Bedeutung des Zitats von Angelus Silesius „Der Himmel ist in dir“?

5 Antworten

Zusammenhang:

„Halt an, wo läufst du hin – der Himmel ist in dir! Suchst du Gott anderswo. Du fehlts ihn für und für. Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.“

Angelus Silesius wird wegen seiner Einstellung auch angegriffen. Er äußert sich dazu:

"Wegen der kurzen Verfassung könnte man den Versen leicht einen verdammlichen Sinn oder böse Meinung geben, nachdem folgende Reimen viel seltsame Paradoxa oder widersinnige Reden wie auch sehr hohe und nicht jedermann bekannte Schlüsse enthalten. Und ist hiermit einmal für allemal zu wissen, dass des Urhebers Meinung nirgends sei, dass die menschliche Seele ihre Geschaffenheit könne verlieren und durch die Vergottung in Gott oder sein ungeschaffenes Wesen verwandelt werden, welches in alle Ewigkeit nicht sein kann.“

Gemeint ist: Es reicht nicht, wenn Jesus geboren wurde. Du musst es in dir selbst verinnerlichen.

Speziell zu Angelus Silesius kannst du hier einiges nachlesen.

Zitat aus dem Link:

Die Mystik begeht einen anderen Erkenntnispfad als die scholastische Philosophie. Sie geht davon aus, dass der menschliche Geist die Fähigkeit hat, unmittelbar, ohne lange Schlussketten und Untersuchungen die Wirklichkeit Gottes zu erkennen.

https://www.deutschlandfunk.de/christliche-mystik-angelus-silesius-und-der-cherubinische.886.de.html?dram:article_id=272858

Man kann die Erfüllung, das Glück, inneren Frieden... was auch immer die Menschen in Religion suchen (oder oft auch in Partnerschaften oder Süchten) nur in sich selbst finden, das ist die Aussage. Wer versucht, im Außen glücklich zu werden, wird nicht glücklich. Wer mit sich selbst im Reinen ist, sich akzeptieren und lieben kann, der weiß, dass der Himmel nicht etwas ist, was nach dem Tod auf den wartet, der brav war, sondern dass dieser Zustand der Glückseligkeit der wahre Himmel ist, und den findet man nur in sich selbst, beispielsweise durch Achtsamkeit.

Das ist Mystik. Es geht dabei sozusagen um Meditation (inneres Gebet). Ein Zitat aus Wikipedia umschreibt es so: Der Cloud-Autor versucht zu zeigen, wie der Geist zu Gott aufsteigen kann, indem er sein Sein in den Blick nimmt. Das menschliche Da-Sein strömt aus der göttlichen Seinsquelle (durch creatio continua); wenn der Beter also mit seinem Geist sein eigenes Da-Sein bis in die göttliche Seinsquelle hinein nachverfolgt, dann kann er geistig (nicht seinsmäßig!) ins trinitarische Leben Gottes hineingezogen werden – und dadurch mit Gott geeint.

...aus Wikipediaartikel "Die Wolke des Nichtwissens"

Das war in religiösen Zeiten natürlich eine revolutionäre Aussage. Denn wie könnte wohl etwas so absolut Erhabenes wie Gott in einem so unvollkommenenn Wesen wie dem Menschen wohnen?

Indem der Mensch sich selbst als Gottes Heimat sieht, leitet er eigentlich seine Emanzipation gegenüber Gott ein. Was damit endet, dass eigentlich jeder "seinen" Gott in sich hat.

Die Phase des Gotteszweifels beginnt mit diesem "Wohnungswechsel" Gottes und endet mit Nietzsches Worten "Gott ist tot".

Zufriedeheit und Freiheit sind innere Zustände, man kann sie im Außen nicht erlangen.