Ist es denn so schlimm, in einem konservativen Umfeld aufzuwachsen?

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Ich bin selber in einer ehr katholisch-geprägten Gegend großgeworden. Genauer gesagt im schönen Münsterland. Einerseits die Kiddies in der Stadt und der Rest außerhalb verstreut. Meine Eltern waren so mit die ersten die sich getrennt haben und später scheiden ließen. Da wurden dann viel getratscht und manche sich in Dinge eingemischt haben, die eigentlich nichts damit zutun hatten. Hinzu kam auch noch, das meine Mutter damals aus dem Rheinland hierherkam.

Bei uns gibt es viel mit Landjugend, Schützenvereine und das ganz Brimborium drumherum. In den letzten ~10-15 Jahren hat sich hier viel verändert. Ob zum Positiven oder Negativen? Sowohl als auch wobei das Negative zum Teil überwiegt. Schlimmer wurde es eigentlich erst, nach dem die Flüchtlingsunterkunft eingerichtet wurde. Seit dem gibt es eigentlich am laufenden Band Kloppereien und bereits selber mehrmals die Polizei gerufen habe.

Ein Schulfreund von mir wurde abgestochen, der Schwanger eines ehemaligen Arbeitskollegen ebenso, eine Rentnerin wurde vergewaltigt und selber auch schon angegriffen wurde. Mehrere geprellte Rippen und blauen Flecken. Die Tritte auf meinen Kopf konnte ich zum Glück abwehren. Das alles in meiner Stadt, wo ich lange dachte dass hier die Welt noch in Ordnung sei. Pustekuchen! Wenn ich dann von deiner Ecke höre, dich doch etwas drum beneide.

Was jetzt politische Korrektheit und dieses Gender-Gaga-Gedöns angeht, wird es bei uns hauptsächlich seitens des Stadt Marketings und der Stadtverwaltung (Ämter etc.) vorgelebt. Ich selber nehme mir davon nichts an dafür nichts übrig habe. Laut Polinavi wäre ich politisch in der Mitte mit leichter Verschiebung nach links. Ich selber sehe mich aber eher zwischen liberal-konservativ und rechts-konservativ und in manchen Dingen "rechts" überwiegend. Aber immer noch weit entfernt von irgendwelchen Extremen.

Mein Freundeskreis besteht eigentlich nur aus deutschen Kindern aus den umliegenden Dörfern. In meinem engen Freundeskreis sind ausschließlich christliche, deutsche, hetereosexuelle Jungs, die auch regelmäßig zum Gottesdienst gehen.

Das gibt es noch? Ne, ne - hier bei mir läuft es anders. Auch in punkto Einwohner und Nationaltäten hier vieles vertreten ist. Als ich damals in der Schule war, gab es noch genügend Deutsche. Nagel mich nicht darauf fest, aber dürfte anteilig etwa 60-40% gewesen sein. Also 60% Kinder und der Rest mit Migrationshintergrund. Hauptsächlich Russen und Polen, einige Türken und Kurden. Es war lange alles gut und wunderbar und damals eigentlich nie Probleme hatte.

Hier bei mir gibt es im Grunde von allem etwas. Einmal die älteren Generationen, Bauern usw. und dann die Jüngeren. So konservativ wie bei dir ist es hier jedenfalls nicht. Ich hätte allerdings kein Problem damit wenn es mehr wäre. Andererseits hier das "sowohl-als-auch" immer geschätzt habe. Ich kenne halt beide Seiten, da ich selber meine Kindheit außerhalb verbracht habe und erst in meiner Jugendzeit mehr in und mit der Stadt zutun hatte.

Ich stehe nämlich voll und ganz auf der Seite meiner Oma, dabei waren nach modernem politisch korrektem Verständnis, die Heimatvertriebenen selbst an ihrem Schicksal schuld. Ich sehe das anders.

Kurz und knapp: Daumen hoch! 🙂👍

PS: Sorry wenn ich vielleicht hier und da etwas vom Thema abgekommen bin. Ich schreibe halt vieles frei von der Leber weg und gerne mal etwas abschweife. Dafür ist es ehrlich und direkt und lieber so stehen lasse und schaue was mir an Kritik um die Ohren gehauen wird. 😅

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Plato: Das Denken ist das Selbstgespräch der Seele.
musicforfun  12.07.2020, 06:26
Sorry wenn ich vielleicht hier und da etwas vom Thema abgekommen bin

Allerdings.

Das gibt es noch? Ne, ne - hier bei mir läuft es anders. Auch in punkto Einwohner und Nationaltäten hier vieles vertreten ist. Als ich damals in der Schule war, gab es noch genügend Deutsche. Nagel mich nicht darauf fest, aber dürfte anteilig etwa 60-40% gewesen sein. Also 60% Kinder und der Rest mit Migrationshintergrund. Hauptsächlich Russen und Polen, einige Türken und Kurden. Es war lange alles gut und wunderbar und damals eigentlich nie Probleme hatte.

Ziemlich rechtslastig, im Grunde lese ich das schon rechtsextreme Tendenzen.

Ausländer? Böse, klingt es. Das ist Hetze für mich.

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medmonk  12.07.2020, 06:48
@musicforfun
Ziemlich rechtslastig, im Grunde lese ich das schon rechtsextreme Tendenzen.

Rechtslastig oder rechtsextrem nur weil ich den damaligen Migrantenanteil genannt habe? Ernsthaft? 🤣🤦‍♂️ Mit einigen bin ich seit ~20 Jahren befreundet.

Ausländer? Böse, klingt es. Das ist Hetze für mich.

In dem ganzen Zitat steht nicht einmal das Wort Ausländer und nur von Migrationshintergrund die Rede war. Dahinter folgt lediglich wie die 40% aufzuteilen sind. Bitte gründlicher lesen und nichts dazu dichten!

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musicforfun  12.07.2020, 11:02
@medmonk
Es war lange alles gut und wunderbar und damals eigentlich nie Probleme hatte.
Das alles in meiner Stadt, wo ich lange dachte dass hier die Welt noch in Ordnung sei. Pustekuchen!
~10-15 Jahren hat sich hier viel verändert. Ob zum Positiven oder Negativen? Sowohl als auch wobei das Negative zum Teil überwiegt. Schlimmer wurde es eigentlich erst, nach dem die Flüchtlingsunterkunft eingerichtet wurde. Seit dem gibt es eigentlich am laufenden Band Kloppereien und bereits selber mehrmals die Polizei gerufen habe.

Ja, das lese ich als negativ, abwärts geht es, wenn die Geflüchteten kommen.

So wie Du es formulierst: Je mehr Ausländeranteil, Aussiedler, um so mehr gehts abwärts.

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medmonk  13.07.2020, 10:26
@musicforfun
So wie Du es formulierst: Je mehr Ausländeranteil, Aussiedler, um so mehr gehts abwärts.

Du hast allen Anschein nach wirklich ein Problem mit dem Lesen und folglich Dinge hineininterpretierst, die so nicht gesagt wurden. Es ist nun mal ein Fakt, das es durch die Flüchtlingsunterkunft schlimmer wurde. Daran kann ich auch nichts ändern und nicht dafür verantwortlich bin, wenn sich andere so aufführen.

Wenn deine Stadt wegen Schusswaffengebrauch abgeriegelt wird, Einbrüche, Ladendiebställe und Sachbeschädigungen mehr werden, eine Rednerin von einem Flüchtling vergewaltigt wird, Freunde oder Bekannte nicht mehr Leben, weil sie von Flüchtlingen abgestochen wurden, Flüchtlinge mit Holzknüppeln und Flaschen aufeinander einschlagen und man selbst bereits wiederholt Angegriffen wurde, kann man die Entwicklung nun mal nicht positiv beurteilen.

Ich bin selber mit Migranten und Flüchtlingen aufgewachsen, mit einigen bin ich wie gesagt seit ~20 Jahren befreundet und es gerade sie sind, die sich am meisten Sorgen machen. Davon mal ab, sprach ich von der Unterkunft und nicht von den Flüchtlingen selbst. Es ist nun mal so, wie ich es geschrieben habe. Wenn Du alles schönreden willst, mach es. Damit lügst Du dir nur selber in die Tasche.

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Schlecht ist es nicht und ich kenne einige, die damit glücklich sind und das idyllisch und beruhigend finden - aber für mich ist dieses "Dorfleben" nichts, es ist mir viel zu eng und, ja, einfach zu "konservativ", oft geht es auch mit Intoleranz gegenüber allem einher, das man nicht kennt - alles außerhalb des bekannten Kreises ist schlecht, minderwertig oder zumindest mal ein Buch mit sieben Siegeln.

Ich würde sagen: Dein Umfeld ist typisch für die "German Midlands" außerhalb der Städte, wo man oft nur im bekannten Umfeld unterwegs ist und nicht viel von der Welt außenrum mitkriegt, das als durchaus sehr beruhigend empfindet und zufrieden ist mit dem, was man hat. Ich bin kein Fan davon, aber ich akzeptiere das - weil es mir in meinem Umfeld auch gut geht und das vielleicht jemand vom Dorf nicht nachvollziehen kann, wie man in einer dicht bebauten Siedlung klarkommt, wo man die Nachbarn nur bedingt kennt und Vereinsleben eigentlich nicht stattfindet.

Kritik daran erinnert mich an den ungarischen Essayisten László F. Földényi, der den Deutschen mal irgendwann den bezeichnenden Charakterzug attestierte, möglichst "undeutsch" sein zu wollen - und ist fehl am Platze: Zugegeben, ich mag das Dorfmilieu überhaupt nicht und habe da sehr negative (und nur negative) Erfahrungen gemacht, aber andererseits ist es für manche Leute trotzdem das passende Milieu und für das muss man respektieren so wie ich erwarte, dass man meine Meinung zumindest respektiert und so stehen lässt.

Ich komme aber auch nicht aus dem Dorf, kann mit Landjugend, Feuerwehr, Junger Union und Schützenverein nix anfangen, weswegen ich vielleicht die Landleute nicht so richtig verstehe und für sie oft als arrogant gelte, vielleicht weil ich László F. Földényi und Marcel Reich-Ranicki kenne und weiß, wer István Erdélyi war und Hildegard Knef gut finde und Mercedes fahre und so weiter, ich weiß es nicht. Habe einige Jaher lang lang Firmenkunden betreut, da gab es in meinem ursprünglichen Gebiet auch Maschinenringe, winzige Volks- und Raiffeisenbanken, kleine Gemeinden und Landwirtschaft. Ich bin für diese Leute der Herr mit dem Anzug gewesen, der mit dem Mercedes, mit diesem Aktenkoffer; der redet wenig und lacht nicht über jeden plumpen Witz, geht ohne langes Gespräch in die Wohnung ... ja, aber das darf einen nicht stören. Wenn man sich an so etwas ernsthaft stört und das zeigt, freuen die sich nur noch und sehen sich bestätigt. Die, die mich für arrogant halten, stammen in der Regel aus einem sehr christlichen/katholischen, vielleicht bigotten, teilweise landwirtschaftlich geprägten Milieu und haben offenbar Wertevorstellungen, die an der eigenen Grundstücksgrenze enden ... wer anders ist, ist nix.

Solange man dort in die Kirche und in die ganzen Vereine geht, schön überall mitmacht, gesellig ist, gern einen hebt, dumme Sprüche loslässt und mit den Leuten klarkommt bzw. aus einer alteingesessenen Familie stammt oder zumindest den Alteingesessenen bedingungslos nach dem Mund redet, wird man auf dem Dorf keine Probleme haben. Wenn aber schon einer dieser Grundsätze nicht mehr erfüllt ist, war's das und man ist da nur noch der Außenseiter, Loser, Blödmann der Nation und was auch noch alles. Erst recht schlimm ist es, wenn man nicht vom Dorf kommt, aus einem "verfeindeten" Dorf einheiratet oder mit jemandem von dort "geht" oder aus der Stadt kommt oder studiert ist oder Kaufmann usw.!

In einem anderen Dorf lebte ein Heimatvertriebener, irgendwo aus Sudetendeutschland, weiß es nicht mehr. Der war da wirklich seit 1946 irgendwann und ist so Ende der 90er gestorben. Es hieß im Ort auf die Frage, wer gestorben sei lediglich "ach, der Zugezogene". Da war jemand 50 Jahre da und "der Zugezogene". Ich denke, das sagt vieles aus.

Ich bin kein Dorfkind und möchte auch keines sein. Denn auf dem Dorf/Land lernt man erst richtig, wie geflucht und gepöbelt wird, wie Vetterleswirtschaft und Kungelei und schmutzigste Tricks, auch in Deutschland Bestechung und Korruption funktionieren, wie auf infamste Weise gelogen wird und wie man diverse Dinge zu seinen eigenen Gunsten oder den Gunsten des Clans verdreht, um einer anderen Person Schaden zuzufügen und sich gleichsam als naive, freundliche, doch nur alles gut meinende und christliche "Unschuld vom Lande" und "Dorfkind" zu inszenieren.

Noch ein paar Gedanken zur Schulzeit - wir hatten eine blöde Klasse, das sagte ich schon damals - dann waren da trotz aller Probleme nicht die russlanddeutschen Kinder oder türkische Kinder die respektlosen Aufreger, sondern entweder besoffene Bauernkinder, die schon mit 13/14 Rabatz machen oder die Sprösslinge "stolzer" Familien aus der noblen Siedlung am Buckel, die wirklich respektlos, frech und arrogant waren, bei Lehrern und Mitschülern gleichermaßen aneckten, sogar Vertretungslehrer zur Weißglut brachten ... Kinder, deren Eltern erfolglos für den Gemeinderat kandidierten "weil man ja wer ist", sich auf einen Büroposten bei den Stadtwerken was einbildeten obwohl jeder Industriekaufmann in WÜ oder FFM zu dem Zeitpunkt besser verdiente und jedes Jahr zwei Skiurlaube buchten - man war ja jemand. Die nahmen sich auch dann all diese "Rechte" raus; da waren die Eltern schon respektlos, die Kinder waren es auch. Es kommt auf die Erziehung an und die kann überall schlecht sein oder in eine falsche Richtung gehen. Kommen dann noch Un-Werte wie ein überzogenes Selbstbewusstsein und eventuell Arroganz hinzu, gibt eines das Andere.

Bei uns waren die "Landkinder"/Dorfkinder und der Nachwuchs jener "guten" Traditionsfamilien die ultimativen Störenfriede, Mobber und Klospanner (der flog in der Achten gar von der Schule und kam knapp der Anzeige davon, weil er erst wenige Wochen später 14 geworden wär' ... so viel zum Thema "heiliger Michi" des Sportlehrers der fünften Klasse) - nicht aber die stets belächelten mit Fruit-Of-The-Loom-Einheitslook daherkommenden Ausländer, die von ihren Eltern meist sehr gut "gezogen" wurden. Man hätte damals nicht erwartet, dass ein deutscher Junge seinem Vater beim Autowaschen hilft oder den Müll rausträgt - wir Osteuropäer (ich bin Deutsch-Jugoslawe) haben das von uns aus gemacht, weil wir wussten, dass es erwartet wird.

Auf der Berufsschule ging das weiter - die Gleichaltrigen aus den Dörfern kamen auf Partys wie selbstverständlich mit starken Sachen wie Bommerlunder, Berentzen, Doornkaat aus Kornsaat, Klarem, Tequila, Goldbrand und Co. an: Zeugs, das von uns Kiddies aus der Platte damals kaum jemand gekannt hat und wenn doch, dann nur vom Hörensagen oder aus dem Regal. Wir waren keine Langweiler, aber bei uns hat's mit Bier, Radler und Wein oder Schnaps von Schlecker dicke aufgehört.

Wenn wir Marshmellows mit Kirschsaft oder irgendwelche lustigen Cremes zum Abschmecken eigener Rezept-Kreationen benutzten, die wir aus dem Shop der Amikaserne bekommen haben, oder einen Kasten Oettinger, Distel, Würzburger Hofbräu usw., dann hatten die Dorfkinder irgendwas Hochprozentiges, das es eigentlich erst ab 18 gegeben hätte oder waren sogar schon voll, bevor um 19/20 Uhr die Party losging, oder schliefen sich in irgendeiner Scheune ihren Rausch aus, weil sie Erdbeerwein und sonst was intus hatten. Es gab unter den Dorfkindern einen, dem vor so einer Party bereits der Magen ausgepumpt werden musste und ich weiß von zweien, die mit 15 eine fette Alkoholvergiftung hatten - und ein Mädchen war stolz drauf, dass sie mit 16 von der Polizei besoffen in der Kreisstadt aufgegabelt und mit Tatütata heimgefahren worden ist, einsam in der Samstagnacht, bis sie den Polizeiwagen vollbrach.

Aber andererseits: Auf den Dörfern endet's bei Schützenfest und Feuerwehrball und wer nicht dabei ist, gehört nicht dazu. Kenne das wie gesagt von meiner früheren Freundin, die ausgegrenzt wurde, weil sie nach einem komplizierten Beinbruch nicht mehr Gardetanzen konnte! Etwas so Respektloses hätte ich in meinem eher (vor-)städtischen Umfeld im Leben nicht erlebt, weil es da niemanden interessiert, wer sich den Fuß bricht und die Leute kein Interesse an Faschingssitzungen oder irgendwelchen Gardemädels hatten.

Letztlich muss man sagen: Wer das passende Ambiente hat, der kommt auf andere Gedanken und hat einen Umgang, der ihn vom Saufen abhält und auch vom respektlosen Verhalten. Und dieses "Ambiente" fehlt in jwd gelegenen Dörfern, wo nur an Werktagen der Schulbus verkehrt und wer kein Auto hat auf der Strecke bleibt, gänzlich.

Das darf man noch nicht mal persönlich nehmen, ich nahm es ihnen auch nicht krumm - die setzen nur um, was sie tradiert bekamen und können nichts dafür. So wie ich auch als der Jugoslawe nix dafür kann, dass ich so bin, wie ich bin.

Aber das Wort "konservativ" ... puh, das kann man bei uns weit dehnen: Ich wuchs in einer typisch jugoslawischen Großfamilie mit lockeren Bindungen und dem Extra-Schuss Gemütlichkeit und Lebensfreude auf, teilweise spielte auch typisch osteuropäische Schwermütigkeit zur rechten Zeit eine Rolle (so sind wir halt), wir eckten oft an und tun das heute noch, weil wir einfach anders sind. Aber jeder ist doch anders, wenn er irgendwo hinkommt, wo er nicht herstammt. Von daher, alles halb so schlimm.

Meine Umgebung ist total unzeitgemäß, sexistisch und politisch unkorrekt. Aber irgendwie gefällt mir das. Und das ist dann der Punkt an dem ich immer scheiter. Ich verstehe, warum Leute gegen dieses Weltbild ankämpfen, fühle mich aber gleichzeitig darin geborgen und zu Hause.

Dann ist das doch so in Ordnung. Mein Umfeld ist sicher auch nicht optimal und gilt auf viele schrullig und merkwürdig und osteuropäisch und sehr auf Autos, Musik und Lebensfreude und dumme Sprüche usw. bezogen und auf sonst irgendeinen Nonsens, aber ich komme damit klar. Und das ist die Hauptsache: Nur wer sich selbst mag, den kann das Leben mögen und wenn du dich und dein Ambiente magst, passt doch alles. Mach' weiter so!

Merke dir eines: Du bist wie du bist und die anderen sind, wie sie sind. Können sie andersdenkende, die einen anderen Lebensstil als den eigenen haben, und damit z.B. dich einfach nicht tolerieren, bist nicht du das Problem und haben sie ein Problem mit sich selbst und können etwa wegen Intoleranz, einem engstirnigen Weltbild oder nicht vorhandenem Realitätssinn fast schon bedauert werden.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Hessen001 
Fragesteller
 12.07.2020, 22:51

Aber eins muss ich ergänzen: Wir wohnen nicht in einem Dorf.

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Die Leute kämpfen gegen dieses Weltbild, weil es eben nicht allen so gut geht wie dir. Dir gehts natürlich gut, also willst du, dass alles so bleibt wie es ist. Mach was du willst und was dir gefällt, aber versuche auch mal andere Seiten zu beleuchten und zu sehen. Am Ende gewinnt die Mehrheit und die Vernunft.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
IchstehleGeld  12.07.2020, 01:50

und wie genau muss es sich ändern?

darf er nicht mehr in die kirche gehen?

was genau muss sich ändern? was muss er anders machen und wie verbessert es das leben welcher menschen?

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LukasvondorLade  12.07.2020, 01:52
@IchstehleGeld

Hast du gelesen was ich geschrieben habe?? Ich habe geschrieben, er kann machen was er will. Denn entweder ist er selbst von etwas überzeugt oder nicht.

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nach modernem politisch korrektem Verständnis, die Heimatvertriebenen selbst an ihrem Schicksal schuld. Ich sehe das anders.

Das müsste man schon differenzieren.

Die Vertriebenen aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien und Ostbrandenburg konnten da (natürlich nicht, diejenigen, die damals noch Kinder waren) durchaus etwas für ihren Schlamassel, immerhin inst in diesem Gegenden überproportional stark NSDAP gewählt worden. Auch da konnte nicht jeder etwas dafür aber jeder 2. sehr wohl, evidenter Weise, bei stellenweise deutlich über 40% für die NSDAP

https://de.wikipedia.org/wiki/Reichstagswahlen_in_Deutschland#/media/Datei:German_parliamentary_elections_weimar.png

Das irgendwer behauptete, dass Vertriebene aus Gebieten die vor 1933 nicht zum Deutschen Reich gehörten etwas dafür könnten habe ich so noch von niemandem gehört.

Obwohl man es für das Sudetenland sicher bei Teilen der Bevölkerung konstatieren könnte, da sich die Sudetendeutsche Partei unter Konrad Henlein sehr bereitwillig für die Außenpolitik Hitlers einspannen ließ und bei der Zerschlagung der CSR ihre Rolle spielte:

https://de.wikipedia.org/wiki/Konrad_Henlein

https://de.wikipedia.org/wiki/Sudetendeutsche_Partei

Einen Generalverdacht rechtfertigt das nicht, mir ist aber wie gesgt auch keiner bekannt. Sage ich als Wähler der Linkspartei und Nachkomme von Vertriebenen/Flüchtlingen aus Westpreußen/Posen.

Den Rest des Anwurfs kann ich auch nicht nachvollziehen? Seit wann wird irgendem vorgeschrieben, wen er in seinem Freundeskreis haben sollte, wo er sich wohlfühlen soll, was er glauben oder nicht glauben oder mit wem er zusammen sein soll?

Das ist doch nun wirklich Humbug, der in der Realität nicht existiert, sage ich dir hier als dem traditionell roten Ruhrgebiet, mit seiner Einwanderungsgesellschaft.

Kann ja jeder leben, wo und wie er möchte, so lange er dabei anderen nicht in ihr Leben hineinreden will.

Ewiges hineinreden wollen, kenne ich nur aus dem eher konservativen Umfeld, in dem ich (zu meinem Leidwesen) meine Jugend verleben musste. Die modernere Städtische Gesellschaft bietet zum in Teilen etwas zurückgebliebenen Dorf (ich möchte nicht wissen, wie viele Generationen Inzest das in meinem Heimatort sind, bei der Bevölkerungszahl, zum Glück für mich waren Vater und Großvater mütterlicherseits zugezogen), nicht irgendein Gegendogma, sondern die Möglichkeit sich aus diesen Strukturen auszuklinken und sein eigenes, unkonventionelles Ding zu machen.

Das kann man mögen oder auch nicht, kann ja jeder, dem das zusagt, auf dem Land bleiben.

Allerdings scheint man es dort in Teilen bereits als Sakrileg zu empfinden, dass daneben auch andere Lebensmodelle existieren.

Du magst die Geborgenheit, die Sicherheit, die Stabilität. Das Kaffeetrinken bei deiner Oma ist ein wundervolles Ritual. Dass deine Mutter zu Hause bleibt und sich um euch kümmert, war und ist sicherlich auch mit allerlei Annehmlichkeiten für dich verbunden. Und offensichtlich fühlst du dich in deinem Dorf verwurzelt und zu Hause. Das ist alles doch gar kein Problem! Und du hast jedes Recht, dieses Leben als dein persönliches Ideal zu betrachten und alles daran zu setzen, dass du dieses Leben in Zukunft genau so fortsetzen kannst. Genau so, wie es völlig okay ist, dass diese eine Freundin anscheinend gern kocht und euch gern zum Essen einläd (ich hoffe, ihr zeigt euch dafür auch mal erkenntlich bzw. tut im Gegenzug auch mal was für sie?).

Problematisch wird es an dem Punkt, wo Menschen Wahlmöglichkeiten genommen werden. Und wo man Ansichten vertritt, die genau das tun. Das sind dann die "-ismen". Und genau die gefährden dann auch Menschen, ihre körperliche Unversehrtheit oder sogar ihr Leben.

Stell dir zum Beispiel mal vor, was wäre, wenn dein Vater deine Mutter schlagen würde. Wäre dann ihr Dasein als wirtschaftlich von ihm abhängige Hausfrau, die sich weiter dieser Gewalt aussetzen muss, ein Ideal, was du gut finden würdest? Oder findest du es da nicht vielleicht doch besser, wenn auch Frauen die Chance haben, einen Beruf zu erlernen, zu arbeiten und somit wirtschaftlich unabhängig zu bleiben?

Und hast du dich schon mal gefragt, warum genau du und deine Kumpels irgendwie besser sein und mehr Rechte haben sollten, nur weil ihr zufällig in eurem Dorf mit weißer Haut zur Welt gekommen seid? Erkennst du in so einem Konstrukt irgendeine Form von Logik ;)?

Konservative Werte an sich sind meiner Ansicht anch durchaus nachvollziehbar. Aber gerade, wenn man konservative Werte vertritt, sollte man ganz klare Grenzen ziehen, damit daraus eben keine Werte werden, die andere Menschen abwerten, ausschließen oder erniedrigen. Also prüfe wirklich mal ganz genau, wo bei dir die "-ismen" beginnen und ob du die nicht lieber rauskürzt.

Ach, und übrigens: es ist klar, dass du deiner Oma, die wahrscheinlich damals eh noch ein Kind war, keine persönliche Schuld an ihrem Vertriebenen-Schicksal geben willst. Aber beschäftige dich doch mal mit der weiteren Familiengeschichte. Was waren deine Urgroßeltern für Menschen? Was haben die in der Nazi-Zeit getan? Leider waren nur die allerwenigsten Vorfahren von uns Widerstandskämpfer. Die meisten waren zumindest schweigende und dabei zumindest in bestimmten Punkten auch zustimmende Masse. Und diejenigen, die damals eben keine Kinder mehr waren, nun, die haben ein Regime mitgetragen, was einen Weltkrieg angezettelt und einen Völkermord an sechs Millionen Menschen begangen hat. Und dass diese dann in einigen Gebieten vertrieben wurden, nun, sind die da echt usnchuldig dran?