Falsche Benutzung von Kursivschrift für Betonungen in Romanen?


07.08.2022, 11:57

Und das fällt mir bei vielen Romanen auf. Gibt es dahinter einen Sinn, den ich nicht verstanden habe, oder sind das Fehler im Editing?

6 Antworten

Als antwortende Person würde ich in deinem Beispiel auch eher "hatten" betonen, um klarzustellen, dass wir zwar Salz hatten, aber jetzt keins mehr da ist. Denn nur mit dieser Betonung ergibt es einen Sinn, dass ich auf die Frage, die mir im Präsens gestellt wird, im Präteritum antworte.

Allerdings ist es gar nicht nötig, "hatten" kursiv zu schreiben. Der Leser wird für sich gedanklich auch automatisch das Verb betonen. Ohne weiteren Kontext dient die Frage der Frau ja nur der Rückversicherung. Sie erwartet also ein Ja, sonst hätte sie ihre Frage nicht in affirmativer Form gestellt. Die Antwort, in der auf Ja oder Nein verzichtet wird, aber "hatten" betont wird, ist als Kritik (oder je nach Kontext als Bedauern) zu verstehen. Autoren müssen in der Regel keine zusätzlichen Lese- und Interpretationshilfen durch Kursivschrift geben. Wenn ihre Texte gut geschrieben sind, ist das nicht nötig.

Was vielleicht von der Interpretation her auch noch in Frage kommt: Wir hatten Salz, haben aber jetzt keins mehr, im Gegensatz zu allen anderen, die (immer noch) Salz haben. Dann sähe der geschriebene Satz aber wohl so aus: "Wir ... hatten Salz", also: betontes "wir" (wiiia😡), dann unheilschwangere Denkpause und schließlich ein lakonisches, betontes "hatten".

----------------------

Vielleicht handelt es sich ja bei den Romanen, von denen du sprichst, um "Werke" von Hobby-Schreibern. Da ist alles möglich, von hirnrissigen Stories über Rechtschreibfehler bis hin zu übelsten Fehlern in Struktur, Grammatik und Ausdruck. Da ist wohl auch eine falsche Betonung denkbar, oder etwa nicht?

Zephyrion03 
Fragesteller
 07.08.2022, 13:19

Kein Hobbyschreiber, sondern ein professionell editierter Roman. Deswegen bin ich ja verwirrt, dass das "wir" kursiv ist. Generell habe ich das Problem, dass bei vielen Romanen derselbe Fehler auftritt mit Betonungen auf Wörtern, die neben den Wörtern stehen, die eigentlich betont werden sollten. Vielleicht liegt das ja auch daran, dass diese Bücher aus dem Englischen übersetzt werden, aber dieser Fehler können doch nicht jedem zweiten Lektor entgehen, oder?

0
spanferkel14  08.08.2022, 04:20
@Zephyrion03

Dann verstehe ich's auch nicht. Ich kenne aber überhaupt keine Bücher, in denen die Autoren irgendwelche Wörter kursiv drucken, um anzuzeigen, dass diese inhaltlich von besonderer Bedeutung sind. Gute Schriftsteller schreiben normalerweise so, dass sie es dem Leser überlassen können, ihre Intentionen zu verstehen. Die Autoren brauchen dem Leser nicht auf die Sprünge zu helfen.

Wenn das nötig ist, dann ist meiner Auffassung nach der betreffende Text nicht gut, vielleicht sogar richtig schlecht, formuliert. Deshalb habe ich ja auf Hobby-Autoren getippt, Autoren also, die ihre Werke entweder selbst verlegen oder von irgendeiner Klitsche verlegen lassen müssen, denn bei renommierten Verlagen kriegen sie natürlich keinen Fuß in die Tür.

0

Wow da würde mir echt die Lust auf Romane vergehen. Die sollten lieber auf diese Art von Formatierung verzichten. Das grenzt an Körperverletzung.

Ist das ein bestimmter Verlag oder ist das bei allen so?

Wenn die Leser in dem jeweiligen Zusammenhang automatisch von sich aus das richtige Wort betonen würden, bräuchte ein Autor gar nicht erst mit Kursivschrift nachzuhelfen.

Ich habe gerade mal in meinem Romanmanuskript nachgeschaut, wo ich Kursivschrift verwendet habe. Ein Beispiel von mir:
"Du bist zum Glück direkt unter dem Auge getroffen worden."
Da würde ein Leser wohl auf Anhieb das Wort "Auge" betonen.
Deshalb habe ich das Wort "unter" kursiv gesetzt, damit der Leser den Sinn der Aussage so versteht, wie ich ihn meine: Zum Glück wurde nicht das Auge getroffen, sondern eine Stelle darunter: alles halb so schlimm.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
spanferkel14  08.08.2022, 04:22

Das weiß der Leser auch, wenn du unter nicht in Kursivschrift hervorhebst. Die Kursivschrift entlarvt dich eher als Hobby-Autor, als dass sie etwas zur Erhellung des Textinhalts beiträgt. Durch zum Glück wird schon in aller Deutlichkeit ausgedrückt, dass es nicht schlimm ist. Warum ist es nicht schlimm? Weil's unter dem Auge ist.

1
Corinna2015  09.08.2022, 06:59
@spanferkel14

Danke für den Hinweis. Ich werde das im Hinterkopf behalten und ganz am Ende, wenn der Inhalt feststeht und der Sprachstil an die Reihe kommt, kritisch alle Stellen mit Kursivschrift hinterfragen.
Ich habe schon eine lange Liste mit sprachlichen Unschönheiten, die am Ende überarbeitet werden müssen. Allen voran mein inflationärer Gebrauch von "ganz", "wirklich" und "kurz". Dagegen fällt alle 25 Seiten mal Kursivschrift gar nicht ins Gewicht.
Und die gestrenge Papyrus-Autor-Stilanalyse markiert mir leider jedes dritte Wort, wenn ich sie einschalte...

0
spanferkel14  09.08.2022, 07:54
@Corinna2015

Ja, wohl jeder hat bestimmte sprachliche Macken drauf. Man merkt es oft erst, wenn man einen eigenen längeren Text noch mal durchliest. "Ganz" und "wirklich" gehören bei mir auch dazu. Zum Glück schreibe ich nicht für irgendeine Leserschaft, sondern nur manchmal längere Mails an Freunde. Und denen ist's wurscht, wie ich schreibe, Hauptsache, es ist amüsant und sie können ab und zu mal nen Lacher loswerden. Ansonsten beschränkt sich meine Schreiberei auf GF-Antworten und Kommentare sowie gelegentliche formale Schreiben.

Ich habe keine Ahnung, was eine Papyrus-Autor-Stilanalyse ist. Egal, was es ist, ich würde so was nie einschalten. Ich lass mir doch meinen Stil nicht vorschreiben. Deshalb habe ich auch die Rechtschreibfunktion ausgeschaltet. Wenn schon, dann mache ich meine eigenen Fehler. Aber ich lasse mir keinen Text von einem Computerprogramm verschlimmbessern.

1
Corinna2015  09.08.2022, 09:22
@spanferkel14

Ich schreibe gezielt für eine bestimmte Leserschaft und möchte mein Romanmanuskript ganz ernsthaft drei bestimmten Verlagen anbieten, wenn es fertig ist. Dann soll natürlich auch der Schreibstil schön zu lesen sein.

Papyrus Autor ist ein Schreibprogramm, das unter anderem - wenn man die Funktion einschaltet - auf mögliche Stilfehler aufmerksam machen kann.
Ich denke schon, dass mir die Stilanalyse am Ende bei der Überarbeitung helfen wird. Ich bin absolut deiner Meinung, dass ich nie einen Vorschlag blind übernehmen würde und meinen Text nicht verschlimmbessern lassen will. Aber es wird ganz bestimmt eine große Arbeitsersparnis, wenn ich nachher nicht selber raussuchen muss, wo ich extrem lange Sätze habe, wo sich Adjektive häufen, wo Füllwörter wie "eigentlich" und "irgendwie" stecken und so weiter. Das Programm sagt einem sinngemäß sogar solche Sachen wie: "Hier, schau mal, da hast du 'er machte...' geschrieben, findest du für 'machen' vielleicht ein spezifischeres Verb?"

1
spanferkel14  09.08.2022, 11:06
@Corinna2015

Das klingt gut! Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Gute und sage "Toi toi toi!", wenn du deinen Roman den präferierten Verlagen vorlegst. Ich habe keine Ahnung, was man Autoren wünscht, aber wenn ihr genauso abergläubisch seid wie viele Schauspieler, dann mache ich mit "Toi toi toi!" 🍀 jedenfalls keinen Fehler.

1

Vielleicht bezog sich die Frage nicht aufs Salz, sondern auf die angesprochenen Personen: "Ihr habt Salz?"
Also beziehen sich die Antwortenden auf sich: "Wir hatten Salz".

Dann wäre es auch noch eine Frage der Satzstellung: "Habt ihr Salz?", wäre eher so betont worden: "Wir hatten Salz."

Zephyrion03 
Fragesteller
 07.08.2022, 11:54

Danke für die Antwort, aber leider trifft dein erster Vorschlag nicht zu. Um die Situation näher zu beschreiben:

"Sie" und "er" führen jeweils eine andere Gruppe von Leuten an. Sie ist bei seiner Gruppe zu Besuch. Er redet von Salz. Sie fragt verwundert:"Ihr habt Salz?" Er sagt:"Wir hatten Salz. Unsere Besetzer haben nämlich schon alles aufgebraucht."

Demnach müsste "hatten" betont werden und nicht "wir".

0
Zephyrion03 
Fragesteller
 07.08.2022, 13:22
@kiniro

Jetzt, wo ich es weiter ausgeführt habe, hast du eine Antwort, warum das "wir" kursiv ist und nicht das "hatten"?

0

In deinem Beispiel würde die Betonung auf "hatten" auf jeden Fall mehr Sinn machen.

eddiepoole  01.03.2023, 20:06

Danke, wenigstens einer hier, der wirklich auf die Frage eingeht.

0