Gibt es die Zeit wirklich oder ist diese nur Illusion?

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Was ist Zeit?

Dass Zeit eine Illusion sei, hat daher schon Albert Einstein behauptet und wurde vor allem von Stephen Hawking als einer der letzten reduktionistischen Physiker mit der "Kurzen Geschichte der Zeit" in die Welt gesetzt. Inzwischen ist er aber selber davon abgerückt und erkennt den thermodynamischen Zeitpfeil an.

Dass Zeit keine Illusion sei, dass das Universum weder deterministisch noch reduktionistisch sei, sondern dass Irreversibilitäten und Instabilitäten das Universum bestimmen, zeigte Ilya Prigogine in seiner Theorie Dissipativer Strukturen, für die er 1977 den Nobelpreis erhielt. In dieser Theorie zeigt er, dass der Zeitpfeil real existiert und Zeit daher keine Illusion sei und daher auch niemals rückwärts laufen könne. Das musste am Ende auch Hawking akzeptieren, siehe hier:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13522084.html

Die Gesetze der klassischen Physik, wie z.B. der 1. HS (Energieerhaltungssatz) sind zeitsymetrisch (Vergangenheit und Zukunft sind gleichwertig, die Gleichungen funktionieren vorwärts und rückwärts). Damit können aber nur Zustandsänderungen, aber keine dynamischen Prozesse mathematisch erfasst werden.

In der klassischen Dynamik stellt Zeit die vierte Dimension dar, sie ist ein geometrischer Parameter. Dieses ist die externe Zeit t, die man mit der Uhr misst. Aus verschiedenen Gründen ist diese Zeit aber nicht geeignet, instabile Systeme fernab des thermodynamischen Gleichgewichtes zu beschreiben. Das einzige dynamische Beispiel innerhalb der klassischen Dynamik, bei der Zeit überhaupt eine Rolle spielt, ist die Beschleunigung. Und die ist zeitsymetrisch, was bei einer geometrischen Betrachtung der Zeit nicht verwunderlich ist. Bei statischen Vorgängen, wie Bewegung eines Punktes im Raum oder Wellenausbreitung in der Quantenphysik wird ebenfalls die externe bzw. kosmologische Zeit t benutzt, also die Zeit des Reduktionismus.

Durch die Verleugnung des Zeitpfeiles hat der Reduktionismus mit 3 wesentlichen Paradoxa zu tun:

1. Das Zeitparadoxon: Hatten wir schon ausführlich diskutiert und beschreibt den Widerspruch zwischen der reduktionistischen Betrachtung, bei der Vergangenheit und Zukunft gleichwertig sind und der Beobachtung der dynamischen Natur, nach der es eben nicht so ist. Diese Paradoxon löst Prigogine mit seiner Betrachtungsweise auf.

2. Das Quantenparadoxon: Auf der einen Seite beschreibt die Schrödingergleichung die Wellenfunktion innerhalb der Quantenmechanik, auf der anderen Seite bricht diese Wellenfunktion aber bei Messungen zusammen. Man spricht vom Kollaps der Wellenfunktion. Schrödingers Katze beschäftigt sich mit diesem Problem. Viele Physiker meinen, diesen Zusammenbruch der Wellenfunktion verursacht der Beobachter durch seine Messung. Über das Thema wird eigentlich seit Entstehung der Quantenphysik bis heute unter den klassischen Physikern gestritten. Da Prigogine nicht mehr reduktionistisch sondern probabilistisch an das Problem herangeht, löst der dieses Paradoxon auf, indem bei seiner Betrachtungsweise kein Zusammenbruch einer Wellenfunktion mehr vorkommen kann.

3. Das kosmologische Paradoxon: Laut Hawking führt die reduktionistische, zeitsymetrische Betrachtung des Kosmos zu der Vermutung, dass der Urknall einen rein geometrischen Charakter haben könnte, bei dem die Zeit eine zufällige unwesentliche Eigenschaft sei. Die kosmologische Zeit wäre daher reine Illusion.

Paradox wird es nach Prigogine deswegen, weil damit jeglicher Zusammenhang zwischen Sein und Werden verleugnet würde.

Nun weist Prigogine darauf hin, dass schon Aristoteles durch Naturbeobachtung erkannte, dass Zeit zwei unterschiedliche Qualitäten haben kann. Er unterschied zwischen der Zeit als "Bewegung" (kinesis) und der Zeit als "Entstehung und Verfall" (metabole). Die erste Zeit ist die Zeit der klassischen Dynamik, die zweite ist die Zeit der Thermodynamik. Um genau diese zweite thermodynamische Zeit geht es in der Theorie dissipativer Strukturen.

Die thermodynamische Zeit ist eng an Irrevesibilität und Instabilität gebunden. In stabilen reversiblen Systemen gibt es sie nicht. Prigogine nennt sie auch die innere Zeit.

In seiner Theorie dissipativer Strukturen weist Prigogine tatsächlich sowohl theoretisch als auch gestützt durch Experimente nach, dass Irreversibilität schon auf Quantenebene intrinsisch auftritt (intrinsisch: real im System vorhanden, also keine Gedankenkonstruktion). Da die innere Zeit direkt von der Irreversibilität abhängt, ist auch die innere Zeit intrinsisch und tatsächlich vorhanden, was er ebenfalls theoretisch und experimentell belegt.

Irreversibiltät wird durch den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik beschrieben. In der klassischen Dynamik ist der 2.HS sowieso ein Fremdkörper. Sie wird von vielen Reduktionisten so interpretiert, dass Irreversibilität, also die Abweichung von der Zeitsymetrie aller anderer grundlegender Naturgesetze letztlich nur Rundungsfehlern bzw. unserem Unwissen geschuldet sei. Diese Meinung vertrat in seiner Frühzeit auch Einstein, relativierte sie im Alter allerdings deutlich, indem er feststellte, dass die Aussendung eines Signals immer irreversibel sei (altes japanisches Sprichwort: "Einen abgeschossenen Pfeil und ein gesprochenes Wort holt niemand zurück").

Prigogine lehnt den 2.HS als "Maß für unser Unwissen" ab und postuliert in seiner Theorie, dass der 2.HS ein grundlegendes Naturgesetz sei.

Der 2. Hauptsatz sagt absolut, dass Entropie immer zunimmt. Sie kann zwar in Systemen fernab des thermodynamischen Gleichgewichtes lokal durch Entropieexport sinken, dafür nimmt dann aber die Entropie der Umwelt überproportional zu

Die physikalische Quelle der Irreversibilitäten verortet Prigogine bei Quantenfluktuationen und der Hintergrundstrahlung.

Er schreibt in "Die Gesetze des Chaos":

"Der "Urknall" zeigt uns, dass es einen bestimmten Moment gibt, in dem die Materie, wie wir sie kennen, aus dem Quantenvakuum hervorgeht. Wir waren schon immer der Ansicht, dies sei das irreversible Phänomen schlechthin, und haben versucht, es als eine Irreversibilität zu analysieren. Das Universum bildet ein Ganzes, und die Existenz eines einzigen Zeitpfeils hat eine kosmologische Ursache.

Dieser Zeitpfeil ist stets gegenwärtig und es besteht darüberhinaus ein enger Zusammenhang zwischen Irreversibilität und Komplexität. Je höher der Komplexitätsgrad - Chemie, Leben, Gehirn -, desto offenkundiger ist der Zeitpfeil. Das entspricht genau der konstruktiven Rolle der Zeit, die in den eingangs beschriebenen dissipativen Strukturen so offenkundig ist."

"Die Zeit" ist ein mathematisches/physikalisches Konzept zur Beschreibung der Wirklichkeit.

Da die meisten Menschen dieses auch verwenden, scheint es tatsächlich zu existieren.

Einen greifbare physische Entität namens Zeit - losgelöst von den anderen physische Objekten dieser Welt - gibt es dagegen nicht.

Zeit ist das, was man an der Uhr abliest. ~Albert Einstein

grtgrt  20.02.2018, 13:40

Was wir als » Zeit « begreifen, ist nichts anderes als ein Prozess laufender Zustandsveränderung: Wir und alles, was wir wahrnehmen, verändert sich ständig.

Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie macht uns klar: Zeit (und Raum) sind relativ, d.h. für jeden Beobachter mehr oder weniger unterschiedlich definierte Projektionen raumzeitlicher Abstände.

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Doch, es gibt "Zeit".

Aber halt nicht echt "Die Zeit".

Du wirst mit 80 Jahren definitiv anders drauf sein, als mit 20 Jahren.

Wie schnell die Zeit vergeht... okay, das ist relativ...

Aber sie vergeht.

Und ausschließlich vorwärts.

Rückwärts könnte sie nur gehen, wenn Geschwindigkeiten über der Lichtgeschwindigkeit (im Vakuum) möglich wären. Sind sie aber nicht. Und genau das ist das Fundament von Einsteins Relativitätstheorien.

Das "Zwillingsparadoxon" besagt nur, dass du "relativ" (also vergleichsweise) weniger schnell altern würdest, wenn du dich in einem Raumschiff mit extremer Geschwindigkeit bewegen würdest, und dein Bruder auf der Erde bleibt.

Aber die längere Zeit in diesem Raumschiff ist auch nur "relativ". Heißt, du bekommst selbst gar nicht mit, dass du eigentlich länger lebst.

Beispiel:

Du setzt dich in ein Raumschiff mit 90 % der Vakuum-Lichtgeschwindigkeit. Dein Zwilling bleibt auf der Erde.

Ihr verbringt beide eure Zeit ausschließlich damit, zu zählen. (1, 2, 3....)

Sobald du die Billion voll hast, landest du wieder auf der Erde.

Falls dein Zwilling noch lebt, dürfte er auch etwa bei einer Billion sein.

Möglicherweise ist er aber schon an Altersschwäche gestorben, während du noch ein mittleres Lebensalter hast und nicht völlig dement bist.

In der Zeit, die du "zusätzlich" bekommst, kannst du aber grundsätzlich nicht mehr tun, als dein Zwilling ohne zusätzliche Zeit.

Deine subjektiv empfundene Lebenszeit wird nicht länger!

Es läuft nur auf den Effekt einer einseitigen Zeitmaschine heraus:

Man könnte dich damit einige Jahre, Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte Menschheitsgeschichte überspringen lassen.

Auf Kosten eines extrem hohen Energieaufwandes. Und auf Kosten etlicher Jahre der extremen Langeweile für dich.

Hmpf...

Liebe Grüße,

Tanja