epikur zu glauben

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Das ist kompliziert und setzt voraus, dass man die Erkenntnistheorie Epikurs verstanden hat. Epikur besteht darauf, alles DIESSEITIG ohne Zuhilfenahme von Götterwirken, höherer Geistwirkung usw. zu erklären. Das verwechseln viele damit, dass er deswegen ein "platter Materialist" sei. Er verlangt lediglich, dass sich alle Erklärungen in der Erfahrung wiederfinden müssen. Aber: Erfahrung ist etwas Zusammengesetztes. Es besteht aus den Inputs unserer äußeren und inneren Sinne und unseren Interpretationen, die gesellschaftlich-kulturell geprägt sind. Ein Begriff wie "Stuhl" ist bereits eine Zusammensetzung aus mehreren verknüpften Sinneninputs: Dem optischen, dem akustischen (wenn man darauf klopft, man erwartet ein Geräusch, wenn man ihn bewegt), dem haptischen (fest und hart) und - beim Stuhl in geringerem Maße - dem Geruch und Geschmack. Zum Begriff "Stuhl" gehört auch der Gebrauch und meine und die zwischenmenschlich geteilten diesbezüglichen Erwartungen daran.

Was "Götter" angeht, im damaligen Griechenland war das die allgemeine Vorstellung, hat Epikur festgehalten, dass der Begriff "Götter" eine Basis haben muss. Weiter hat er festgestellt, dass zwischen zentralen definitorischen Qualitäten (unsterblich, glücklich) und anderen Ausschmückungen (sie haben teils die misesten Eigenschaften der Menschen wie Neid, Zorn, Missgunst) eklatante Widersprüche bestehen. Da viele Ausschmückungen der Götter auffallend darauf zielen, den Menschen Angst zu machen, sie im Zaum zu halten, sie sozusagen von außen zu dirigieren von seiten der Mächtigen und der mit ihnen kooperierenden Priesterschaft, sie zu ihren Marionetten zu machen, legte er vor allem Wert darauf, vor allem diese Angst begründenden Vorstellungen zu bekämpfen. Er hat damit z.B. die einzig richtige Lehre aus dem Todesurteil gegen Sokrates gezogen! Auch Sokrates war "Gottlosigkeit" und "Verführung der Jugend" vorgeworfen worden, weil er sich nicht von der Drohmacht der Götter leiten lies sondern von seinem Daimonion, das er als "guten Gott in sich" interpretierte. Auch das entzog den Priestern und Mächtigen die Marionettenstrippen und darum haben sie ihn um die Ecke gebracht. Dass man Epikur "Gottlosigkeit" vorgeworfen hat, verwundert also nicht, weil er sich gegen die Angst-nutzende Macht des Klerus und der Mächtigen wandte.

Epikurs Begriff von Realität kehrt erst im amerikanischen Pragmatismus Anfang des 20. Jahrhunderts wieder, wo gesagt wurde: Was wirkt, ist real. Beispiel: Auch wenn die religiösen Vorstellungen von Islamisten nicht nachweisbar sind, in ihrer Wirkung, wenn diese mit diesen Vorstellungen viele Menschen töten, sind sie real. Man kann nach Epikur nicht nachweisen, wie real die Göttervorstellungen der Menschen sind, aber die Menschen haben sie, sie haben reale Ursachen und viele Menschen handeln danach. Sie daher als "Nichts" abzutun, wäre fatal und nimmt die Menschen nicht ernst. Epikur hat seine Anstrengungen darauf gesetzt, diesen Vorstellungen der Menschen erst mal die zerstörerische Seite, die angstmachende Seite zu nehmen. Das ist ihm gegen das Christentum nicht gelungen!

Epikur glaube durchaus an die Existenz von Göttern. Ob man ihn deshalb als religiös bezeichnen kann, ist eine andere Frage.

Epikurs Götterbild war folgendes: Für ihn bestanden die Götter, wie alles, aus Atomen. Weiterhin war die Welt für ihn ein rein naturhaftes Geschehen, übernatürliches hatte keinen Einfluss.

Deshalb war Epikur der Ansicht, dass die Götter keinen Einfluss auf die Welt und auf das Leben der Menschen nehmen, was in seinen Augen eine mühevolle und beschwerliche Arbeit war, die die Götter daher nicht auf sich nehmen würden.

Er bestritt auch den Charakter von Göttern als Schöpfer der Welt, die für ihn keinen Anfang und kein Ende hatte. Stattdessen betrachtete er sie nur als absolut glückliche Wesen, also de facto als unsterbliche Version des Menschen, den er mit seiner Philosophie anstrebte.

Das war für ihn auch die Funktion eines Götterkults: Die Götter waren Vorbilder, an denen die Menschen sich orientieren sollten.

Ansonsten kann man noch davon ausgehen, dass Epikurs Götter bis auf die schon genannten Unterschiede die seines Umfelds waren.

Epikurs Auffassung dazu ist in Kurzform:

Götter/Gottheiten existieren.

Götter/Gottheiten sind unsterbliche und glückselige Wesen.

Götter/Gottheiten kümmern sich nicht um die Angelegenheiten der Menschen und lenken nicht die Welt.

Alle Dinge können rein natürlich erklärt werden.

Furcht gegenüber Göttern/Gottheiten ist unnötig und falsch.

Aberglauben soll überwunden werden.

Frömmigkeit gegenüber den Götter/Gottheiten besteht darin, über sie richtige Auffassungen zu haben und sie als Vorbilder zu verehren.

ausführlichere Erläuterung:

Epikur hat die Existenz von Gottheiten angenommen, sie aber für unvergängliche und glückselige Lebewesen gehalten, die sich nicht um die Angelegenheiten der Menschen kümmern und nicht die Welt lenken/leiten/regieren, da Geschäfte, Sorgen, Zornesausbrüche und Gunsterweise mit Glückseligkeit unverträglich seien (Brief an Herodot [Diogenes Laertios 10, 76 – 77]; Brief an Menoikeus Diogenes Laertios 10, 123 – 124]). Erscheinungen am Himmel und auf der Erde, alles, was zwischen Himmel und Erde geschieht, kann nach Epikurs Auffassung natürlich, ohne Einwirkung von Gottheiten, erklären werden und diese Erklärung übernimmt die Naturlehre/Naturphilosophie. Himmelserscheinungen verkünden nicht göttliche Strafen. Furcht vor Göttern/Gottheiten ist tatsächlich der Sache nach unbegründet und falsch. Die Beseitigung solcher Furcht trägt zu einem glücklichen Leben bei (Wegfall einer Beunruhigung der Seele).

Die Existenz von Göttern/Gottheiten ergibt sich aus Epikurs Erkenntnistheorie. Danach ist Erfahrung Grundlage von Wissen/Erkenntnis (dieser Standpunkt wird Empirismus genannt) und zwar die Erfahrung der Sinne (dieser Standpunkt wird Sensualismus genannt). Da Menschen (bildhafte) Vorstellungen von Göttern /Gottheiten haben (dies war bei den damaligen Menschen sehr allgemein so), geht dies nach Epikurs Erkenntnistheorie auf etwas in der Wirklichkeit Vorhandenes zurück.

Sinneswahrnehmung ist nach Epikurs Auffassung ein passiver Vorgang. Es kommt zu einem Abströmen von Atomen von den Oberflächen der Objekte und einem Auftreffen auf das zuständige Sinnesorgan. Die abströmenden Typen (τύποι), die „Bilder“ (εἰδωλα) genant werden und von gleicher Struktur wie das Objekt sind, gelangen durch Poren in die Seele (die nach Epikurs Lehre aus feinen Atomen zusammengesetzt ist) und verursachen in der Seele einen Abdruck. Der Seele kommt in ihrer Hinwendung (ἐπιβολή) zwar eigentlich eine Auswahlfunktion zu, die aber die durch die einströmenden Bilder überbrachte Informationen nicht verfälscht. Die Menschen nehmen die gemäß konkreter Aufeinanderfolge der Bilder erzeugte Vorstellung auf. Die Sinne trügen nach Epikurs Auffassung nicht. Irrtum entsteht durch Deutung des Verstandes/der Vernunft, indem zum Gegebenen etwas hinzu gemeint wird. Der Verstand/ die Vernunft kann in mittelbaren Schlüssen die von der Sinneswahrnehmungen erhaltenen Angaben falsch beurteilen.

Epikur wendet sich gegen ein falsches Verständnis von den Göttern/Gottheiten. Die Masse habe über sie falsche Meinungen. Epikur zeigt durch begriffliche Untersuchung, wie dabei widersprüchliche Aussagen auftreten. Mit Begriffen zu Göttern/Gottheiten, die /der Definition nach feste Wesensmerkmale sind/zum Kern ihrer Eigenschaften gehören, sind weitere Zuschreibungen unvereinbar: Der Begriff von Göttern/Gottheiten als glückselige Wesen schließt aus, daß sie mit den Mühen einer Erschaffung, Erhaltung und Lenkung der Welt und einer Sorge für die Menschen belastet sind. Ihre Glückseligkeit, Unvergänglichkeit/Unsterblichkeit und völlige Unanfälligkeit für Übel (nichts kann ihnen schaden) schließt Affekte wie Zorn, Haß, Neid, Mißgunst und auch begünstigende Gefälligkeit aus. Götter/Gottheiten können unmöglich solche Empfindungen haben und sind nicht durch Gebete und Opfergaben bestechlich.

Epikurs Lehre über Götter/Gottheiten ist zwar von Philosophen gegnerischer Richtungen als atheistisch angegriffen worden, aber dabei handelt es sich um eine unzutreffende vergröbernde Polemik, da Epiker die Existenz von Götter/Gottheiten ausdrücklich angenommen hat.

Götter/Gottheiten sind nach Epikur beste und erhabenste Wesen. Sie zeichnen sich durch Weisheit und Tugend/Vortrefflichkeit aus und haben daran Freude. Sie besitzen selbstgenügsame Unabhängigkeit (Autarkie). Sie genießen Glückseligkeit. Ihre Leben ist von Lust/Freud geprägt, sie haben eine frohe, heitere Gemütsruhe.

Sie bewohnen anscheinend nach Epikurs Auffassung Zwischenwelten (griechisch: μετακόσμια; lateinisch : intermundia; der Ausdruck ist in erhaltenen Texten Epikurs nicht belegt, sondern erst bei späteren Epikureern), verhältnismäßig leere Räume zwischen zahllosen Welten.

Albrecht  05.05.2014, 06:38

Es gibt männliche und weibliche Gottheiten. Sie bestehen aus besonders feinen Atomen und haben Menschengestalt. Unter den Gottheiten werden Freundschaftskreise gepflegt.

Fromm ist, über Gottheiten richtige Auffassungen zu haben. Dies bringt auch Nutzen, indem es glücklich macht. Gottheiten können als überlegene Lebewesen verehrt werden, die vollkommen erreicht haben, wonach Menschen strebend, die Glückseligkeit. Sie sind Vorbilder, die zeigen, wie die Menschen selbst glücklich werden können. Richtige Verehrung gleicht Menschen den Gottheiten an, macht sie ihnen ähnlich.

Malte Hossenfelder, Epikur. Originalausgabe, 3., aktualisierte Auflage. München : Beck, 2006 (Beck'sche Reihe : Denker ; 520), S. 79 – 80):
„Wie die Furcht vor den Göttern die Menschen peinigt, wie sie ihr Dasein verdunkelt, sie erniedrigt und zu Sklaven macht, wie selbst diejenigen, die an sich eine vernünftige und nüchterne Weltsicht haben, angesichts von Naturereignissen, deren Ursache sie nicht kennen, doch wieder schwankend werden und vor Himmelserscheinungen zittern, schildert Lukrez eindrucksvoll in mehreren Passagen (Lucr. I 62 ff. V 83 ff. VI 35 ff.). Um dieser Geißel der Menschen auszurotten, muß nach Epikur der Aberglauben überwunden werden, daß die Götter die Welt regieren. Epikur unternimmt das in zwei Schritten. Zum einen zeigt er, daß es dem Wesen der Götter widerspricht, sich um die Welt zu kümmern. Zum andren führt er vor, wie sich alle Erscheinungen am Himmel und auf der Erde, die die Menschen auf göttliches Wirken zurückführen ebensowohl ohne Einwirkung der Götter erklären lassen.

Den ersten Schritt erledigt er durch ein analytisches Argument. So schreibt er an Menoikeus: „Halte die Gottheit für ein unvergängliches und seliges Lebewesen, so wie der allgemeine Begriff der Gottheit vorgezeichnet ist, und hänge ihr nichts an, was entweder der Unvergänglichkeit fremd oder der Seligkeit unangemessen ist. Glaube vielmehr alles das von ihr, was ihre mit Unvergänglichkeit gepaarte Seligkeit zu bewahren vermag. Denn Götter gibt es, die Erkenntnis ihrer ist evident. Wie sie sich aber die breite Masse vorstellt, sind sie nicht, denn sie bewahrt sie nicht, sowie sie vorstellt. Gottlos ist nicht derjenige, der die Götter der Masse abschafft, sondern der, der den Göttern die Vorstellungen der Masse anhängt, denn die Aussagen der Masse über die Götter sind keine wahren Begriffe, sondern falsche Mutmaßungen. Daher werden die größten Schädigungen und Förderungen von den Göttern hergeleitet, denn da die Masse immer nur mit ihren eigenen Tugenden vertraut ist, akzeptiert sie nur die Gleichartigen, während sie alles, was nicht derart ist, für unangemessen hält (Men. 123 f.). Epikur beschreitet also keinesfalls den Weg des Atheismus, sonder bekräftigt ausdrücklich die Existenz der Götter. Die Furcht vor ihnen sucht er durch bloße Analyse des Begriffs als seliger Wesen zu beheben, indem er dartut, daß Seligkeit sich nicht mit Weltregierung verträgt. Im Herodot-Brief erläutert er dies genauer: „Und bei den Himmelsköpern darf man weder glauben, daß Lauf, Wende, Finsternis, Aufgang, Untergang und was damit zusammenhängt durch die Leitung und die dauernde oder einmalige Anordnung eines Wesens entsteht, das zugleich die ganze Seligkeit im Verein mit Unvergänglichkeit besitzt – denn Geschäfte, Sorgen, Zornesausbrüche und Gunsterweise vertragen sich nicht mit Seligkeit, sondern entstehen aus Schwäche, Furcht und Abhängigkeit von dem Nächsten -, noch auch etwas, das nur zusammengeballtes Feuer ist, in Besitz der Seligkeit sei und diese Bewegungen nach Belieben annehme. Vielmehr muß man die ganze Erhabenheit bewahren bei allen Bezeichnungen, mit denen man sich auf solche Vorstellungen bezieht, damit aus ihnen keine Anschauungen [entspringen], die der Erhabenheit widerstreiten; anderenfalls wird eben dieser Widerstreit die größte Beunruhigung in der Seele anrichten (Her. 76f.). Man braucht im Grunde also lediglich den Gottesbegriff in seiner Reinheit unverfälscht zu bewahren, um von allen religiösen Ängsten verschont zu bleiben.

Der zweite Schritt zur Behebung der Götterfurcht, der Nachweis, daß sich alles, was zwischen Himmel und Erde geschieht, auf natürliche Weise ohne Rückgriff auf die Götter erklären läßt, ist Aufgabe der Naturlehre.“

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Albrecht  05.05.2014, 06:40

Malte Hossenfelder, Die Philosophie der Antike 3: Stoa, Epikureismus und Skepsis. 2., aktualisierte Auflage. München : Beck, 1995 (Geschichte der Philosophie. Herausgegeben von Wolfgang Röd ; Band 3), S. 115 – 116:
„Die Furcht vor den Göttern entspringt für Epikur dem Aberglauben, daß die Götter die Welt regieren. Deswegen zittern die Menschen vor den Himmelserscheinungen, halten Blitz und Erdbeben für den Ausdruck göttlichen Zorns, der weiteres Unheil nach sich ziehe, sehen in der Sonnenfinsternis das Ende der Welt nahen, beschäftigen einen ganzen Berufsstand mit der Ausdeutung angeblicher Zeichen göttlichen Willens, könne keine Tempel ruhigen Herzens betreten und fügen einander, um die Götter zu besänftigen, größtes Leid zu. Um dieses Übel auszurotten, muß man also zur Einsicht verhelfen, daß die Götter sich ihrem Wesen nach nicht mit der Weltregierung befassen können, und andererseits vorführen, wie sich alle Erscheinungen am Himmel und auf der Erde ebensowohl ohne Einwirkung der Götter erklären lassen.“

Michael Erler, Epikur (341 – 271/70 v. Chr.). in: Klassiker der Philosophie. Herausgegeben von Otfried Höffe. Band 1: Von den Vorsokratikern bis David Hume. Originalausgabe. München : Beck, 2008 (Beck'sche Reihe ; 1792), S. 81 – 82:
„Auch Epikurs Theologie zielt vorrangig darauf, die Menschen vor der Furcht – der Furcht vor den Göttern – zu befreien. Daß Götter existieren, ist für Epikur evident, haben doch alle Menschen eine Vorstellung von den Göttern. Die Götter existieren als unvergängliche und glückselige Wesen, versehen mit Tugend und Weisheit, nicht belastet durch Affekte. Sie haben weder selbst Sorgen noch bereiten sie anderen welche (KD 1). Weil die Welt ein Produkt des Zufalls ist, sind die Götter nicht für sie verantwortlich; sie kümmern sich weder um die Welt noch um die Menschen und sind weder durch Gebet noch durch Opfer beeinflußbar. Deshalb könne die Menschen von den Göttern zwar nichts Gutes erwarten, müssen aber auch nichts Schlimmes befürchten. Götterfurcht ist vielmehr Folge einer Projektion irriger Vorstellungen unphilosophischer Menschen auf die Existenz der Götter. Obgleich Epikur also den Göttern einen direkten Einfluß auf das menschliche Leben abspricht, bestreitet er nicht, daß sie infolge des Vorbildcharakters ihrer ungetrübten, ruhigen und deshalb lustvollen Existenz indirekt doch einen Einfluß auf das menschliche Leben haben können. Wer sie nämlich nachahmt, sich von Furcht befreit und daher auf der Erde wandelt »wie ein Gott« (Ep. Men. 123 f.), bereitet sich selbst das Glück, das andere fälschlich von den Göttern erhoffen. Aus der Götterverehrung wird also eine Pflege des Selbst.

Freilich ist die Annahme einer ewigen und glückseligen Existenz der Götter in einem atomistischen Weltbild erklärungsbedürftig und wurde in der Antike – und in der modernen Forschung - kontrovers diskutiert. Die These, Epikur spreche den Göttern keine reale Existenz zu, sehe in ihrer Existenz nur eine Produktion menschlicher Wunschvorstellungen kollidiert mit Äußerungen Epikurs, wonach der Existenz der Götter unmittelbare Evidenz zukomme. Epikur ist kein Atheist.“

ausführlich:

Michael Erler, Epikur. In: Die hellenistische Philosophie. Erster Halbband (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 4/1). Herausgegeben von Hellmut Flashar. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1994, S. 146 – 152 (§ 7. Lehre. B. Erkenntnistheorie: 7. Theologie)

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Albrecht  05.05.2014, 06:40

Christoph Horn, Antike Lebenskunst : Glück und Moral von Sokrates bis zu den Neuplatonikern. Originalausgabe. 2. Auflage. Unveränderter Nachdruck. München : Beck, 2010 (Beck`sche Reihe: bsr ;1271), S. 93 - 94:
„Epikur lehnt den stoischen Schicksalsbegriff, die heimarmenê, vehement ab. Der Mensch ist für ihn kein Schauspieler in einem Theaterstück, das von höheren Mächten inszeniert wird; der Weltlauf ist nicht göttlich determiniert. Glück läßt sich folglich nicht auf dem Weg einer Anpassung des Menschen an die kosmische Vernunft und Ordnung erreichen, sondern einzig dadurch, daß der Mensch sich selbst aus seiner bestehenden Unmündigkeit herausführt. Der epikureische Philosoph erreicht eine solche Souveränität zumindest in den zentralen Lebensfragen: „Nur in unbedeutenden Dingen kommt dem Weisen der Zufall in die Quere; die größten und wichtigsten aber hat die vernünftige Überlegung geregelt, regelt sie unaufhörlich im Leben und wird sie immer regeln" (Brief an Menoikeus 123 f.; Ubers. M. Hossenfelder). Gemeint ist ein Souveränitätsideal, das im Vergleich zu seinem stoischen Gegenstück bescheidener und einfacher ausfällt. Insbesondere ist die Theologie Epikurs vom Volksglauben der Antike weiter entfernt als die stoische Auffassung. Abgelehnt wird die Vorstellung, die Götter vergäben Glück oder Unglück an die Menschen (KD 1). Epikurs Göttervorstellung wirkt beinahe rationalistisch konstruiert; die Götter sind weder für die Welteinrichtung noch für den Weltlauf verantwortlich, und sie kümmern sich nicht um menschliche Angelegenheiten (vgl. etwa Lukrez, De rerum natura III 14-24). Götter gelten bei Epikur als unsterbliche Wesen von unbeirrbarer Heiterkeit und teilnahmsloser Gelassenheit. Ihr Lebensgenuß ist der Inbegriff dessen, was Epikur dem Menschen als Strebensziel empfiehlt; daher greift Epikur die platonische Formel von der „Angleichung an Gott" (homoiôsis theô) positiv auf. Die Funktion der epikureischen Götter besteht insbesondere darin, Leitbilder für das abzugeben, was der epikureische Philosophenschüler allmählich zu erreichen hofft, die Ataraxie.“

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Albrecht  05.05.2014, 06:43

Laktanz (Lucius Caelius Firmianus Lactantius), De ita Dei (Vom Zorn Gottes) 13, 20 - 21 enthält eine Epikur zugeschriebenes Argument, in dem Allmacht Gottes, Güte Gottes, Fürsorge Gottes und die Existenz von Übeln in der Welt als logisch unvereinbar dargestellt werden. Der christliche Autor hat allerdings wohl keine originalen Schriften Epikurs gelesen, sondern Darstellungen aus zweiter Hand verwendet. Die Richtigkeit seiner Laktanz (Lucius Caelius Firmianus Lactantius), De ita Dei (Vom Zorn Gottes) 13, 20 - 21 enthält eine Epikur zugeschriebenes Argument, in dem Allmacht Gottes, Güte Gottes, Fürsorge Gottes und die Existenz von Übeln in der Welt als logisch unvereinbar dargestellt werden. Der christliche Autor hat allerdings wohl keine originalen Schriften Epikurs gelesen, sondern Darstellungen aus zweiter Hand verwendet. Die Richtigkeit seiner Zuschreibung des Arguments an Epikur wird bestritten (angefochten wird die Echtheit als epikurischer Text und eine Herkunft des Arguments aus akademischer Skepsis vertreten z. B. von Reinhold F. Glei, Et invidus et inbecillus: das angebliche Epikurfragment bei Laktanz, De ira dei 13,20-22. In: Vigiliae christianae 42 (1988), S. 47 - 58).

Laktanz, De Ira Dei 13, 20 - 25:

Des Lucius Caelius Firmianus Lactantius Schriften : Von den Todesarten der Verfolger ; Vom Zorne Gottes ; Auszug aus den Göttlichen Unterweisungen ; Gottes Schöpfung Aus dem Lateinischen übersetzt von Aloys Hartl. Kempten ; Muenchen : Kösel, 1919 (Bibliothek der Kirchenväter ; Band 36), S. 102 - 103:
„Wenn nun diese Begründung richtig ist, die den Stoikern ganz entging, so fällt auch jener unumstößliche Beweis Epikurs in nichts zusammen, wenn er sagt: Gott will entweder die Übel aufheben und kann nicht;
oder Gott kann und will nicht;
oder Gott will nicht und kann nicht;
oder Gott will und kann.
Wenn Gott will und nicht kann, so ist er ohnmächtig; und das widerstreitet dem Begriffe Gottes. Wenn Gott kann und nicht will, so ist er mißgünstig, und das ist gleichfalls mit Gott unvereinbar. Wenn Gott nicht will und nicht kann, so ist er mißgünstig und ohnmächtig zugleich, und darum auch nicht Gott, Wenn Gott will und kann, was sich allein für die Gottheit geziemt, woher sind dann die Übel, und warum nimmt er sie nicht hinweg? Ich weiß, daß die meisten Philosophen, die für das Walten der Vorsehung eintreten, durch diese Beweisführung in Verlegenheit kommen und beinahe wider Willen zum Geständnis gedrängt werden, daß Gott sich um nichts kümmere: worauf es Epikur zunächst abgesehen hat. Aber wir, denen der Grund der Übel am Tage liegt, lösen dieses Schreckbild von Beweis ohne Schwierigkeit auf. Gott kann alles, was er will, und Schwäche oder Mißgunst ist nicht in ihm. Er kann also die Übel hinwegnehmen, aber er will nicht; und doch ist er darum nicht mißgünstig. Er nimmt sie aus dem Grunde nicht hinweg, weil er, wie bemerkt, dem Menschen zugleich die Weisheit (Vernünftigkeit) verliehen hat, und weil mehr Gutes und Annehmliches in der Weisheit liegt, als Beschwerlichkeit in den Übeln. Denn die Weisheit bewirkt, daß wir auch Gott erkennen und vermöge dieser Erkenntnis die Unsterblichkeit erlangen, und darin besteht das höchste Gut. Wenn wir also nicht vorher das Übel erkennen, so vermögen wir auch das Gut nicht zu erkennen. Aber das hat weder Epikur noch irgendein anderer sich klar gemacht, daß mit der Aufhebung der Übel zugleich die Weisheit hinweggenommen würde, und daß keine Spur von Tugend mehr im Menschen bliebe; denn das Wesen der Tugend liegt im Ertragen und Überwinden der Bitterkeit der Übel. So müßten wir also wegen des geringfügigen Vorteils der Aufhebung der Übel des größten und wahren und uns ausschließlich zukommenden Gutes entbehren. Es steht demnach fest, daß alles der Bestimmung des Menschen dient, sowohl die Übel als auch die Güter.“

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http://zitate.net/epikur%20von%20samos.html

Mach dir deine eigenen Götter und unterlasse es, dich mit einer schnöden Religion zu beflecken.

Wenn man so seine Sprüche Liest, war er ungläubig und glaubte nur an seine eigenen Leistungen.

berkersheim  04.05.2014, 22:42
@tinimini

Bereits der Absatz:

"Epikur ist kein Naturphilosoph oder gar Naturforscher, sondern Verkünder einer Heilsbotschaft des Glücks. Die Natur interessiert ihn nur insofern, als sie ihm eine von göttlichen Mächten freie Erklärung allen Geschehens bietet. Das Prinzip der natürlichen Erklärbarkeit ist die Voraussetzung für seine Frohbotschaft des irdischen Glücks."

ist falsch! Die "eudaimonia" (das ist mehr als "Glück", es bedeutet eher ein "gelungenes Leben", ein Leben im "grünen Bereich") war allen antiken Philosophen ein Ziel. Epikur als "Heilsbotschafter des Glücks" herauszusezieren will seine Philosophie herabmindern. Letztes Ziel der Aufklärung war auch das "gelingende Leben" der Menschen. Aber ist Aufklärung damit ausreichend beschrieben, wenn ich sie "Glücksreligion" nennen? Wohl kaum!

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