Ist Demokratie wirklich das, was es verspricht?

12 Antworten

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Das Problem ist, es gibt in keinem einzigen Land Demokratie. Was wir hier in Europa oder auch in allen anderen "freiheitlich demokratischen" Ländern haben ist eine Plutokratie, also eine Herrschaft der Reichen. Deshalb müssen wir gemeinsam für die Demokratie kämpfen. Für Badisdemokratie, für direkte Demokratie, für echte Demokratie. Und erst dann, wenn wir eine Herrschaft von unten haben, in der alle Menschen die gleichen Rechte und Chancen haben, dann können wir von einer Demokratie reden. Denn die parlamentarische "representative" Plutokratie die wir aktuell haben ist absolut Inakzeptabel!

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studiere Soziologie mit Nebenfach Geschichte

pendejo  31.01.2023, 00:39

Finde ich jetzt irgenwie cool, daß Du als "linker Öko-kommunistscher Globo-Homo-Elitärer" und ich als Rechtskonservativer eine Schnittmenge in unserem Problembewußtsein haben.

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Ja!

Unsere Demokratie inkl. Gewaltenteilung und Abwehrrechten gegen den Staat finde ich schon nicht schlecht.

Ich eine parlamentarische Demokratie ist auch besser als eine direkte. Die Entscheidung können in einer "Direkten" auf ein Ja–Nein-Wahlmöglichkeit reduziert werden, anstatt Kompromisslösungen zu suchen. Außerdem beteiligten viel weniger Menschen, an solchen Entscheidung.

Auf Landes und Kommunaler Ebene gibt es sie Ja, finde ich hier auch ok!

Demokratie ist eben nicht gleich Demokratie. In Deutschland haben wir ein indirektes System. Das heißt, wir wählen Vertreter, die unsere Meinungen vertreten und (hoffentlich) auch umsetzten, wenn sie gewählt wurden.

Die Schweiz zum Beispiel hat da ein direkteres System. Dort wird viel mehr mit Volksentscheiden und Abstimmungen gearbeitet.

Lg.

Von welcher Demokratie sprechen wir? Es gibt viele Formen und Abstufungen davon.

Wir haben eine "repräsentative Demokratie", eine Mischform, die wohl von den Allierten nach dem Krieg bewußt für unser, nun ja, damals als etwas zur Radikalität neigend betrachtetes Volk, gewählt wurde. Parteien stellen Kandidaten auf, wir wählen eine Partei und ggf. einen Direktkandidaten fürs Parlament. Und dazwischen hat das Volk so ziemlich nichts zu melden. Ausnahmen (Petitionen etc.) bestätigen die Regel. Nach vier Jahren wird neu gewählt (das Verhältnis im Parlament), und das wars dann schon mit der Mitbestimmung, zumindest auf Bundesebene.

Natürlich gibt es Kontrollmechanismen, doch es bestehen vielerlei Abhängigkeitsverhältnisse.

Die Medien sind formal unabhängig. Wem gehören die Medienhäuser, und wer hat Einfluss auf sie? Politiker sind von der Berichterstattung abhängig, Medien sind von Zugang zu Nachrichten abhängig. Und von Geldgebern, Eigentümern, Redakteuren (wer setzt die ein?), Nachrichtenagenturen (wer wählt die Nachrichten aus?) usw. usf.

Wer Geld hat, kann auf vielerlei Weise Einfluß auf die Politik und Meinungsbildung nehmen, über die Wirtschaft, Spenden/Förderung oder Entzug der Mittel, Stiftungen, über NGO => Meinung, Kapitalflüsse, Arbeitsplätze usw. Auch hier bestehen gegenseitige Abhängigkeiten.

Ein Parlamentarier ist nur seinem Gewissen verpflichtet. Was nutzt ihm das, wenn er nicht spurt, kaltgestellt wird, keine Informationen mehr bekommt und bei der nächsten Wahl nicht mehr auf der Liste erscheint?

Die Justiz ist unabhängig. Stimmt. Aber wer ernennt die Richter? Der Justizminister der Länder oder der Bund, mit einem Richterwahlausschuß, der mit Mehrheit oder hälftig aus Abgeordneten des Landtages oder des Bundesparlamentes besteht.

Wer ernennt die Richter des Bundesverfassungsgerichts? Ein Wahlausschuß von Bundestag und Bundesrat. Also regierende Politiker.

Die Exekutive (Polizei): Wer ernennt Polizeipräsidenten? Die Staatsanwälte? Die Innenminister => Parteipolitiker.
Der Europäische Gerichtshof hat deswegen in einem Interessanten Urteil festgestellt, daß wegen fehlender Unabhängikeit deutsche Staatsanwälte keine europäischen Haftbefehle mehr erstellen dürfen:
https://www.dw.com/de/eugh-deutsche-staatsanw%C3%A4lte-d%C3%BCrfen-keinen-europ%C3%A4ischen-haftbefehl-ausstellen/a-48897628

Soviel zum "Musterstaat Deutschland", was Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung betrifft.

Das deutsche Volk hat bei wirklich wichtigen und zukunftsweisenden Entscheidungen nie mitbestimmen dürfen. Sei es die Wiedervereinigung, seien es die Verträge von Masstricht und Lissabon (EU-Verträge, bei denen weitreichende Kompetenzen an die EU übertragen oder gefestigt wurden), sei es die Währungsunion und daraus folgende fiskalische Entscheidungskompetenzen, bis hin zur "Willkommensentscheidung" von Frau Merkel, daß wir unbegrenzt und ungeprüft "Flüchtlinge" erst mal aufnehmen und dann weitersehen, egal, wer und von wo er kommt.

Fazit: Eine wirkliche und unmittelbare Mitbestimmung durch das Volk gibt es bei uns nicht. Es regieren die Pateien, und die Personalauswahl läuft nach deren Regeln.

Eine Kontrolle findet durch die Machtteilung und Zergliederung des Systems statt, und durch die Tatsache, daß die Protagonisten i. d. R. wiedergewählt werden oder z. T. aufsteigen wollen. Andererseits fördert dieses System Populismus und Vermeidung unpopulärer Maßnahmen.

Die einen sagen, wir haben eine Parteiendiktatur, die anderen, das ist gut so, denn wenn man komplizierte Sachverhalte mit einfachen ja/nein-Fragen dem Volk überlässt, das gar nicht die Zeit und Nerven hat, sich damit ausgiebig zu beschäftigen, dann stimmen die nur aus dem Bauch heraus ab und es kommt nur Mist dabei heraus.

Ja, es gibt eine unteschwellige Gefahr für unsere Demokratie: Der (zunehmende?) Einfluß von teilweise international agierenden Firmen, Organisationen und Klüngel-Clubs mit undurchsichtigen Verflechtungen und Interessen, die mitunter mit unglaublichen finanziellen und personellen Mitteln ausgestattet sind, und Abhängigkeiten schaffen. Die durch Medien, "Bildungsangebote" und gezielte Kampagnen Möglichkeiten zur Einflußnahme und Meinungs"mache" (in buchstäblichem Sinne) haben. Stichworte: Framing, nugging. Auch NGO's, die "Gutes" wollen, sind Lobbyisten!
Die Vermischung von Nachricht und Meinung in den Medien. Die Auswahl von Nachrichten. Was nicht gesendet wird, hat nie stattgefunden. Der sich verengende Korridor der möglichen Meinungen, des sagbaren.

Doch daran ist der Durchschnittsbürger ein gutes Stück weit selbst schuld. Weil er es zuläßt und Angst hat, den Mund auf zu machen. Weil er vorgesetztes akzeptiert, nicht selbst recherchiert, hinterfragt und sich selbst ein Urteil bildet. Weil er im Zweifelsfall dazugehören und seine Ruhe haben will, anstatt zu sagen: Nein, das sehe ICH anders! Weil er nicht auf die Straße geht und seinen Unmut kundtut oder Dinge einfordert. Weil er zwar mault, aber dann doch immer die selben Parteien wählt, sicher ist sicher.

Meine Meinung dazu: Die Demokratie, insbesondere die repräsentative, hat viele Schwachpunkte und führt oftmals sicher nicht zu den denkbar "besten" Regierungsentscheidungen. Sie hat aber, langfristig gesehen, zwei entscheidende Vorteile: Sie dämpft wirksam ungünstige extreme Entwicklungen ab, und sie macht unblutige Regierungswechsel möglich.

Daher gibt es bis jetzt nichts besseres. Über Details kann man diskutieren.

Eine Diktatur, in der nur einer oder eine kleine Gruppe die Macht hat, ist jedenfalls nie gerecht und fair! Ich kenne kein Beispiel dafür! Bei Demokratien kann das Volk durch sein Wahlverhalten jedenfalls zu einem sehr großen Teil bestimmen, wie Gerechtigkeit und Fairness definiert und umgesetzt wird. Eine Verfall der Demokratie kann ich nicht erkennen! War Deutschland 1950, 1970, 1990 demokratischer? Ich glaube eher das Gegenteil. Wenn man auf die DDR sieht, sowieso nicht!