"Gebe" oder "Gib" - Wie lautet es richtig?

4 Antworten

indiachinacook
Von gutefrage auf Grund seines Wissens auf einem Fachgebiet ausgezeichneter Nutzer
Deutsch, Sprache, Grammatik
16.10.2021, 00:18

Geben ist ein starkes Verb mit e/i-Wechsel (ich gebe, du gibst, er gibt). In solchen Fäl­len muß auch der Imperativ ein i enthalten, und er ist immer endungslos: gib!

(Die Ausnahme dazu ist sehen. Normalerweise verwendet man den regulären Impera­tiv sieh!, aber für Verweise auf Stellen in Büchern sagt man immer siehe!)

Auch bei anderen starken Verben plädiere ich grundsätzlich für endungslose Impera­tive (schwim­men, lassen, braten, holen, reiten, …), in ein paar Fällen (bieten, bitten) ge­fällt mir aber die Form auf -e besser. Schwache Verben nehmen ein -e, das in man­chen Fällen auch gerne weggelassen wird — das hängt einfach davon ab, welche Kon­so­nan­ten­cluster man am Wortende tolerabel findet.
Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik
spanferkel14  16.10.2021, 00:46

Ich stimme dir in allem zu, aber bei der Infinitivstamm-Endung t/d/ig ist das "e" im Standarddeutsch m.E. zwingend, z.B.

  • warten, arbeiten, gestalten, bitten, bieten: Warte mal! Arbeite jetzt! Gestalte deine Ferien, wie du willst! Bitte ihn um Ruhe! Biete ihr einen Kaffee an!
  • senden, binden, wenden, bilden: Sende mir ein Foto! Binde dir die Schuhe zu! Wende die XYZ-Methode an! Bilde dir bloß nichts ein!
  • entschuldigen, reinigen, beseitigen, beschäftigen: Entschuldige dich bei ihnen! Reinige bitte das Klo und beseitige deine Schleifspuren! Beschäftige dich doch mal mit der Klassik!

Im Dialekt oder in manchen Verbindungen ist umgangssprachlich eine Verkürzung möglich, z.B.: Wart's nur ab! Wart' 'mal!

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indiachinacook  16.10.2021, 02:20
@spanferkel14

Ich halte die t/d-Regel bei starken Verben nicht für allgemeingültig — in manchen Fällen bleibe ich eher ohne -e, z.B. lad!, brat! oder halt! (vielleicht weil ich aus dem Süden komme). Der Duden erlaubt beides.

Bei starken Verben mit e/i-Wechsel (birst!, schilt!, ficht!, gilt!) halte ich Formen auf -e für unmöglich. Der Duden gibt mir recht (soll ich mir Sorgen machen?), aber Belege sind schwierig zu finden, weil die Verben selten im Imperativ gebraucht werden. Das einzige mit vielen Belegen ist schilt!, es gibt aber auch ein Gegenbeispiel aus dem Werther (Schelte mich nicht, wenn ich dir sage …).

Schilt oder lobe meine Tat, Diego! (Schiller, Die Braut von Messina)
Schilt nicht, o König, unser arm Geschlecht. (Goethe, Iphigenie auf Tauris)
O schilt das goldne Jugendalter nicht! (Grillparzer, Das Goldene Vlies)

Die Ausnahme zur Regel ist werden, das ja auch sonst gerne aus der Reihe tanzt.

Bei schwachen Verben auf -t stimme ich Dir vollständig zu.

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spanferkel14  16.10.2021, 03:44
@indiachinacook

Es fällt mir schwer, will sagen, es gelingt mir nicht, Beispiele zu finden, um dir zu widersprechen. Kurz, ich gebe mich auf ganzer Linie geschlagen. 😂🤗

Obwohl ich ein Fischkopp bin, sage ich nämlich auch eher "Lad ihn doch auch ein! / Brat den Fisch bitte nur ganz kurz an! / Halt 'mal an!" als die Imperativ-Form mit -e. Allerdings mache ich da normalerweise einen Apostroph (wie bei meinem "Wart' 'mal!"-Beispiel).

Bei den Imperativ-Beispielen, die du dann ausgegraben hast (Birst! Ficht!), ging's mir so: 🤣🤣! Herrlich! Ach, die Beschäftigung mit Sprache kann so viel Spaß machen. Ich treffe in meinem Alltag leider nicht auf allzu viele Menschen, die das ähnlich vergnüglich finden wie ich. Keines der von dir genannten Verben habe ich jemals im Imperativ gebraucht. Hast du ein Beispiel mit "Gilt!"? Auch wenn nicht, hast du natürlich recht.

Ich wünsche dir eine gute Nacht und ein angenehmes Wochenende! LG vom 🐷

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indiachinacook  16.10.2021, 16:08
@spanferkel14
Vergilt den Segen, den sie dir gebracht,
Und laß des nähern Rechtes mich genießen!
(Goethe, Iphigenie auf Tauris)

Ich habe auch ein Beispiel bei fechten gefunden, nämlich Ficht, König, mit den Toten! bei Grillparzer (König Ottokar). Meine Autorenliste ist allerdings nur 4 Autoren lang, also ist das ganze nicht sonderlich repräsentativ.

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indiachinacook  16.10.2021, 16:45
@indiachinacook
Kurz, ich gebe mich auf ganzer Linie geschlagen.

Dieser Satz hat mich übrigens lesetechnsch an meine Grenzen geführt. Ich mußte ihn drei­mal lesen, bis ich endlich verstanden habe, was er bedeutet und daß Du mich nicht mit dem jüngsten Doppelexbundeskanzler aller Zeiten verwechselst.

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spanferkel14  16.10.2021, 18:12
@indiachinacook

Immer warte ich auf den Lacher des Tages. Du hast ihn mir gerade beschert, nachdem ich mal ganz KURZ auf der Leitung gestanden habe. Ich lache immer noch, bin ganz heiser.🤣

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indiachinacook  16.10.2021, 19:00
@spanferkel14

Dein Aufderleitungstehen war meine subtile Rache an Dir. ☺ Echt, ich habe in der letzten Woche soviel über den Kurzkanzler gelesen, daß das Wort Kurz für mich vermutlich lebenslänglich vergiftet bleiben wird.

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Von Experte adabei bestätigt
spanferkel14
Von gutefrage auf Grund seines Wissens auf einem Fachgebiet ausgezeichneter Nutzer
Deutsch, Sprache, Duden
16.10.2021, 00:10

Der Imperativ lautet: "Gib mir bitte die Chance!"

Dies gilt bei allen Verben mit Vokalwechsel "e -> i, eh -> ieh" in der 2. und 3. Person Singular Präsens.

  • sehen (du siehst): Sieh 'mal her!
  • lesen (du liest): Lies doch einfach den Text!
  • geben (du gibst): Gib mir etwas Zeit!
  • nehmen (du nimmst): Nimm dir, was du brauchst!
  • stehlen (du stiehlst): Stiehl mir nicht die Zeit mit deinen dämlichen Fragen!
  • befehlen (du befielst): Befiehl ihm doch, das zu unterlassen!
  • verbergen (du verbirgst): Verbirg dich hinter der Tonne!
  • etc.