. Und mache dir bewusst, dass der einsatztaktische Wert eines MTF begrenzt ist. Heißt also, dass du dir keinen Druck machen solltest, möglichst schnell anzukommen.

Wie schon geschrieben... Eine Einsatzfahrt kann sehr aufregend sein, vor Allem, wenn du dich durch dichten Verkehr, schlecht einsehbare Kreuzungen etc. bewegen musst. Oder - wie bei mir - ziemlich langweilig, weil es außer dem Tatütata keine Besonderheiten gibt aufgrund der Verkehrslage.

Bei einer meiner ersten Fahrten (zu einer Übung unter Nutzung von Sonderrechten) bin ich sehr rabiat gefahren. Haben mir zumindest meine Kameraden so gespiegelt. Seitdem fahre ich ruhiger, was den Mitfahrern ein besseres Gefühl gibt, mich entspannter macht, die Verkehrssicherheit erhöht und - wenn überhaupt - nur wenige Sekunden kostet.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
DeDorfDepp 
Fragesteller
 03.04.2022, 12:54

Mach ich, ja große Autos sind kein Problem, die 18 Metter Gespanne fahre ich mit Klasse T.

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Anstrengender als das normale Fahren ohne Sonder- und Wegerecht ist es allemal. Das Schwierige daran ist die besondere Aufmerksamkeit, die du dabei brauchst. Einfach so bei roter Ampel oder Stoppschild bzw. Vorfahrt gewähren ist nicht. Wenn es einen VU dabei gibt, wirst du in aller Regel zumindest eine Teilschuld bekommen.

Vergiss nicht, dass du Kameraden mit im Fahrzeug hast, für deren Sicherheit du als Fahrer mit verantwortlich bist.

Woher ich das weiß:Hobby – Feuerwehr seit 1992. Derzeit Wehrführer einer FF in RLP.
DeDorfDepp 
Fragesteller
 01.04.2022, 22:06

Ja, ich bekomme morgen vom Wehrführer eine Einführung. Natürlich kann man da nicht mit Sonderrechten fahren, aber üben und Bedienung.

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Naja, du musst halt bedenken, du hast rechts von dir jemanden, der die ganze Zeit plappert, über Lautsprecher brüllt dir die ganze Zeit jemand ins Ohr, hinter dir ists a net gerade ruhig und du musst dich auch noch konzentrieren.

Dann musst du noch für jeden außerhalb des Autos mitdenken, denn interessanterweise schaltet bei vielen Leuten das Hirn aus, sobald ein Fahrzeug mit Blaulicht auftaucht. Da kann es passieren, dass auf ner Bundesstraße einfach mal jemand vor dir stehenbleibt und du dann auf denjenigen und den Gegenverkehr aufpassen musst.

Innerorts hast du dann noch so Faktoren wie Kinder, Kreuzungen usw. an denen du immer damit rechnen musst, dass da was auf die Straße rennt oder bei grün trotzdem auf die Kreuzung fährt.

Natürlich musst du dann auch noch mitbekommen, wo's überhaupt genau hin geht und wo man sich hinstellen soll.

Am Anfang solltest du nicht gerade das erste Auto fahren, sondern eher mal das zweite oder dritte nehmen (weniger Zeitdruck) und dann lieber mal einen Tick langsamer machen und dafür sicher am Ziel ankommen.

Und wenn es hilfreich ist, kannst dem Gruppenführer sagen, er soll die Schaltung vom Horn übernehmen (man fährt ja nicht immer dauerhaft mit Horn, vor allem Nachts), damit du dich mehr auf die Straße konzentrieren kannst.

Und lass dich nicht hetzen, wenn irgendjemand ruft, du sollst doch schneller fahren. Immer dran denken, du bist für Sicherheit der Leute im Fahrzeug verantwortlich und du hast dafür zu sorgen, dass alle sicher zur Einsatzstelle und auch auf dem Rückweg wieder zum Gerätehaus kommen.