Haben die Kinder heute zu viel Freizeit?

18 Antworten

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Bis jetzt haben fast nur Erwachsene geantwortet. Nun will ich mal als Schülerin etwas dazu sagen.

Ich kann eigentlich nicht vergleichen, ob es früher mehr Freizeit gab oder jetzt. Dafür bin ich mit 16 Jahren zu jung.

Aber ich weiß jedenfalls, dass die Freizeit (in meinem Fall, und bei den meisten in meiner Schule) viel zu kurz kommt. Natürlich hängt es auch von der Person und der Schule ab und wie der Schüler/die Schülerin seine/ihre Zeit nutzt.

In meiner Schule verbringe ich 42 Stunden in der Woche und brauche noch zusätzlich 1,5 Stunden, bis ich wieder zuhause bin. An einem Tag, an dem ich von 8 bis 18 Uhr Unterricht habe, komme ich ca. um 19:15 Uhr nachhause, lege mich dann spätestens um 22 Uhr ins Bett, um halbwegs genügend Schlaf zu bekommen. In meiner "Freizeit" arbeite ich an Projekten, die ich nicht fertig gebracht habe (Perfektionismus ist ein Problem bei mir) und lerne. Trotzdem wird nie alles fertig. Jeden Tag setze ich mich noch zum Klavier, da gehen sich 30- 60 Minuten am Tag schon aus. (Meine Leidenschaft! Bitte nicht mit Pflicht bei mir verwechseln!) Ein paar Mal im Monat kann ich Zeit für meine Freunde finden. Wenn viele Projekte anstehen, wird Arbeiten am Wochenende eingeplant. Denn wenn das Projekt nicht bei der Deadline abgegeben wird, bekommt man nur noch höchstens ein Befriedigend als Note darauf. Beinahe jeden Tag finde ich mich erschöpft wieder und schaffe es am Wochenende manchmal auch nicht, einen Fuß aus dem Haus zu stellen, weil ich so müde von der Woche bin und ausruhen muss. Aber wirklich ausruhen geht nicht, weil ich ja an meinen Projekten arbeite (meist den ganzen Tag durch, natürlich mit Pausen). Wer sich bei uns nicht anstrengt und sich zu viel Freizeit nimmt, landet schnell auf einer negativen Note. Wir haben in meiner Schule Pflichtpraktika , was ich an sich eine tolle Sache finde, und schreiben unsere Bewerbungen und haben auch schon viele abgeschickt .Wir sollen in der Schule auf das Berufsleben vorbereitet werden, um es später leichter zu haben. Und nein, ich habe nicht nur Einser weil ich so ein "Streber" bin, der den ganzen Tag am arbeiten ist. Dieses Semester hatte ich 4 Frühwarnungen, die ich mir mit sehr viel Anstrengung wieder ausgebessert habe. (Und nein, ich hatte nicht zu viel Freizeit. Ich habe jeden Tag gearbeitet. Mein Handy benutze ich selten und den PC für die Schule) Liegt auch an dem Burnout, das ich mir geholt hatte, von dem es aber gerade wieder bergauf geht.

Ich will mich hier nicht über meine Schule beschweren – ganz im Gegenteil!– mit ihr kann ich in der Zukunft viel anfangen.

Dieser Aufsatz schreit sehr nach Selbstmitleid, aber ich versuche mich nicht zu bemitleiden. In meiner Schule geht es vielen Schülern so. Was ich damit sagen will ist: Ich hoffe, etwas kommt bei den Leuten, die denken, wir haben zu viel Freizeit und nutzen unsere elektronischen Geräte zu häufig, an: Wir haben nicht zu viel Freizeit. Und ich habe es satt, mir das noch länger anzuhören.

Bitte nehmt meine Impulsivität bei diesem Thema nicht zu persönlich.

Ein großes Danke an die Leute, die meine Antwort lesen und die ich damit zum Nachdenken anregen kann.


mulano 
Fragesteller
 24.01.2018, 19:12

Meine Frage war auch nicht ganz ernst gemeint. Ich weiss das es Schüler heute nicht einfacher haben. Danke für deine Antwort.👍

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Natalie254  24.01.2018, 19:30

Hi mulano :)

Die Antwort war jetzt auch nicht so speziell auf dich gerichtet, sondern damit Leute es lesen. Tut mir leid wenn das falsch rüberkam :/

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mulano 
Fragesteller
 24.01.2018, 19:55
@Natalie254

Du dachtest aber schon das ich denke, dass Schüler zu viel Freizeit haben? ^^

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Grautvornix16  24.01.2018, 19:41

Hi,- du mußt mich nicht zu Nachdenken anregen - ich gebe dir vollumfänglich recht und finde deinen Beitrag wichtig. Ich habe drei erwachsene Söhne und mir dreht sich der Magen bei dem Gedanken um, ich müßte meine Kinder heute durch diese Gesellschaft halbwegs unbeschadet bringen. Ja,- das Leben war noch nie ein Ponyhof. Und nein: Eltern, die auch in schwierigen Zeiten Kinder bekommen waren noch nie Egoisten,- allenfalls Optimisten. Aber sowenig Chancen, seinen Kindern eine menschliche Perspektive zu geben wie heute hatten Familien nur in ganz ganz wenigen Zeiten in der Vergangenheit.

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N´Abend. Wenn du dich präzise auf das Wort "Freizeit" fokussierst, also alle hierzu nötigen Attribute zu dem Begriff >Selbstbestimmtheit< oder >Selbsterfahrungsraum< zentrierst weißt du, dass die Antwort NEIN lauten muß. - Sie haben zuwenig "Freizeit" weil sie nur noch funktionale Masse einer zweck- und nützlichkeitsoptimierenden Gesellschaft sind. Sie erleben sich als Funktion - Person im Sinne einer selbstbalancierenden, stabilen Selbstkonzeptionierung können sie gar nicht mehr werden. In diesem Manipulationsraum gibt es keine Selbstbestimmtheit durch Selbsterfahrung im Rahmen einer sozialisierenden Begleitung eigenstabiler Erwachsener sondern nur noch ein Sich-Selbst-Überlassen-Sein - mit allen Einflüssen, denen ein Kind niemals gewachsen sein kann. Das hat man früher Verwahrlosung genannt. Und das ist kein Alleinstellungsmerkmal angeblich "a-sozialer" Eltern. Es ist ein Grundmerkmal dieser Gesellschaft geworden. Die Zugehörigkeit zu den jeweiligen sozio-ökonomischen Milleaus ändert nur die Erscheinungsform,- nicht den Kern des Problems.

Gruß


Natalie254  24.01.2018, 20:15

Das tut verdammt weh, du hast es aber auf den Punkt getroffen

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Grautvornix16  24.01.2018, 20:26
@Natalie254

Ja ich weiß, dass das heute viele Eltern im Innern zerreißt. Es ist keine Kritik an den Eltern. Es ist eine Kritik an den poitisch-ökonomischen Eliten dieser Gesellschaft, die die Eltern in diese Situation bringen und am Ende nur Arbeitsbeschaffungsprogramme für Kinder- und Jugendpsychiatrien produzieren - nebst absurder Forderungen an die "Multi-Tasking-Lösungskompetenzen" der Eltern. Am meisten enttäuscht mich die "Kumpanei" des "erziehungswissenschaftlich-pädagogischen Wissenschaftssystems" mit dem "System". Statt die eigenen Kompetenzen zu nutzen, um Roß und Reiter des Problems öffentlich zu machen (der Zustand der Gesellschaft fällt ja nicht vom Himmel) verdienen sie ihr Geld mit jedem "reparaturbedürftigen Kind" auf die vielfältigste Weise. - Ich habe da nur noch Ekel.

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Das würde ich so nicht sagen. Sie nutzen ihre Freizeit nur nicht so wie sie es sollten. Viele Kinder verbringen ihre Freizeit nicht mehr im Freien, sondern vor einem Bildschirm oder zumindest drinnen in der Wohnung. Dabei ist es extrem wichtig, dass Kinder wenigstens zwei bis drei Stunden draußen spielen.

In Singapur hat man das erkannt, weil dort die Anzahl der kurzsichtigen Kinder exorbitant angestiegen ist. Forscher haben heraus gefunden, dass Kinder nur selten kurzsichtig werden, wenn sie genügend Zeit im Freien verbringen. In Singapur werden jetzt die Kinder vom Staat zu Freizeit im Freien verdonnert. Sie müssen raus, ob sie wollen oder nicht. Die Erfolge im Kampf gegen die Kurzsichtigkeit gibt dem staatlich angeordneten Zwang jedoch Recht. Dort ist die Kurzsichtigkeit stark rückläufig.

Bei uns wird sie wohl noch eine Weile steigen, bis man darauf kommt, dass man das Licht der Sonne kostenlos als Medizin nutzen kann. Freizeit im Freien kann man also gar nicht genug haben.

Also in den 1980ern musste man sicherlich Samstags nicht zur Schule.

Bedenke das die Schule heute teilweise bis 16 Uhr geht. Früher war spätestens 14.00 Schluss. Ich sage wir hatten damals mehr Freizeit.

Haben die Jugendlichen von heute das überhaupt, "mehr Zeit"? Die besitzen doch auch die "Zeitfresser" von dieser Zeit en masse. Hatten wir nicht "Fakebook, Insta, (un-)soziale Medien" - wir spieleten einfach oder didkutieren täglich über die Welt und unsere "No Future".

Früher war Schule auch nur am 1., 3. und 5. Samstag. Zumindest in manchen Bundsländern.

Und man hatte auch schon mal um 13.05 Uhr oder 14.10 "frei". Das war so in den 70ern und 80ern letzten Jahrhunderts.

Heute kann es so aussehen: Mit der Ganztagsschule ist es doch oft etwas später, bis man nach Hause kommt. ("Unsere Kinder kommen an 5 Tagen erst um viertel nach vier nach Hause...", Anm. des Autors).

Und anschließend wird im Supermarkt Regale aufgefüllt von den 16jährigen und älteren Kindern. Oder an der Tanke gejobbt. Oft bis 21 Uhr.

Und die berufstätigen Eltern haben dann wenigstens mal am WE Zeit für den Nachwuchs. Einmal ein gemeinsames Frühstück pro Woche.

Die Scheidungskinder, die beispielsweise im Alter von 10 Jahren von Erfurt nach Göttingen mit dem Zug am Freitagabend oder Samstagmorgen reisen, mal außen vor gelassen.

Bist Du bereits in 2018 angekommen, in dieser heutigen Gesellschaft?

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Jede Menge, lerne noch immer dazu.

mistergl  24.01.2018, 23:50

Sehr schön. Ich mag ne gute Portionen Zynismus bei der Argumentation;)

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