Denkansatz für Chemie-Aufgabe?

indiachinacook  27.11.2023, 15:43

Bist Du sicher, daß kein Löslichkeitsprodukt von Mg(OH)₂ angegeben ist?

user1111367 
Fragesteller
 27.11.2023, 16:01

8,9*10^-12 (Habe ich vergessen anzugeben)

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich arbeite noch an einer anständigen Lösung, die den ganzen Fällungsvorgang ordent­lich und quantitativ beschreibt; das braucht aber noch ein bißchen Zeit, weil eine kubische Gleichung daran beteiligt ist. Das wird dann instruktiv, klar und ein­leuch­tend sein (hoffe ich), ist aber bestimmt nicht das, was von Dir erwartet wird. Vielleicht kommt die heute noch später, oder nie.

Vermutlich wird das folgende von Dir erwartet: Du sollst zuerst annehmen, daß die Fällung fast quantitativ ist. Der Verbrauch von V=43 ml NaOH zur vollständigen Fäl­lung entspricht einer Stoffmenge n(OH¯)=cV=12.9 mmol OH¯, damit fällt halb soviel Mg(OH)₂ aus also 6.45 mmol, das ist ±die Stoffmenge, die in der Probe enthalten ist.

Aber eine kleine Menge Mg²⁺ bleibt in Lösung, nämlich entsprechend dem Lös­lich­keits­gleichgewicht Kₛₚ=c(Mg²⁺)c²(OH¯) ⇒ c(Mg²⁺)=Kₛₚ/c²(OH¯)=3.6⋅10¯⁷ mol/l. Da das Gesamtvolumen der Lösung zu diesem Zeitpunkt 54 ml beträgt, entspricht das einer Stoffmenge von n=cV=19 nmol, das sind 3 ppm von den insgesamt enthaltenen 6.45 mmol.

Ich weise sicherheitshalber darauf hin, daß die Meßvorschrift horribel ungenaue Re­sul­tate erbringt. Mehr sieht man hoffentlich, wenn ich eine bessere und fundiertere Lösung zustandebringe.

P.S.: Jetzt kommt eine viel ausführlichere Rechnung.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich die Angabe richtig verstehe. Ich fasse sie so zu­sam­­men, wie ich glaube, daß sie gemeint ist:

   Zu 11 ml einer Mg²⁺-Lösung wird 0.3 mol/l NaOH zugetropft, bis die Fällung von Mg(OH)₂ abgeschlossen ist; das tritt bei V=43 ml ein. An diesem Punkt beträgt c(OH¯)=0.005 mol/l. Wieviel Mg²⁺ ist noch in der Lösung enthalten?

Wir haben eine unbekannte Mg²⁺-Stoffmenge in der ursprünglichen Lösung enthalten, ich nenne sie phantasielos n₀₀, Entsprechend nenne ich das ursprüngliche Volumen V₀₀=11 ml, das Volumen der NaOH nenne ich V₁ und ihre Konzentration c₁=0.3 mol/l. Nachdem wir V₁ ml NaOH zugetropft haben, haben wir ein Gesamtvolumen V=V₀₀+V₁, die Stoffmenge Mg²⁺ ist noch dieselbe nāmlich n₀₀, und die OH¯-Stoffmenge ist natür­lich n(OH¯)=c₁V₁; die entsprechenden Konzentrationen bekommt man durch Division durch V.

Bild zum Beitrag

Das sind einfach die Konzentrationen, die sich aus den Verdünnungen ergeben; real tritt natürlich Fällung auf. Irgendeine Stoffmenge x(V₁) an Mg(OH)₂ wird ausfallen, und zwar genau soviel, daß das Löslichkeitsgleichgewicht erfüllt ist. Natürlich ist die­se Stoffmenge selbst eine Funktion des zugegebenen Volumens V₁, weil ja immer mehr ausfällt, je mehr wir NaOH zutropfen. Wir können also anschreiben:

Bild zum Beitrag

weil jedes x mol ausgefallenes Mg(OH)₂ der Lösung x mol Mg²⁺ und 2x mol OH¯ ent­zieht. Das Löslichkeitsprodukt Kₛₚ ist gegeben; n₀₀ ist zwar nicht gegeben, wir können es aber näherungsweise Rekonstruieren aus der Angabe, daß nach V₁=43 ml Zugabe kein weiteres Mg(OH)₂ ausfällt; zu diesem Zeitpunkt sind c₁V₁=0.0129 mol OH¯ zuge­geben worden. Unter der Annahme, daß die Fällung fast vollständig ist, liegen also fast 0.00645 mol Mg(OH)₂ am Boden, und diesen Schätzwert verwenden wir für n₀₀.

In der obigen Gleichung ist also x die einzige Unbekannte, und wir können versuchen, nach x aufzulösen, um x als Funktion von V₁ explizit zu erhalten. Dazu vereinfachen wir zunächst ein bißchen, indem wir die Quadrate und Multiplikationen ausführen.

Bild zum Beitrag

und multiplizieren dann den Nenner weg, woraus eine kubische Gleichung für x resul­tiert. Außerdem schreibe ich statt x(V₁) nur noch x, sonst werden die Ausdrücke noch länger.

Bild zum Beitrag

Wie man diese Gleichung jetzt löst, mag ich Dir nicht erklären. Entscheidend ist, daß man es kann, und wir bekommen dann einen Plot von x vs. V₁. Außerdem zeige ich Dir noch den pH-Wert während der Fällung, denn wir wissen ja, wieviel Mg²⁺ bereists aus­gefallen ist (das ist x), daher ist c(Mg²⁺)=(c₀₀−x)/(V₀₀+V₁) und aus dem Lös­lich­keits­gleich­gewicht folgt c(OH¯)=√(Kₛₚ/c(Mg²⁺)) und natürlich pH=14+lg(c(OH¯)). Das ist insoferne wichtig, als ja in der Angabe etwas von c(OH¯)=0.005 mol/l bei Zugabe von 43 ml NaOH-Lösung steht, das entspricht pH=11.7 und ist in der Graphik markiert.

Bild zum Beitrag

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Zunächst mal das Offensichtliche: Am Anfang der Fällung fällt jedes mol zugegebene NaOH brav ½ mol Mg(OH)₂ aus, oder umgerechnet auf Volumen 0.15 mmol Mg(OH)₂ pro ml NaOH. Das geht so lange gut, wie genug Magnesium da ist; um 43 ml herum hat die Kurve einen Knick und wird dann horizontal, weil nichts mehr ausfallen kann. Wäre das Mg(OH)₂ absolut unlös­lich, dann wäre der Knick absolut scharf, aber durch die endliche Löslichkeit wird der Knick etwas abgerundet und auf ca. 0.1 ml verbrei­tert. Das ist das erwartete Resultat.

Du siehst aber auch, daß wir ein Problem bekommen: Das Ende der Fällung ist mit 43 ml erreicht — kein Wunder, ich habe ja das n₀₀=0.00645 mol genauso gewählt, daß das eintritt. Am Endpunkt der Fällung steigt auch der pH, und zwar von ungefähr 10.2 auf 11. Der angegebene pH des Endpunkts, 11.7, wird aber erst einen knappen Milli­liter später erreicht, und das paßt nicht zur Angabe; ich sehe nicht, wie man die An­ga­be anders verstehen kann, als daß in dem Moment, in dem das letzte Mg(OH)₂ aus­fällt, der pH bei 11.7 liegen muß, und das tut er einfach nicht.

Natürlich kann ich ein anderes n₀₀=0.0063155 mol wählen, das ist immerhin 2% weni­ger. Dann bekommen wir zwar wirklich pH=11.7 nach 43 ml Laugenzugabe, aber lei­der ist die Fällung immer noch einen knappen Milliliter früher abgeschlossen, das paßt also auch nicht zur Angabe. Hier graphisch dargestellt:

Bild zum Beitrag

Das erklärt übrigens auch, warum ich in meiner quick&dirty-Rechnung eine so kleine Restlöslichkeit des Mg(OH)₂ von nur 3 ppm bekommen habe; sie schien mir unrealis­tisch, aber ich konnte den Fehler nicht finden. Aber jetzt verstehe ich es: Am Punkt, an dem die Fällung abgeschlossen ist (also dem Knickpunkt der violetten Kurve) beträgt die Restlöslichkeit tatsächlich 2‰ bzw. 2000 ppm, aber pH=11.7 wird ja erst einen ganzen Milliliter Laugenzugabe später erreicht, und da ist die Löslichkeit des Mg(OH)₂ viel geringer, weil der pH-Wert ja inzwischen schon kräftig weiter gestiegen ist.

Bin ich mir ganz sicher, daß ich mich nicht verrechnet habe? Nein. Aber ich war schon vernünftig sorgfältig und habe stichprobenartig getestet, ob die Gleichgewichte und Stöchiometrien erfüllt sind.

Bei Rückfragen stehe gerne zur Verfügung.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik
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