haben ich und mein bruder die gleichen gene?

2 Antworten

Das ist alles eine Frage der simplen Statistik und lässt sich mathematisch ausdrücken durch den Verwandtschaftskoeffizienten r. Vorher musst du aber verstehen, dass wenn man sagt: "Die haben die gleichen Gene" damit eigentlich nicht die Gene gemeint sind, sondern Allele. Es müsste korrekt heißen: "Die haben die gleichen Allele." Ein Allel ist sozusagen eine Variante eines Gens. Ein bildhaftes Beispiel dazu (stark vereinfacht!): es gibt ein Gen, nennen wir es Haarfarbengen. Dieses Gen kann in verschiedenen Formen auftreten, z. B. eine Variante für rotes Haar, eine für braunes Haar, eine für blondes Haar und eine für schwarzes Haar. Diese vier verschiedenen Varianten nennt man dann Allele des Haarfarbengens. Alles klar so weit? Gut, dann schauen wir uns jetzt an, was dieser ominöse r eigentlich ist.

Der Verwandschaftskoeffizient r gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der ein bestimmtes Allel in zwei verschiedenen Individuum von einem gemeinsamen Vorfahren geerbt wurde.

Mathematisch lässt er sich nach folgender Formel berechnen:



Was bedeuten diese einzelnen Bestandteile der Formel nun? Gucken wir uns dafür zunächst die 0.5 in der Klammer an. Wie du sicher weißt, haben wir für gewöhnlich einen doppelten (diploiden) Chromosomensatz, d. h. jedes Chromosom kommt in einer menschlichen Zelle zwei Mal vor, wobei wir das eine Chromosom von unserem Vater und das andere Chromosom von unserer Mutter geerbt haben. Damit kommt auch jedes Gen doppelt vor. Dabei kann man noch einmal unterscheiden, ob auf beiden Chromosomen dieselbe Genvariante (=Allel) vorkommt, das nennt man dann homozygot, oder ob die beiden Chromosomen ein unterschiedliches Allel tragen, was man heterozygot nennt.
Die Gameten (Geschlechtszellen, Keimzellen, =Spermien und Eizellen) unterscheiden sich davon aber, sie haben nämlich nur einen einfachen (haploiden) Chromosomensatz, was Sinn macht. Denn bei der Befruchtung verschmelzen die haploiden Chromosomensätze zweier Gameten miteinander und der diploide Zustand ist wieder hergestellt.
Wie wird nun aber aus dem diploiden Chromosomensatz ein haploider Chromosomensatz in den Gameten? Das wird möglich durch eine besondere Form der Zellteilung, die Meiose, bei der die Chromosomenpaare zufällig auf die beiden Tochterzellen verteilt werden, d. h. ein Chromosom (mit ihm auch das Allel) eines Chromosomenpaars kommt in die eine Tochterzelle, das andere Chromosom (mit ihm auch das andere Allel) des Chromosomenpaars in die andere. Damit liegt die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Keimzelle ein ganz bestimmtes Allel dieses Chromosomenpaars bekommt, bei 50 % oder anders ausgedrückt 0.5. Die Zahl in Klammern gibt also an, mit wlecher Wahrscheinlichkeit bei der Meiose ein bestimmtes Allel vererbt wird.

Das kleine n steht ganz einfach für die Zahl der Generationen, die zwischen den beiden Individuen liegen. Wollen wir den r zwischen einer Mutter und ihrem Kind berechnen, dann liegt genau eine Generation dazwischen, es gilt demnach n = 1. Wenn wir den r von zwei Vollgeschwistern bestimmen wollen, dann müssen wir zunächst von einem Geschwister (z. B. dir) eine Generation zurück gehen (zu den Eltern) und dann wieder eine Generation zum anderen Geschwister (deinem Bruder), es gilt demnach für Vollgeschwister n = 2.

und das kleine x gibt an, auf wie vielen Wegen ein Allel in beide gekommen sein könnte. Schauen wir uns wieder an, auf welchem Weg von der Mutter ein Allel in ihr Kind gekommen sein kann, dann gibt es nur einen Weg, nämlich den über die Mutter, x = 1. Bei Vollgeschwistern gibt es zwei verschiedene mögliche Wege, wie ein Allel in beide Geschwister kommen könnte. Der erste Weg über die Mutter und der zweite mögliche Weg über den Vater, es gilt daher x = 2.

Nun haben wir alle Informationen zusammen, um r ausrechnen zu können. Zunächst berechnen wir r zwischen einer Mutter (oder einem Vater) und ihrem (seinem) Kind (erinnern wir uns kurz: n = 1; x = 1). Es gilt also:



Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind ein bestimmtes Allel von einem bestimmten Elternteil geerbt hat, beträgt also 50 %. Man kann es auch anders formulieren und sagen, dass ein Kind durchschnittlich 50 % seiner Allele mit seiner Mutter (bzw. seinem Vater) gemein hat.

Und wie ist es bei Vollgeschwistern? Auch hier können wir es ganz leicht ausrechnen:



Es ergibt sich also ein ebenso großer Verwandtschaftskoeffizient von 0.5. Vollgeschwister teilen also durchschnittlich ebenfalls 50 % ihrer Allele miteinander. Das heißt aber auch, dass Vollgeschwister in 50 % ihrer Allele nicht gleich sind. Welche 50 % identisch sind und welche unterschiedlich, ist (wegen der Meiose) zufällig. Darum sehen manche Geschwister einander ähnlicher und andere nicht.

Anders sieht es nur bei eineiigen Zwillingen aus. Sie haben alle Gene gemeinsam, da sie ja genetisch identisch sind. Ein eineiiger Zwilling entsteht aus einer befruchteten Eizelle, wenn also die Verteilung der Allele bereits abgeschlossen ist. Und da eineiige Zwillinge exakt die gleichen Gene besitzen, ist der Verwandtschaftskoeffizient zwischen ihnen, wenig überraschend r = 1, also 100 %. Zwischen zweieiigen Zwillingen dagegen ist der Verwandtschaftskoeffizient nicht verschieden zu dem "gewöhnlicher" Vollgeschwister.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Nein, es gibt viel mehr Gene als die, die das Äußere bestimmen. In allen anderen kannst du deinem älteren Bruder viel ähnlicher sein