Hannah Arendt - Präsentationsfragen

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Wahrscheinlich geht es darum, was Hannah Arendt zu diesen Fragen aussagt. Dazu steht vor allem etwas in ihrem Buch „Vita activa“ (zuerst in englischer Sprache unter dem Titel „The human condition“ veröffentlicht; in deutscher Sprache erstmals 1967 erschienen).

1) Was macht das Leben zum Leben?

Als Grundbedingungen menschlichen Lebens nennt Hannah Arendt a) den biologischen Prozeß eines Körpers mit Wachstum, Stoffwechsel und Verfall, wobei dem Organismus Naturdinge zugeführt werden, b) die Weltlichkeit, nämlich das Angewiesensein auf Gegenständlichkeit, c) eine Pluralität, nämlich die Existenz einer Vielheit von Menschen, die alle Individuen sind und also einzigartig, einander nicht ganz gleich.

Ganz allgemeine Bedingtheiten menschlichen Lebens sind Natalität (Gebürtlichkeit, Geborenwordensein) und Mortalität (Sterblichkeit).

Arbeit ist eine Grundtätigkeit, die (nur) einer der Grundbedingungen entspricht. Sie allein wäre aber kein wesentlich menschliches Leben.

2) Wie kann der Mensch sich selbst verwirklichen?

Hannah Arendt gibt keine Menschennatur an, kein Wesen des Menschen, das verwirklicht wird. Denn sie bezweifelt die Annahme, der Mensch besitze so etwas wie ein Wesen oder eine Natur im gleichen Sinn wie alle anderen Dinge. Sofern es aber so etwas wie ein Wesen des Menschen gebe, könnten Menschen es nicht erkennen und definieren.

Ein tätiges Leben besteht in der Anwendung von Fähigkeiten. Dabei kommt es zu einer Gestaltung der Welt. Womit Menschen in Berührung kommen, wird in eine (selbstgeschaffene) Bedingung menschlicher Existenz verwandelt.

Menschliche Grundtätigkeiten sind Arbeiten, Herstellen und Handeln. Eine Enthüllung der Person in ihrer Individualität geschieht im Handeln (einschließlich des Sprechens, der Kommunikation, bei der einen Person gleichsam auf die Bühne der Welt tritt). Handeln fängt etwas an, setzt etwas in Bewegung, ergreift die Initiative. Die Person tritt so in Erscheinung.

Hannah Arendt bezieht sich auch auf eine Tradition mit der Unterscheidung von Lebensformen, die im antiken Griechenland begann. Aristoteles unterschied als Lebensweisen eines freien Mannes ein Leben des Genusses (und darauf beschränkt), ein Leben des Handelns (gemeinschaftsbezogen, Handeln im öffentlichen Raum) und ein Leben des Erforschen und Schauens (Kontemplation). Hannah Arendt weicht von der Tradition darin ab, eine hierarchische Ordnung bei dieser Unterscheidung anzuzweifeln (kein Vorrang der Kontemplation). Die Grundanliegen der Vita activa seien denen der Vita contemplativa weder überlegen noch unterlegen.

In ihrem unvollendeten Werk „Vom Leben des Geistes“ beschäftigt sich Hannah Arendt mit den geistigen Tätigkeiten. Dem Konzept nach sind dies Denken, Wollen und Urteilen. Denken ist eine Vorbereitung des Handelns und bestimmt die Lebensführung.

Albrecht  17.10.2012, 06:42

Hannah Arendt, Vita activa oder Vom tätigen Leben, Ungekürzte Taschenbuchausgabe. 1. Auflage. München ; Zürich : Piper, 2002, S 16 – 17:
„Mit dem Wort Vita activa sollen im folgenden drei menschliche Grundtätigkeiten zusammengefaßt werden: Arbeiten, Herstellen und Handeln. Sie sind Grundtätigkeiten, weil jede von ihnen einer der Grundbedingungen entspricht, unter denen dem Geschlecht der Menschen das Leben auf der Erde gegeben ist. Die Tätigkeit der Arbeit entspricht dem biologischen Prozeß des menschlichen Körpers, der in seinem spontanen Wachstum, Stoffwechsel und verfall sich von Naturdingen nährt, welches die Arbeit erzeugt und zubereitet, um sie als die Lebensnotwendigkeiten dem lebedigen Organismus zuzuführen. Die Grundbedingung, unter der die Tätigkeit des Arbeitens steht, ist das Leben selbst.

Im Herstellen manifestiert sich das Widernatürliche eines von der Natur abhängigen Wesens, das sich der immerwährenden Wiederkehr des Gattungslebens nicht fügen kann und für seien individuelle Vergänglichkeit keinen Ausgelich findet in der potentiellen Unvergänglichkeit des Geschlechts. Das Herstellen produziert eine künstliche Welt von Dingen, die sich dadurch unterscheiden, daß sie der Natur bis zu einem gewissen Grade widerstehen und von den lebedigen Prozessen nicht einfach zerrieben werden. In dieser Dingewelt ist menschliches Leben zu Hause, das von Natur in der Natur heimatlos ist, und die Welt bietet Menschen eine Heimat in dem Maße, in dem sie menschliches Leben überdauert, ihm widerstrebt und als objektiv-gegenständlich gegenübertritt. Die Grundbedingung, unter der die Tätigkeit des Herstellens steht, ist Weltlichkeit, nämlich die Angewiesenheit menschlicher Existenz auf Gegenständlichkeit und Objektivität.

Das Handeln ist die einzige Tätigkeit der Vita activa, die sich ohne die Vermittlung von Materie und Dingen direkt zwischen Menschen abspielt. Die Grundbedingung, die ihr entspricht, ist das Faktum der Pluralität, nämlich die Tatsache, daß nicht ein Mensch, sondern viele Menschen auf der Erde leben und die Welt bevölkern. Zwar ist die menschliche Bedingtheit in allen ihren Aspekten auf das Politische bezogen, aber die Bedingtheit durch Pluralität steht zu dem, daß es so etwas wie Politik unter Menschen gibt, noch einmal in einem ausgezeichneten Verhältnis; sie ist nicht nur die conditio sine qua non, sondern die conditio per quam. Für Menschen heißt Leben – wie das Lateinische, also die Sprache des vielleicht zutiefst politischen unter den uns bekannten Völkern, sagt - soviel wie »unter Menschen weilen« (inter homines esse) und Streben soviel wie »aufhören unter Menschen zu weilen« (desinere inter homines esse).“

S. 214: „Sprechen und Handeln sind die Tätigkeiten, in denen diese Einzigartigkeit sich darstellt. Sprechend und handelnd unterscheiden sich Menschen sich aktiv voneinander; sie sind die Modi, in denen sich das Menschsein offenbart. Dies aktive In-Erscheinung-Treten eines grundsätzlich einzigartigen Wesens beruht, im Unterschied von dem Erscheinen des Menschen in der Welt durch Geburt, auf einer Initiative, die er selbst ergreift, aber nicht in dem Sinne, daß es dafür eines besonderen Entschlusses bedurfte; kein Mensch kann des Sprechens und des Handelns entraten, und dies wiederum trifft auf keine andere Tätigkeit der Vita activa zu. Die Arbeit mag noch so charakteristisch für den menschlichen Stoffwechsel mit der Natur sein, das besagt nicht, daß jeder Mensch auch arbeiten müßte; er kann sehr gut andere zwingen, für ihn zu arbeiten, ohne daß seinem Menschsein darum Abbruch geschehe. Und genau das gleiche gilt für das Herstellen, sofern man sehr wohl die Welt der Dinge benutzen und genießen kann, ohne je auch nur ein nützliches Ding hergestellt und ihren vielfältigen Reichtum hinzugefügt haben. Das Leben eines Sklavenhalters, eines Ausbeuters, oder eines Parasiten mag moralisch anfechtbar sein, es ist immer noch eine spezifisch menschliche Weise zu existieren. Ein Leben ohne Sprechen und Handeln andererseits […] wäre buchstäblich kein Leben mehr, sondern ein in die Länge eines Menschenlebens gezogenes Streben; es würde nicht mehr in der Welt unter Menschen erscheinen, sondern nur als ein Dahinschwindendes sich überhaupt bemerkbar machen; wir wüßten von ihm nicht mehr als wir, die Lebenden, von denen wissen, die in den Tod schwinden, den wir nicht kennen.“

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Albrecht  17.10.2012, 06:42

S. 301 – 302: „Ganz anders liegt der Fall des Handelns und der ihm eigentümlichen Verlegenheit, in diesem einzigen Fall erwächst das Heilmittel gegen die Unwiderruflichkeit und Unabsehbarkeit der von ihm begonnen Prozesse nicht aus einer anderen und potentiell höheren Fähigkeit, sondern aus den Möglichkeiten des Handelns selbst. Das Heilmittel gegen Unwiderruflichkeit – dagegen, daß man Getanes nicht rückgängig machen kann, obwohl man nicht wußte, und nicht wissen konnte, was man tat – liegt in der menschlichen Fähigkeit, zu verzeihen. Und das Heilmittel gegen Unabsehbarkeit –und damit gegen die chaotische Ungewißheit alles Zukünftigen – liegt in dem Vermögen, Versprechen zu geben und zu halten. Diese beiden Fähigkeiten gehören zusammen, insofern die eine sich auf die Vergangenheit bezieht und ein Geschehenes rückgängig macht, dessen »Sünde« sonst, dem Schwert des Damokles gleich, über jeder neuen Generation hängen und sie schließlich unter sich selbst begraben müßte; während die andere ein bevorstehendes wie einen Wegweiser in die Zukunft aufrichtet, in der ohne die bindenden Versprechen, welche wie Inseln der Sicherheit von den Menschen in das drohende Meer der Ungewißheit geworfen werden, noch nicht einmal irgendeine Kontinuität möglich wäre, von Beständigkeit und Treue ganz zu schweigen.“

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Hannah Arendts Buch heißt "Vita aktiva" - das ist mehr als nur "arbeiten". Das ist die aktive Gestaltung des Lebens im Tun, aber auch in der gedanklichen Verarbeitung. Hier ist sie nicht weit von Aristoteles weg, der ebenfalls bereits die aktive Bewältigung des Lebens als Garant eines gelingenden Lebens auffasste. Hannah Arendt war ja mit den "Existentialisten" Jaspers und Heidegger befreundet und ihnen in ihren Auffassungen nahe. Existenz ergreifen ist bei beiden immer ein "die Lebenskraft" umsetzen. Und darin findet der Mensch auch seine Verwirklichung. Man darf dabei das Wort "Selbstverwirklichung" nicht missverstehen als das Verfolgen von etwas Gegebenem. Leben ist Prozess. Insoweit bedeutet "Selbstverwirklichung" das aktive Ergreifen den eigenen Lebensenergie und Umsetzung eigener Fähigkeiten und Möglichkeiten. Als Jüdin war Hannah Arendt allerdings das "Band des Gemeinsamen" stärker präsent, als Mitgestalten der äußeren Bedingungen.

Hallo Rorschach! ;D

Ist denke ich mal ne' Interpretationsfrage. zu 1. würde ich sagen brauch man halt genauere Info's wie sie sich das so vorstellt. Prinzipiell würde ich sagen, das halt das Leben in den "Raum" gestellt wird, und verschiedene Faktoren bestimmt werden sollen, die gerade dieses ausmachen.

zu 2. Wie man sich halt "selbstverwirklicht" ... also, wie man zu dem wird was man ist, an Interessen lernen, wie man halt so tickt, was einem Freude bringt, und was halt einem das Leben ausmacht.

Wie gesagt, so würde ich diese Aufgabenstellung interpretieren, aber ich habe auch noch nichts von dieser Person gehört, aber ich denke mal das könnte es so treffen

MfG ;D