Gedichtinterpretation: Unterschied zw. Analyse und Interpretation
Hallo, zur Zeit verzweifel ich gerade an einer Gedichtinterpretation von Ulla Hahns "Nie mehr" ( http://herzkotze.tumblr.com/post/40460761405/nie-mehr-ulla-hahn-1988 ), da unser Lehrer gesagt hat, wir sollten Analyse und Interpretation trennen. Dies fängt schon in Vers 2 an:
Das ums Telefon streichen zeigt offensichtlich dass das lyrische Ich auf jemanden wartet, aber ich das jetzt nur eine Erklärung der Metapher und somit Analyse oder schon interpretiert?
Denn dann könnte ich in der ersten Strophe ja eigentlich nur den Paarreim nennen und die Wiederholung des ersten Verses.
Und genau dieses Problem habe ich im gesamten Gedicht, kann mich da jemand allgemein aufklären bitte?
2 Antworten
Die geforderte Trennung bedeutet nach meinem Dafürhalten, daß zunächst eine formale ( Metrum, Rhythmus, Vers- und Strophenbau, vorhandene Reimschemata sowie rhetorische Figuren ...) und inhaltliche (also rein semantisch ohne interpretative Anteile) Analyse erstellt werden soll, ehe Du zur Interpretation übergehst.
Guten Abend, eine Gedichtsanalyse beinhaltet lediglich den Aufbau eines Gedichtes (Form, rethorische Mittel usw.). Bei einer Gedichtsinterpretation geht man mehr auf den Sinn eines Gedichtes ein. Ich hoffe ich konnte helfen!
Als pars pro toto für die Liebe???????
M.E. ist dies weder semantisch noch kontextsensitiv begründbar, daß hier die Briefe überhaupt als pars pro toto eingeführt seien, insofern wäre schon diese formale Zuordnung nicht nur eine Interpretation, sondern eine unzulässige Interpretation.
Und - Liebe? Gerade bei Lyrik sollte man etwas differenzierter denken, also Liebe, Verliebtheit, Schwärmerei (alles nach außen gerichtet, aber ein Unterschied hinsichtlich der Impulse) und die eigene Auseinandersetzung mit diesen Gefühlen (nach innen gerichtet) unterscheiden. Du könntest an der Stelle sogar mit gleicher wenn nicht sogar größerer Berechtigung die Briefe als Symbol für einen emotionalen Kontrollverlust einführen, zumal die verwendeten Bilder allesamt dem Klischee einer "Schulmädchenschwärmerei" entnommen sind und das Gedicht selber durchgängig im Spannungsfeld einer Differenz (nie mehr gewollt - nie so sehr gewollt) steht.
Was man nicht begründen kann, hat dabei aber weder etwas in der Analyse (merke: die Verwendung von Termini, welche in den Kontext der Analyse gehörten, ist noch nicht einmal notwendig, geschweige denn hinreichend dafür, daß hier wirklich eine Analyse vorläge) noch in der Interpretation zu suchen, sondern stellte nur eine freie Assoziation dar.
Ja ein bisschen schon, aber wie sieht es z.B. bei "Nie mehr" in Vers 6 aus: Die Briefe stehen da als pars pro toto für die Liebe, das wär ja dann eigentlich nur eine Erklärung des rhetorischen Mittels, aber irgendwie hab ich da ja auch schon ziemlich viel interpretiert oder nicht?