Biedermeier Interpretation / Analyse?

1 Antwort

O Morgenrot, ich glühe
Von deinem Jugendblut.

Rot hat kein Blut, sondern Blut ist rot. Und von Blut glüht der Mensch nicht, stattdessen glüht die Sonne, also das Morgenrot.

Ob es poetische Absicht ist, dass hier Eigenschaften auf andere Objekte überspringen?

Ansonsten deutet "Jugend"-Blut auf den jungen Tag hin, wie man den frühen Tag auch nennt: "Der Tag ist noch jung, lasst uns etwas unternehmen!"

Nun könnte es sein, dass mit "deinem" nicht das Morgenrot gemeint ist, sondern ein (junges) Mädchen (Jugendblut!), das das lyrische Ich anspricht und mit dem es die Nacht verbracht hat. Dann könnte "ich glühe" auch die Nachglut einer wilden sexuellen Erfahrung beschreiben, deren Wildheit eben auch durch die Jugendlichkeit des Partners gekennzeichnet sein könnte. "Wildes Blut" steht ja auch bildhaft für entfesselte geschlechtliche Leidenschaft.

Auch könnte mit "Morgenrot" direkt der Partner der Nacht angesprochen worden sein, der den anderen Partner wie eine Sonne erwärmt, ja glühen lässt trotz der Winterkälte (Winterfrühe!).

2.Es glüht der alte Felsen,
Und Wald und Burg zumal,
Berauschte Nebel wälzen
Sich jäh hinab das Tal.

Wenn das lyrische Ich ein alter Mann wäre, könnte er sich mit "der alte Felsen" selbst beschreiben, der sich wundert über sein Glühen - und berauscht und benebelt ist von der beim Partner erlebten und/oder von der in ihm entfachten Leidenschaft.

"Wald und Burg" könnte ich dabei allerdings nicht als Metaphern einordnen. Stehen die doch für eine Landschaft, die das lyrische Ich aus dem Fenster sieht oder auf einer Wanderung, dann bewirkte wohl die Sonne, dass der Nebel der Nacht schnell verschwindet, trotz Winterzeit, und die Schönheit der Natur wieder sichtbar wird und bewunderbar - Motive, die an die Romantik erinnern, aber sicher auch von Biedermeiern nicht verschmäht wurden ;-).

Gruß aus Berlin, Gerd

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Journalist, Buchautor, Dichter, wissenschaftlicher Lektor