Ist der Ausstieg aus der Kernkraft eine gute Sache?

Das Ergebnis basiert auf 83 Abstimmungen

Ja, weil: 52%
Nein, weil: 48%

27 Antworten

Ja, weil:

Inhärent zu gefährlich. Eine Schnellabschaltung wassermoderierter Reaktoren ist kein Problem, das Problem beginnt erst mit der Nachzerfallswärme und ihrer Abführung. Eine Technik, die aktive Systeme zur Verhinderung von Katastrophen braucht, ist unbeherrschbar, weil die Wahrscheinlichkeit für den gemeinsamen Ausfall aller Systeme nie genau null sein kann. Wenn aber der Eintretensfall inakzeptabel ist, wie bei der Evakuierung von Millionen Menschen, dann ist bei o.g. Wahrscheinlichkeit größer null die ganze Technik inakzeptabel, auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist. Die Höhe der Wahrscheinlichkeit ist in den Anfangsjahren der Kernkraft theoretisch berechnet (um nicht zu sagen schöngerechnet) worden, die gemessene Wahrscheinlichkeit hat zwei Fälle innerhalb von 30 Jahren gebracht und ist deutlich höher.

mein Hintergrund: ich habe in den 1980ern für Kernkraftwerke Datenbankprojekte und andere Programmierarbeiten (u.a. Reaktorschutzprüfung) gemacht und bin oft in Biblis und mehrmals in Gundremmingen* gewesen, weiß also wie die Dinger funktionieren. Ich habe mein Leben lang in mein Eigenheim investiert und keine Lust, es wegen eines dämlichen Defektes in Windrichtung verlassen zu müssen.

*) Das ist alles in einem Deutschland gebaut worden, in dem Züge noch pünktlich kamen, und in dem Bahnhöfe und Flughäfen in vernünftigen Bauzeiten fertig wurden. All das ist nicht mehr so - dem Deutschland von heute traue ich solche Bauprojekte nicht mehr zu, selbst wenn ich dafür wäre.

Ja, weil:

Atomkraft ist teuerer als der Strom aus erneuerbaren Energien.

Hätte man die AKW`s noch laufen lassen sollen bis man mehr EE aufgebaut hat ?

Vielleicht.

Aber dann hätte man die verlängerten Laufzeiten (ich glaube damals 2030) nicht zurücknehmen dürfen.

Das der Ukraine Konflikt uns das billige Russische Gas kostet das die AKW`s ersetzt hätte konnte niemand wissen.

Das Kaufen von Strom aus dem Ausland ist billiger als die die alten AKW`s wieder auf den neuesten Stand zu bringen und ein Neubau ist sowiso komplett irrelevant.

Zum aktuellen Zeitpunkt bezogen auf Umwelt-, Klima wie auch Gesundheitskriterien nicht wirklich. Bezogen auf die "Wirtschaftlichkeit"" sieht es wiederum sicherlich anders aus. Kernkraft ist eine Hochrisikotechnologie. Das bedeutet, dass Atomkraft ein erhöhtes Risiko für Umwelt, Gesellschaft und Gesundheit darstellt, insbesondere im Falle von Unfällen oder Störungen. Ein Staudamm (Wasserkraftwerk) ist beispielsweise auch eine Hochrisikotechnologie, da er diverse Sicherheit- und Umweltrisiken birgt. Siehe z.B. Dammbruch (Banqiao, China) welcher bis zu 250'000 Tote gefordert hat. Eine Hochrisikotechnologie bedeutet jedoch nicht, dass eine solche Technologie durch den kleinsten Fehler gleich in die Luft fliegt, ansonsten hätten wir hier eine deutlich schlechtere Bilanz:

Bild zum Beitrag

What are the safest and cleanest sources of energy? - Our World in Data

Die Grafik von "OurWorldinData", nebenbei eine äußerst zuverlässige Quelle, berücksichtigen bei den Angaben zu CO2-Emissionen auch Faktoren wie Abbau, Transport und Wartung. Zudem basiert sie unteranderem auch auf Informationen des IPCC (AR5). Die Daten bezogen auf die "Todesrate" bezieht natürlich auch die Tode durch Katastrophen wie Tschernobyl und Fukushima mit ein. Anhand der Grafik mit guten Gewisse behaupten, dass Kernkraft im empirischen Sinne, sehr sicher ist und eine sehr gute umweltfreundliche Energiequelle darstellen würde.

Der IPCC selbst (welcher wie du weisst als Goldstandard bezeichnet wird) sagt, dass Kernkraft gerade in Ländern mit hohem Kohlestromanteil sehr nützlich für die Ersetzung von fossilen Brennstoffen sein kann. Der IPCC betont natürlich aber auch, dass Kernkraft eine besondere Herausforderungen in Bezug auf Sicherheit, Entsorgung radioaktiver Abfälle, Proliferation und finanzielle Kosten mit sich bringt. Das Problem ist, wir haben Weltweit einen Energieanteil von 60% fossilen Energiequellen:

Bild zum Beitrag

Energy Data Explorer - Our World in Data

Diese Map veranschaulicht sehr gut, dass in einem sehr grossen Teil der Staaten zwischen 60% - 100% fossile Energiequellen verwendet werden. Anhand Abb.1 können wir eine ziemlich solide Aussagen treffen. Fossile Energiequellen sind deutlich umweltschädlicher und gefährlicher als Kernkraft. Selbst wenn man ein noch so starker Kernkraftgegner ist, empirische Daten lassen sich nicht leugnen. Eine Studie der NASA hat z.B. festgestellt, dass Kernenergie von 1971 bis 2009 rund zwei Millionen Menschen gerettet und 64 Gigatonne CO2-Äquivalent verhindert hat, aufgrund der Ersetzung von fossilen Energiequellen wie Kohle.

Quote: “    Using historical production data, we calculate that global nuclear power has prevented an average of 1.84 million air pollution-related deaths and 64 gigatonnes of CO2-equivalent (GtCO2-eq) greenhouse gas (GHG) emissions that would have resulted from fossil fuel burning.

Die UNECE gibt einen Wert von 74 Gigatonnen CO2-Äquivalent in den letzten 50 Jahren an, welcher durch die Verwendung von Kernkraftwerken verhindert wurde. Insgesamt so viel, wie weltweit in zwei Jahren durch Energiebezogene Emissionen ausgossen wird

Quote: Nuclear power is a low-carbon energy source that has played a major role in avoiding CO2 emissions. Over the past 50 years, the use of nuclear power has reduced global CO2 emissions by about 74Gt, or nearly two years’ worth of total global energy-related emissions

Daher konnte ich persönlich auch nicht wirklich das Vorgehen in Deutschland nachvollziehen. Natürlich in Zukunft soll also die Kraft von Sonne, Wind und Wasser genutzt werden, um den Strombedarf zu decken. Das ist meiner Meinung nach auch gut so. Erneuerbare Energiequellen haben ein riesiges Potenzial. Das rechtfertigt aber nicht, Kernenergie durch Kohleenergie zu ersetzen. Das wurde nämlich in Deutschland seitdem man Kernkraftwerke rückbaute diverse Male so gehandhabt:

Quote:   "We find that the lost nuclear electricity production due to the phase-out was replaced primarily by coal-fired production and net electricity imports. This lost nuclear production was replaced by electricity production from coal- and gas-fired sources in Germany as well as electricity imports from surrounding countries. (...) Our analysis indicates that the phase-out of nuclear power comes with an annual cost to Germany of roughly $12 billion per year. Over 70% of this cost is due to the   1,100 excess deaths per year   resulting from the local air pollution emitted by the coal-fired power plants operating in place of the shutdown nuclear plants.

The Private and External Costs of Germany's Nuclear Phase-Out | NBER

Nun um auf den Punkt Super-Gau zu kommen. Wieso hat man in Deutschland einen Schlussstrich gezogen? Hauptsächlich aufgrund der Katastrophe von Fukushima, wobei Tschernobyl sicherlich dabei im Hinterkopf war. Fukushima hat laut aktuellen Daten 2,314 Menschenleben gekostet. Tschernobyl wird von der WHO mit 4000 Toten bezeichnet. Darauf ein Zitat der Harvard Universität:

There is no doubt that nuclear power has problems that can cost human lives, but such risks are borne by all major modes of energy production.  Therefore, the question shouldn’t be, ‘is nuclear energy deadly?’ Instead, we should ask ‘is nuclear energy more dangerous than other energy sources?

Reconsidering the Risks of Nuclear Power - Science in the News (harvard.edu)

"Empfehlenswerte Quelle"

Nun, wir haben alle die Daten gesehen. Es ist somit sachlich gesehen nicht abwegig zu behaupten, dass Kernkraft insgesamt deutlich "sicherer" ist als der grösste Teil der Energiequellen, welche aktuell noch verwendet werden. Da es bzgl. der Klima- und Umweltdebatte um diesen Anteil geht, wäre Kernkraft durchaus eine gute Überbrückung in diversen Ländern.

Zusatz Atommüll:

Das ist definitiv ein Problem. Jedoch betreiben wir bereits seit fast 100 Jahren Kernkraftwerke und somit seither auch diesen Müll. Diesen Müll müssen wir loswerden, der verschwindet auch nicht einfach von selbst, wenn wir plötzlich keine Kernkraftwerke mehr hätten. Atommüll ist ein Problem, weil wir nicht wirklich wissen was wir damit machen sollen (oder können?). Wenn wir Technologien entwickeln würden, welche dafür eine Lösung bringen, wäre Atommüll kein wirkliches Problem mehr. Ich halte es jedenfalls für falsch, radioaktive Abfälle, die das größte Problem der Kernkraft darstellen, einfach in Endlagern für hunderttausende oder Million Jahre zu verbuddeln. Das ist meiner Meinung nach keine Lösung des eigentlichen Problems, sondern lediglich eine "Verlagerung". Es wäre aus meiner Sicht besser die Abfälle für die nächsten Dekaden offen unter Aufsicht zu lagern mit dem Ziel, Technologien fertig zu entwickeln, die eine Transmutation der Abfälle technologisch effizient zu ermöglichen. Danach kann man sie gerne verbuddeln, oder sonst wo (je nach Entwicklung) verwenden. Ideen und Prototypen liegen vor:

MYRRHA: An accelerator driven system to manage radioactive waste | IAEA

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Bachelor of Science in Earth and Climate Sciences
 - (Technik, Deutschland, Physik)  - (Technik, Deutschland, Physik)
spelman  02.09.2023, 10:37

Du meinst also, weil wir schon so viel Atommüll haben, von dem wir nicht wissen, was wir damit machen sollen, können wir ruhig noch weiteren dazu produzieren? Diese Logik erschließt sich mir nicht.

Und darauf zu hoffen, dass es irgendwann eine einsatzbereite Technologie geben wird, die diesen Atommüll unschädlich machen wird, halte ich auch für sehr optimistisch. Man könnte auch sagen: wir überlassen das mal unseren Kindern, sollen die sich mit dem Mist rumärgern.

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Toqiou275  02.09.2023, 11:52
@spelman
Diese Logik erschließt sich mir nicht.

Dann erkläre ich dir das doch gerne nochmals. Wir haben bereits seit über 100 Jahren Atommüll angesammelt. Das ist ein bestehendes Problem, welches auch nicht einfach bei der "Abstellung" dieser Kraftwerke verschwindet - im Gegenteil kurzzeitig fällt noch mehr davon an. Wir können also einfach alle Kraftwerke abschalten - jedoch sind diese Kraftwerke nicht nur Quellen von Atommüll sondern auch Energie und Einnahmen. Die fragwürdige Kompensation des Energieverlusts in Deutschland ist oben mit Quellen erläutert. Einnahmen fallen weg, Forschungsgelder werden damit auch beeinträchtigt. Eine Forschung ist wenn dann, nur noch in einem reduzierten Rahmen möglich.

Und darauf zu hoffen, dass es irgendwann eine einsatzbereite Technologie geben wird, die diesen Atommüll unschädlich machen wird

Es gibt einige sehr vielversprechende Projekte und Prototypen, eines davon habe ich auch bereits genannt.

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spelman  02.09.2023, 12:37
@Toqiou275

"vielversprechend", ja, klar. Ich kenne die Ideen dazu, aber bis jetzt ist nichts verfügbar. Und das Zeug zu beherrschen, was schon da ist, ist schwer genug.

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Toqiou275  02.09.2023, 15:26
@spelman
Ich kenne die Ideen dazu, aber bis jetzt ist nichts verfügbar.

Wenn sie bereits bereit wären, dann müssten wir doch diese Debatte gar nicht erst führen. Daher habe ich ja geschrieben: " mit dem Ziel, Technologien fertig zu entwickeln, die eine Transmutation der Abfälle technologisch effizient zu ermöglichen." Mit vielversprechend meine ich, dass es bereits funktionierende Prototypen gibt.

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Grautvornix  02.09.2023, 11:48

Kernkraft vor Kohle, Öl und Gas würde ich auch als bessere Lösung sehen. Aber die Frage ist ja, was haben wir noch an bestehenden AKWs die wir nutzen könnten.

Einen Neubau, so wie ihn die AgD anstrebt, sehe ich als Unsinn an.

So was wie Kernkraftwerk Olkiluoto, oder Kernkraftwerk Flamanville brauchen wir sicherlich nicht.

Zehn oder mehr Jahre bauen, 20 Jahre Rückbau werden benötigt, das sind 30 Jahre in denen kein einziges Watt zur Verfügung steht.

Auch die Abhängigkeit von Großkonzernen, nur die sind in Lage AKWs zu bauen, für die Stromversorgung sehe als ein Problem an.

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Toqiou275  02.09.2023, 15:52
@Grautvornix
Einen Neubau, so wie ihn die AgD anstrebt, sehe ich als Unsinn an.

Natürlich, sehe ich in Deutschland auch so. In anderen Länder kann es hingegen durchaus Sinn machen, in anderen wiederum nicht. In Deutschland wäre jedoch eine Laufzeitverlängerung von 10 Jahre für Kraftwerke welche in den 1980er (meist gegen Ende) Jahren in Betrieb gingen, durchaus realistisch gewesen. Das wäre auch logisch in Bezug auf die "Standardlaufzeit" von 40-50 Jahren - wobei auch nach dieser Laufzeit ein Kraftwerk nicht gerade in die Luft fliegt.

Der deutsche Weg, die wegfallende Energie von Kernkraftwerken teils durch Kohleenergie zu ersetzen, halte ich jedoch für falsch und nicht logisch.

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Ja, weil:

1. Kernkraft kann verheerende Folgen für die Gesundheit und das Leben von Millionen Menschen haben.

2. Wir Menschen sind nicht in der Lage sie souverän zu kontrollieren. Wenn schon Kernkraft, dann sollten die Nutzer schon einer höher entwickelten Zivilisation entstammen als der Menschheit.

3. Kernkraft ist nicht mehr zeitgemäß und auch völlig überflüssig. Wie man ja eindeutig sieht. 🤷🏻‍♂️

4. Kernkraft ist die teuerste Form Energie zu erzeugen.

withoutscratch  02.09.2023, 09:51

Ist das Satire oder meinst du das ernst?

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skiddy  02.09.2023, 09:53
Wie man ja eindeutig sieht. 

Wir man eindeutig sieht? Wie importieren einiges an Strom und wodurch wird dieser produziert? Richtig -Kernkraftwerke

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Crack  02.09.2023, 13:40
@skiddy
Wie importieren einiges an Strom und wodurch wird dieser produziert? Richtig -Kernkraftwerke

Nein. Das ist in dieser Absolutheit sicher falsch.

Wir beziehen regelmäßig Strom auch aus Dänemark, Polen, Österreich oder Norwegen.
Keines dieser Länder hat Atomkraftwerke.

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Nein, weil:

Wir importieren gerade mehr Strom als jemals zuvor (siehe Medienberichte von gestern). Und davon ist ein wesentlicher Teil Kernkraft. Nicht nur bei uns, sondern auch bei unseren Nachbarländern sorgt das für höhere Strompreise.

Eine völlig dumme, rein ideologische Entscheidung, aus der Kernkraft auszusteigen.

Gnurfy  02.09.2023, 13:58
Eine völlig dumme, rein ideologische Entscheidung, aus der Kernkraft auszusteigen

Dir ist aber durchaus schon bewusst, was eine KWh Strom aus Kernenergie überhaupt mal selbst im Abschreibungsversuch solcher Anlagen kostete?

Kernkraft ist ohne massive Subventionen auch heute noch nicht rentabel. Sind Dir 40 Cents je KWh Strom noch nicht genug?

Wenn ich mir einfach mal überlege, wie lange der deutsche Steinkohlenbergbau mit diesen ganzen Milliarden und Abermilliarden an Subvents noch hätte viel sanfter in seinen Rückbauten hätte laufen können. JETZT importieren wir die Steinkohle und haben hunderttausende Menschen am staatlichen Tropf dadurch, weil sie für andere Arbeiten nicht mehr wirklich taugen, oder derart kaputt malocht sind, dass sie sich bus zur Altersrente noch immer mit Billigstlohn-Brosamen durch ihre Leben schlagen müssen für DSK + Regelaltersrenten möglichst ohne Abschläge.

Glück auf!

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