Ich scheine eine Pseudologin zu sein, wie kann ich mein Verhalten ändern?
Hallo liebe Gutefrage-Community,
ich (w/15) habe ein Problem. Ich habe in letzter Zeit immer mehr gelogen, sei es bezüglich meiner Vergangenheit, wo ich Detaills dazu oder sogar ganz erfunden habe, oder vermeintliche Freizeitbeschäftigungen denen ich gerne nachgehen würde, es aber nicht kann. Auch Teile meines sozial Lebens habe ich dazu erfunden. Es ist wie eine Sucht- die Anerkennung anderer ist in dem Moment Balsam für die Seele. Im Nachhinein sieht die Sache anders aus, dann plagen mich das schlechte Gewissen und der Selbsthass. Die Lügen haben mir das Gefühl gegeben, eine interessante Person zu sein und mir geholfen, offener auf andere Menschen zuzugehen.
Ich würde dieses Lügennetz das ich aufgebaut habe gerne auflösen, habe aber große Angst vor der Reaktion meines Umfeldes. Mir ist bewusst, dass ich erstmal (zu Recht!) Ablehnung erfahren werde. Ich habe kein besonders ausgeprägtes Selbstwertgefühl und habe es für zwei/drei Monate mit meinen Geschichten und der Reaktionen meiner Freunde kompensieren können, doch jetzt plagt mich wie gesagt das schlechte Gewissen. Meint ihr ich kann dies alles noch auflösen, ohne meine Freunde zu verlieren? Denkt ihr, professionelle Hilfe wäre angebracht? Ich hatte immer gehofft, erfundenes Können nachholen zu können, damit es nicht auffällt, trotzdem plagt mich das schlechte Gewissen, jemals gelogen zu haben. Ich habe es zwar geschafft, mit dem Lügen aufzuhören und die Geschichten weder auszuweiten noch weitere dazu zu erfinden, jedoch bin ich ratlos wie und ob ich die Lügen auflösen sollte, oder sie einfach im Laufe der Zeit "unter den Tisch fallen zu lassen", die gelogenen Geschichten also nicht mehr zu thematisieren, bis nicht mehr die Rede davon ist, sie diese kurzen Prahlereien praktisch vergessen. Wäre das ein möglicher Umgang, oder ist eine einfache Lösung wie diese Wunschdenken? Wie also soll ich mit den Lügen der Vergangenheit umgehen? Die Versuchung erneut zu lügen ist aufgrund der auf die Lügen folgenden Schuldgefühle tatsächlich kaum noch vorhanden, wenn dann nur noch Not-/Alltagslügen, was ich aber nicht als krankhaft beschreiben würde.
Vielen Dank schonmal im Vorraus für eure Antworten, Paula
2 Antworten
Liebe Paula,
Das ist jetzt eine ganz spannende Frage. Du hast selbst richtig eingesehen, dass ein mangelndes Selstwertgefühl an diesem Lügengebäude zu Grunde liegt.
Ebenfalls hast Du eingesehen, dass es nicht das schlechte Gewissen ist, sondern die Angst ist Deine Freunde zu verlieren, wenn das Lügengespinst durchschaut wird.
Mein Vorschlag:
1) Ab sofort nur wahre Sachen behaupten.
2) Deine Freunde in zwei Kategorien aufteilen. A) Die ganz intimen, welche zu Dir stehen und B) die anderen Freunde.
3) Zu den A)-Freunden kannst Du das von Dir oben beschriebene Verhalten erklären und Deine ,,Reue" darüber besprechen und um Entschuldigung bitten.
4) Mit den B)-Freunden so wenig wie möglich über die Behauptungen aus der Vergangenheit sprechen. Wenn sie Dich direkt darauf ansprechen mit einem lockeren Spruch antworten: ;Jeder hat sich mal versprochen" oder ,,ich wollte mal für Trump spielen" oder ähnlich. Und wenn es über Deine Hobbies oder Vorlieben geht, kannst Du dich darauf berufen, dass die Meinung in der Pubertät oft ändert.
Der Prozess ist nicht einfach, aber auch nicht hoffnungslos. Guten Mut und viel Erfolg gewünscht!! Alles Gute von ulrich1919
P.S. Voraus mit einem R: vor-aus.
Mir ist bewusst, dass ich erstmal (zu Recht!) Ablehnung erfahren werde.
Nicht sehr wahrscheinlich. Besonders die ,,echten" Freunde werden sich über Dein Coming-Out freuen und Dich dabei unterstützen. Wer nur noch Häme oder Spott äussert ist kein wahrer Freund!
Du bist noch in der Pubertät. Da ist Unsicherheit Normalität und der Überlebensstrategien sind ihrer viele. Krankheitslabel sind da abwegig. Schon in vier Jahren kann alles ausgewechselt sein.
In Deinem Alter habe ich auch Geschichten erfunden. Am Rande des Sportunterrichts sass ich, wenn ich wegen Krankheit befreit war, manchmal mit einer Kollegin zusammen, die es auch war. Da ich sie mochte, versuchte ich, sie zu beeindrucken. Und spontan erfand ich die Geschichte von meinem Grossonkel Erich Honecker. Der damals Diktator der DDR war.
Da sie sichtlich beeindruckt wirkte, wurde ich angespornt und malte alles aus. Jedes Jahr, erzählte ich, würde unsere Familie zu seinem Geburtstag abgeholt. Da kämen dann immer Agenten der Stasi und kutschierten uns in einer dunklen Limousine über die Grenze. Alles war sehr geheimnisvoll und eigentlich dürfte ich auch niemandem was erzählen: ganz grosses Staatsgeheimnis!
Was glaubst du, wie sie beeindruckt war, wen sie da kennen gelernt hatte :)