Die Staatstheorie von Cicero?

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Ciceros Auffassung zur Staatstheorie kann dargestellt werden. Seine Zeit war allerdings die Antike. Daher steht in seinen Werken nicht, was er als moderne Staatstheorie für richtig hielt. Es kann höchstens in gewissem Ausmaß geschlußfolgert werden, wie sein Standpunkt im Vergleich zu bestimmten Aussagen bestimmter moderner Staatstheorien ist, die dazu allerdings genau angegeben werden müßten.

Ciceros Staatstheorie/politische Philosophie geht aus seinen Schriften hervor, vor allem aus seinen Werken »De re publica« („Über den Staat“; 54 – 51 v. Chr. entstanden) und »De legibus« („Über die Gesetze“; wohl 53 – 51 entstanden, nicht fertig abgeschlossen).

Für eine gründliche Beschäftigung mit dem Thema ist es am besten eine, eine Textausgabe zu erwerben oder in einer Bibliothek auszuleihen. Möglich sind deutsche Übersetzungen, wobei zweisprachige Ausgaben (lateinisch – deutsch) eine schnelle Kontrolle am Wortlaut bieten, z. B.:

Marcus Tullius Cicero, De re publica : Lateinisch/Deutsch = Vom Staat. Übersetzt und herausgegeben von Michael von Albrecht. Stuttgart : Reclam, 2013 (Reclams Universal-Bibliothek ; Nr. 18880). ISBN 978-3-15-018880-4

Marcus Tullius Cicero, Der Staat : lateinisch – deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Rainer Nickel. Studienausgabe. Berlin : Akademie-Verlag, 2012 (Tusculum Studienausgabe). ISBN 978-3-05-005749-1

Marcus Tullius Cicero, Der Staat : lateinisch-deutsch = De re publica. Übersetzt von Karl Büchner. Herausgegeben von Harald Merklin. Studienausgabe. Düsseldorf ; Zürich : Artemis & Winkler, 1999 (Tusculum Studienausgaben). ISBN 978-3-7608-1360-8

M. Tullius Cicero, De legibus = Über die Gesetze. Paradoxa stoicorum = Stoische Paradoxien : Lateinisch und deutsch. Herausgegeben, übersetzt und erläutert von Rainer Nickel. Düsseldorf ; Zürich : Artemis & Winkler, 1994 (Sammlung Tusculum). ISBN 978-3-7608-1680-7

Herrschaftsformen/Verfassungen

Das Thema der Herrschaftsformen/die Frage nach der besten Verfassung) erörtert - in Form eines fiktiven Dialogs - Marcus Tullius, De re publica Buch 1 und 2.

Cicero hat drei Grundformen einer Verfasssung für annehmbar gehalten. Als beste Verfassung/Herrschaftsform beurteilt er aber eine andere, eine Mischverfassung mit Bestandteilen/Elementen der drei Grundformen, die in hohem Ausmaß die Vorteile/Vorzüge/guten Seiten bietet, aber die Nachteile/Mängel/schlechten Seiten vermeidet.

Cicero deutet die römische Republik als praktische Verwirklichung einer Mischverfassung.

Bei den Grundformen gibt es jeweils eine Entartung zu einer schlechten Verfassung aufgrund von schlechter innerer Einstellung und Fehlverhalten mit Machtmißbrauch. Cicero nimmt bei diesen Entwicklungen kein festes Schema über eine bestimmte Abfolge in einem Kreislauf von Verfassungen an.

Cicero übernimmt aus der griechischen Staatstheorie (z. B. von Platon, Aristoteles und Polybios) ein Modell mit 6 Verfassungen in Reinform (ungemischt) und den Gedanken einer Mischverfassung (vor allem Marcus Tullius, De re publica 1, 37 – 71).

Unterschieden wird nach der Anzahl der Herrschenden - ein einziger (Monarchie), einige Ausgewählte/Auserlesene [delecti] (Herrschaft weniger/einer Elite) oder das Volk [populus] bzw. alle freien einheimischen (oder später mit dem Bürgerrecht ausgestatteten( Männer (Volksherrschaft/Demokratie). Dabei gibt es jeweils eine gute Form und als Entartung eine schlechte Form.

1) Königtum/Königsherrschaft (regnum) – gute Form der Monarchie/Alleinherrschaft

2) Tyrannis (tyrannis; dominatio) – schlechte Form der Monarchie/Alleinherrschaft

3) Aristokratie/Optimatenherrschaft (civitas optimatium) - gute Form der Herrschaft weniger/einer Elite

4) Oligarchie (optimatium dominatus) - schlechte Form der Herrschaft weniger/einer Elite

5) Volksherrschaft (civitas popularis) - gute Form der Demokratie

6) Ochlokratie/gewaltsame/gesetzlose Herrschaft der Masse, Pöbelherrschaft (multitudinis dominatus) - schlechte Form der Demokratie

Keiner der drei Grundformen gilt als vollkommen (perfectum) oder als beste Verfassung. Königsherrschaft schließt alle übrigen von gemeinsamen Recht und Beratung aus. In einer Aristokratie/Optimatenherrschaft mangelt es dem Volk an Teilhabe an der Herrschaft und an Freiheit. In einer Demokratie, die Freiheit und eine verhältnismäßig große grundsätzliche politische Gleichheit kennzeichnet, wird hervorragende Tüchtigkeit nicht ausreichend berücksichtigt, es mangelt an Abstufungen der Würde (gradus dignitatis).

Keine der Grundformen ist gegenüber den anderen klar vorzuziehen, doch scheint Neigung zu bestehen, einem weisen und gerechten König, der sich wie ein ein fürsorglicher Vater um das Allgemeinwohl kümmert, theoretisch für im Verhältnis am besten zu halten, während die Demokratie am wenigsten Billigung erhält. Allerdings gilt eine Monarchie als stark gefährdet von einem Umschlagen in eine schlechte Form, eine Tyrannis, die als schlechteste Verfassung beurteilt wird. Eine Aristokratie kann kluge und vernünftige Planung (consilium) aufgrund von umsichtiger Beratung bieten, doch in einer Oligarchie gibt es die Bildung einer Clique/eines Klüngels und Unterdrückung. Bei einer Ochlokratie tritt Willkür (licentia), Zügellosigkeit (insolentia) und Raserei (furor) auf.

Der römische Staat hat sich nach Ciceros Darstellung zu einer Mischverfassung entwickelt (zuerst noch nicht ganz ausgewogen). Die römische Republik enthält nach seiner Deutung monarchische (Amtsbefugnisse der Magistraten, vor allem der Konsuln), aristokratische (Beratung und Beschlüsse einer Elite im Senat) und demokratische (Wahlen und Abstimmungen in Volksversammlungen) Bestandteilen/Elementen.

Wenn Cicero den römischen Staat auf diese Weise als Staat mit idealer Herrschaftsform/bester Verfassung beurteilt, ist daran Verklärung beteiligt. In der Gegenwart der späten römischen Republik (seit dem Streit um die Politik der Gracchen) bemerkt Cicero Schwierigkeiten und Störungen.

Ziel einer Bewahrung der republikanischen Ordnung

Marcus Tullius Cicero hat als Ziel für den Staat die Bewahrung bzw. Wiederherstellung der traditionellen Ordnung der Republik gesehen, mit Senat, Magistraten (Beamten/Amtsträgern/Amtsinhabern) und Volksversammlungen. Die römische Republik deutet Cicero als Mischverfassung (obwohl sie tatsächlich eine besondere Art von Oligarchie/Aristokratie gewesen ist, bei der Volk ein wenig beteiligt ist). Sie verbindet nach seiner Sichtweise monarchische, aristokratische und demokratische Elemente auf gelungene Weise. Fürsorge, kluger Rat und Freiheit werden vereint. Eine Autorität der Ersten/führenden Männer (auctoritas principum) soll gelten.

Im Staat sollten Werte verwirklicht werden. Die Politik sollte auf das Allgemeinwohl gerichtet sein. Marcus Tullius Cicero, De legibus 3, 8 (über die Konsuln): „Ihnen sei das Wohl des Volkes höchstes Gesetz!“ (ollis salus populi suprema lex esto.) Die an der Spitze des Staates Stehenden sollen auf den Nutzen der Bürger achten, nicht auf eigene Vorteile, und für die Gesamtheit sorgen, nicht nur für einen Teil (Marcus Tullius Cicero, De officiis 1, 85).

Bei Marcus Tullius Cicero, De re publica 1, 39 wird der Staat (res publica) als Sache des Volkes (res populi) definiert (bestimmt). Unter Volk (populus bezeichnet die Gesamtheit, das Staatsvolk) wird nicht jede auf irgendeine beliebige Weise zusammengescharte Vereinigung verstanden, sondern eine durch Übereinstimmung des Rechts (iuris consensu) und Gemeinsamkeit des Nutzens (utilitatis communione) verbundene Vereinigung einer Menge. Dabei gilt eine naturgemäße/im Wesen des Menschen angelegte Geselligkeit/soziale Veranlagung/Ausrichtung auf eine Gemeinschaft als in größerem Ausmaß ursprüngliche und vorrangige) Ursache des Zusammenschlusses. Schwäche (was an eine Notwendigkeit zum Überleben als Ursache denkt) gilt als vergleichsweise weniger wichtige Ursache. Dies wird damit begründet, dass der Mensch nicht als isoliertes Einzelwesen geschaffen ist, sondern auch im Überfluß eine Neigung zu Gesellschaft/Gemeinschaft hat.

Grundsätzliche Ziele jeden Staats sind nach Ciceros Darstellung, für Recht und Gerechtigkeit unter den Bürgern zu sorgen, äußere Feinde abzuwehren und den gemeinsamen Nutzen zu vermehren.

Innerer Frieden ist wünschenswert. Cicero hält eine Eintracht der Stände (concordia ordinum) und eine Übereinstimmung aller Gutgesinnten (consensus omnium bonorum) gegen die „Schlechten/Bösen“ (improbi) für erstrebenswert.

Im Staat sollen Würde, Rang und Ansehen (dignitas) geachtet werden. Der Senat ist als Mittelpunkt der Politik gedacht. Die ihn tragende Führungsschicht wird bejaht. Allerdings soll Aufstieg von Neulingen (homines novi) aufgrund von verdienstvollen Leistungen möglich sein.

Der ideale Politiker verfügt über eine umfassende Bildung und Kenntnisse, beherrscht Redekunst (Rhetorik), ist mit dem Recht vertraut, versteht philosophische Gedanken. Außerdem ist Voraussetzung, sich in der Ämterlaufbahn (cursus honorum) in politischen Ämtern bewährt zu haben. Cicero hat (vor allem in »De re publica«) einen Lenker des Staates (rector rei publicae) dargestellt, der Autorität im Rahmen der Republik besaß und durch kluge Einsicht/Weisheit (sapientia) die Richtung der Politik steuerte. Dabei hat Cicero wohl auch an sich gedacht oder zumindest gehofft, als bedeutender Ratgeber mächtige Politiker beeinflussen zu können.

Über Abstimmungen und Wahlstimmen schlägt Cicero, De legibus 3, 38 – 39 vor, sie seien den Optimaten bekannt, für das einfache Volk/die Volksmenge/die Plebs frei. Das Volk darf Stimmtäfelchen als Schutz seiner Freiheit haben, aber diese sollen den besten und einflußreichsten Bürgren gezeigt und von sich aus dargeboten werden, so daß darin die Freiheit besteht, das dem Volk die Befugnis gegeben wird, den Guten auf ehrenvolle Weise einen Gefallen zu tun. Dieser Vorschlag Ciceros würde das Wahlgeheimnis untergraben. Ihm scheint für das einfache Volk in dieser Sache ein Anschein/Eindruck von Freiheit wichtig zu sein, nicht eine tatsächliche echte Freiheit.

Grundsätzlich bejaht Cicero eine Politik, die zu einer Anpassung an die Umstände bereit ist, solange die grundlegenden Werte eingehalten werden. Allerdings neigt er mehr den Interessen der Besitzenden zu. Ackergesetze mit Landverteilung an Arme bzw. Veteranen rufen bei Cicero eher Ablehnung hervor. Cicero greift auch - ohne Namensnennung - Caesar wegen eines teilweisen Schuldenerlasses an (Marcus Tullius Cicero, De officiis 2, 84) und unterstellt ihm eine große Begierde zur Verfehlung, obwohl Caesars Regelung 47 v. Chr. ein Kompromiß mit dem Ziel einer allgemeinen Stabilisierung gewesen ist.

Gründe für Ciceros politische Ideale und Ziele waren seine Überzeugungen, wobei sein Denken die damals bei den Römern allgemein als Leitbegriff vorhandene Sitte der Vorfahren (mos maiorum) philosophisch reflektieren konnte. Außerdem waren seine persönlichen Begabungen, sein Naturell und seine gesellschaftliche Stelllung Einflüsse.

Bücher in Bibliotheken bieten Informationen, z. B.:

Klaus Bringmann, Cicero. 2., durchgesehene und um ein Vorwort ergänzte Auflage. Darmstadt : von Zabern, 2014 (Gestalten der Antike), S. 159 - 174

Manfred Fuhrmann, Cicero und die römische Republik. 5., durchgesehene und bibliographisch erweiterte Auflage. Mannheim : Artemis & Winkler, 2011, S. 160 – 165

Günter Gawlick und Woldemar Görler, Cicero. In: Die hellenistische Philosophie. Zweiter Halbband (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 4/2). Herausgegeben von Hellmut Flashar. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1994, S. 991 – 1168

Matthias Gelzer, Cicero : ein biographischer Versuch. 2., erweiterte Auflage. Mit einer forschungsgeschichtlichen Einleitung und einer Ergänzungsbibliographie von Werner Riess. Stuttgart : Steiner, 2014 (Alte Geschichte), S. 193 - 204

Christian Habicht, Cicero der Politiker. München : Beck, 1990. ISBN 3-406-34355-4

Emanuele Narducci, Cicero : eine Einführung. Aus dem Italienischen übersetzt von Achim Wurm. Stuttgart : Reclam, 2012 (Reclams Universal-Bibliothek ; Nr. 18818 : Reclam-Sachbuch), S. 198 – 220

Inga Meyer, Von der Vision zur Reform : der Staat der Gesetze: Ciceros Programm einer Neuordnung der Römischen Republik ; 56 - 51 v. Chr. München : Utz, tuduv, 2006 (Quellen und Forschungen zur antiken Welt ; Band 50). ISBN 978-3-8316-0602-3

Wilfried Nippel, Cicero (106 – 43 v. Chr.). In: Klassiker des politischen Denkens. Herausgegeben von Hans Maier und Horst Denzer. Taschenbuchausgabe. Band 1: Von Plato bis Thomas Hobbes. 3., überarbeitete Auflage. München : Beck, 2007 (Beck'sche Reihe ; 1361), S. 53 - 64

Henning Ottmann, Geschichte des politischen Denkens : von den Anfängen bei den Griechen bis auf unsere Zeit. Band 2: Römer und Mittelalter. Teilband 1: Die Römer. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2008, S. 77 - 129 (Cicero (106 - 43 v. Chr.))

Francisco Pina Polo, Rom, das bin ich : Marcus Tullius Cicero ; ein Leben. Aus dem Spanischen übersetzt von Sabine Panzramm. 2. Auflage. Stuttgart : Klett-Cotta, 2011, S. 211 – 227

Walter Reese-Schäfer, Antike politische Philosophie zur Einführung. 1. Auflage. Hamburg : Junius, 1998 (Zur Einführung ; 171), S. 166 – 180 (14. Cicero und die römische Republik)

Wilfried Stroh, Cicero : Redner, Staatsmann, Philosoph. Originalausgabe. 3., durchgesehene Auflage. München : Beck, 2016 (C.H.Beck Wissen ; 2440), S. 53 - 70

Das kannst Du in seiner Schrift de re publica nachlesen.
Die Römische Republik ist das beste, da es das beste der drei Staatsformen Monarchie, Aristokratie und Demokratie vereinigt.

HansHans1 
Fragesteller
 31.01.2017, 22:35

Wie viele Seiten hat dieses Schrift. Hast du einen Link dazu

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HansHans1 
Fragesteller
 31.01.2017, 22:52

Was steht denn in dem Heft (Reclam). Irgendwas, was man nicht im Internet findet.

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salome77  01.02.2017, 05:28

Ja, wenn Monarch und Aristokraten gute Menschen sind, die ihr Tun unter das Wohl des Staates stellen, sind es für Cicero gute Staatsformen.
Alle Staatsformen können jedoch entarten und zum Schlechten werden.
Im Reclamheftchen steht der Text mit Kommentaren zum besseren Verständnis.

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