Ist es nicht eigentlich unmöglich Obdachlos in Deutschland zu werden?
Ich habe mich neulich mit einem Kollegen über Obdachlosigkeit in Deutschland unterhalten. Er meinte, dass es in unserem Sozialstaat eigentlich unmöglich sei, obdachlos zu werden. Man habe ja schließlich Bürgergeld, Wohngeld, Geld und Geld und andere Hilfen.kann mir das allerdings nicht so richtig vorstellen. Was ist denn, wenn man seinen Job verliert und keine neue Wohnung findet? Oder wenn man verschuldet ist und die Wohnung geräumt wird?
Kann mir jemand sagen, ob es in Deutschland wirklich so einfach ist, obdachlos zu werden?
17 Antworten
Tja, dieser Sozialstaat ist nicht einfach für alle.
Meistens ist die Bürokratie im Weg, die es erschwert an entsprechende Leistungen zu gelangen. Es gibt haufenweise Ausreden, welche die Ämter haben, um die Leistungen zu verweigern.
Wenn eine Behinderung vorliegt, wo sich der Arbeitgeber mehr um den Arbeitnehmer kümmern muss, wird der Arbeitnehmer meistens nicht genommen. Das ist immer noch verbreitet in vielen Unternehmen.
Das Bürgergeld nützt den meisten Bedürftigen nichts. Sie sparen deswegen sogar an Essen und Kleidung, um draufzahlen zu können, damit keine Sanktionen wegen Zahlungsverzug kommen.
Ist ein Zahlungsrückstand einmal erreicht, wird man bald vom Vermieter rausgeschmissen. Wird einem dann auch noch Sozialhilfe verweigert, kommt man in eine Lücke. Und diese Lücke führt zur Obdachlosigkeit. Ist man einmal obdachlos, ist man am Abgrund und kommt schwer dort wieder raus.
Das muss ich leider widerlegen. Ich habe auch schon viele Leistungen verweigert gekriegt vom Staat. Es ist die Bürokratie, die ständig im Weg ist.
Nein. Es lag an den anderen, die es bis heute verweigern, inklusionsbedürftige zu unterstützen.
Es liegt immer an den anderen. Das ist ja das Problem.
Behinderte sind sicher nicht die Mehrheit der Obdachlosen.
Das ist falsch. Nach meinen Erfahrungen ist es der Alkohol und die Drogen, die obdachlos machen.
Diese Gruppe möchte nirgends leben wo sie unter Kontrolle aind, Obdachlosenheim, Privatwohnung usw.
du kenst ein paar Menschen, es geht aber um Obdachlosigkeit im großen. Um hunderttausende! Nicht um deine Bekannten. Hörensagen, anekdotische Evidenz, das kann man nicht als Argument verallgemeinern!
Zu unterstellen, alle Suchtkranken lehnen jede Hilfe ab, ist schon absolut realitäts fern. Das Thema ist komplex. Und wer krank ist, braucht Hilfe, die er oft nicht bekommen kann als Obdachloser.
Es gibt jetzt 75 % weniger Sozialwohnungen als zu Beginn der 1990er Jahre! Deutschlands Bevölkerung hingegen wuchs seit dem um über 2 Millionen!
Psychisch kranke Menschen können oft ihren Allag nicht selbst regeln, sind besonders gefährdet.
Wenn die Wohnung wegen Eigenbedarf gekündigt wird, wird aufgrund des Wohnungs-Mangels allgemein und wegen des Mangels an Sozialwohnungen oft nichts neues Gefunden. Zeitverträge laufen aus.
Wer behauptet, Obdachlosigkeit sei selbst verschuldet, hat sich offenbar mit den Fakten nie befasst. Es gibt Ausnahmen, die Mehrheit aber ist Opfer der Umstände.
Es liegt immer an den anderen. Das ist ja das Problem.
Ein paar Sätze vorher sagst Du das Gegenteil.
Behinderte sind sicher nicht die Mehrheit der Obdachlosen.
Kranke Menschen machen einen großen Anteil aus! Suchtkranke, psychisch kranke!
Bitte informiere dich, anstatt nur ein paar Erfahrungen von Dir als Maßstab für für hundertausende zu nehmen.
Obdachlos wird man, wenn man seine Wohnung verliert. Der Vermieter kann sie einem kündigen, weil er anderes damit vorhat, weil man die erhöhten Mieten nicht mehr bezahlen kann, sie kann abbrennen - es gibt unendliche Möglichkeiten, warum.
Der Sozialstaat weist einem dann keine Wohnung zu. Man muss selbst eine finden. Der Staat ersetzt lediglich - gegebenenfalls - die Mietkosten.
Dafür gibt es eine Menge Einschränkungen. Die Höhe "angemessener" Mietkosten wird von den Gemeinden willkürlich begrenzt, es gibt lange Bearbeitungszeiten, lange Formulare und eine Menge Vermieter wollen nichts damit zu tun haben und ziehen lieber einen Beamten als Mieter vor.
Letztlich ist Tatsache, dass die Bevölkerungszahl dank Zuwanderung wächst, die Masse der Wohnungen aber tendentiell schrumpft. Es gibt einfach nicht genug Wohnungen für alle. Und wenn es nicht genug von etwas für alle gibt, bleiben welche übrig, die davon nichts abbekommen. So sind die Naturgesetze, siehe das beliebte Spiel "Reise nach Jerusalem".
Man kann sich diese unangenehmen Tatsachen wegleugnen, damit man keine Angst haben muss. Und dann solche Selbstberuhigungslegenden entwickeln wie Dein Bekannter.
Für solche Legenden braucht man keine Tatsachen. Aber es kann eine schöne Strategie sein, um sich die Welt beruhigender zu gestalten und ein leichteres Leben zu haben.
Ja, es ist einfach, aber es kommen immer mehrere (!) Faktoren zusammen. Und es beginnt nicht mit dem Verlust der Wohnung, es beginnt schon lange vorher.
Eine Krankheit, ein Unfall mit Folgeschäden oder eine Sucht einerseits, ein schwerer Schicksalsschlag (z.B. Scheidung, Tod eines Familienmitglieds), Arbeitslosigkeit, Schulden oder Wohnungsverlust auf der anderen Seite und die Unfähigkeit mit all dem umzugehen, sich professionelle Hilfe zu holen, ein fehlendes soziales Netz (z.B. keine Freunde), Depression, Angstzustände und vieles mehr, kann schnell dazu führen, dass man auf der Straße landet.
Normale, gesunde Menschen würden z.B. bei einer Wohnungskündigung sofort reagieren. Es gibt Mietervereine, die einen unterstützten, man würde sich parallel sofort auf die Suche nach einer neuen Wohnung machen, die Freunde fragen, ob man zeitweise irgendwo unterkommt usw.
Aber manche können das nicht. Vielleicht haben sie durch einen Schicksalsschlag oder durch eine Sucht ihre Familie verloren, stecken noch in ihrem Trauma (PTBS) und ignorieren Schreiben vom Vermieter, vom Amt usw. Ihre Freunde haben sich schon lange entfernt oder man ist zu stolz sie zu fragen (man will den Anschein wahren, es sei alles in Ordnung) - und "plötzlich" steht der Gerichtsvollzieher vor der Tür und vollzieht eine Zwangsräumung.
Ohne Wohnung wird es schwer seiner Arbeit richtig nachzukommen (mangelnder Schlaf und Hygiene) und damit beginnt die Spirale: ohne Arbeit keine Wohnung und keine Wohnung ohne Arbeit.
Und nach relativ kurzer Zeit genießt man diese Freiheit. Keine Arbeit, keine Verpflichtungen usw. Bei unserer Arbeit versuchen wir auch Obdachlosen zu helfen - das hat noch nie funktioniert, weil sie diese Freiheit mehr lieben, als die schlechten Seiten ihres Lebens.
Das geht ganz einfach, wenn man zum Beispiel es aus verschiedenen Gründen nicht schafft, die entsprechenden Hilfen zu beantragen. Psychische Probleme können Auslöser dafür sein. Freunde haben mal jemanden in einer verlassenen Gartenlaube entdeckt. Die Person wäre dort vermutlich gestorben, weil sie keine Möglichkeit sah, etwas an ihrem Zustand zu ändern.
Das kann ich betätigen. Ich hatte meine Arbeit verloren und bin dadurch in eine depressive Phase gekommen. Dadurch bin ich extrem antriebslos geworden und habe es zwar gerade noch geschafft, Bürgergeld zu beantragen, aber nicht die dafür erforderlichen Unterlagen beigebracht. Dadurch hat sich das über eineinhalb Jahre verzögert. Ich hatte noch Ersparnisse, aber die waren nach einem halben Jahr verbraucht.
Wenn mir nicht mein bester Freund ein Darlehen von insgesamt 10.000 Euro gegeben hätte, hätte ich meine Wohnung verloren. Es gibt zwar die »Fachstelle zur Vermeidung von Obdachlosigkeit«, aber ich hätte es wahrscheinlich nicht einmal geschafft, mich darum zu kümmern. Ohne meinen Freund würde ich jetzt auf der Straße sitzen.
Das kann schneller gehen, als die meisten Menschen sich das vorstellen können.
Auch wenn man Bürgergeld usw. beantragen kann, hat man noch lange keine Wohnung.
Außerdem sind die meisten Wohnungen für Bürgergeldempfänger zu teuer und viele Vermieter möchten solche Mieter auch gar nicht.
Bürgergeldempfänger haben aber den Vorteil, dass die Miete regelmäßig vom Jobcenter gezahlt wird. Da haben die meisten Vermieter einfach nur idiotische Vorurteile gegen eine Minderheit. Die wollen dann sicher auch keine Migranten oder Farbigen.
Das ist falsch. Nach meinen Erfahrungen ist es der Alkohol und die Drogen, die obdachlos machen.
Diese Gruppe möchte nirgends leben wo sie unter Kontrolle aind, Obdachlosenheim, Privatwohnung usw.
Sie sind auch nicht im Stande oder gewillt sich Sozialleistungen zu beschaffen.
Hilfe gibt es, von vielen Organisationen.