Apathisch dasitzen und ins Leere gucken, ist das ab und zu gesund?

8 Antworten

Viele Menschen nennen das Meditation und besuchen dafür kostspielige Kurse.

Ich bin Soto-Zen-Buddhist und möchte mich dazu äußern:

Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei deiner Erfahrung ganz einfach um eine so genannte "Alltagstrance" oder "Leerhypnose".

Ein klassisches Beispiel ist die Zugfahrt: Man schaut aus dem Fenster, die Landschaft zieht vorbei - und plötzlich ist man am Ziel. Die vergangenen Stunden hat man überhaupt nicht bewusst wahrgenommen, der Geist war im "Leerlauf".

Man sieht in obigem Zustand nicht einmal mehr bewusst die Dinge, sondern man blickt durch sie hindurch, als wären sie gar nicht da. Das ist das Gegenteil von Meditation, die einen achtsamen Geisteszustand voraussetzt.

Das bedeutet nicht, dass diese Zustände von "geistiger Leere" schlecht oder gesundheitlich bedenklich sind - man kann dabei gut entspannen, sollte sie nur eben nicht mit Meditation verwechseln, wenn keine Achtsamkeit dabei vorhanden ist.

Ob obige Schilderung nun deinen Zustand beschreibt, oder ob er etwas anderes ist, kannst nur du selbst feststellen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Seit etwa 40 Jahren Praxis buddhistischer Meditation

CafeInteressant 
Fragesteller
 23.08.2019, 16:50

Ah ok das leuchtet ein, wie oft sollte man denn das eine (Leerhypnose) und das andere (Meditation) machen? Bin wie gesagt mitte 30 und Single und sowas

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Enzylexikon  23.08.2019, 17:03
@CafeInteressant

Die Verwendung von "sollte" klingt so, als wären das Dinge, die man unbedingt machen müsste, um einen bestimmten Effekt zu erzielen.

Bei Meditation geht es aber gar nicht um ein Ziel wie Entspannung, Konzentration oder ähnliches, denn solch eine Zielsetzung ist eher hinderlich.

Meditation ist die achtsame Erfahrung des gegenwärtigen Moments - ohne Gedanken daran, was dieser Zustand einem "bringen" könnte.

Wenn du dich also für Meditation interessierst, wirfst du am besten alle Vorstellungen von mentaler "Selbstoptimierung" über Bord.

Ich empfehle Neulingen meist, mit 15 Minuten morgens zu beginnen und habe damals von meinem Lehrer eine lustige Erklärung dafür bekommen:

Fünf Minuten lang ist der Geist unruhig und unkonzentriert. Fünf Minuten lang langweilt er sich und ist schläfrig. Nur fünf Minuten lang ist er still und klar.

Das ist natürlich nur im übertragenen Sinne zu verstehen und es gibt auch Lehrer, die von Anfang an 25 Minuten empfehlen, weil dass näher an der Beginner-Standardzeit in vielen Meditationszentren ist.

Tatsächlich sollte man meiner Meinung nach Meditation unter Anleitung eines Lehrers und idealerweise in einer Gruppe lernen - der Lehrer korrigiert Fehler in der Haltung und der regelmäßige Gruppentermin fördert die Disziplin.

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Enzylexikon  23.08.2019, 17:24
@CafeInteressant

In der Regel passieren Alltagstrancen meist ganz von selbst - etwa wenn man in die weite Landschaft blickt, auf ein Windrad starrt, oder ähnliches.

Leerhypnose, also dem Zustand hypnotischer Trance ohne suggerierte Inhalte, wird aufgrund der tiefen Entspannung, gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt

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WEnn du das Wort apathisch durch entspannt ersetzt, stimmt es.

Auch wenn manch´ ehrwürdiger Meditationslehrer den Kopf schütteln würde:

Was ich nicht ohne Mühe seit 40 Jahren praktiziere, kommt zu dir ganz spontan.

Von einem klugen Meister habe ich mal den Tipp bekommen, was ich tun soll, wenn das Sitzen auf dem Kissen mir gar zu schwer fällt:

„Beuge dich nieder zu deinem Meditationskissen und lege für einen achtsamen Augenblick eine Hand auf das Kissen.“

Du brauchst so einen Rat ja wohl nicht, wenn es dir so geht, wie du schreibst:

"Ich hab die Tendenz ein paar Mal am Tag für wenige Minuten mal zu sitzen und gucken und sonst gar nichts. Am liebsten guck ich dann auf nichts bestimmtes, ich stell einfach die Iris auf eine mittlere Brennweite und gucke."

Das ist es!

Und wenn du dann nur guckst – vielleicht sogar mit geschlossenen Augen – dann kann dir sogar das Denken abhandenkommen und du wirst nur noch ein Erleben sein, das gar dein Ego übersteigt.

Und dann bleib auf dem Boden:

„Vor der Erleuchtung

hacke Holz und trage Wasser.

Nach der Erleuchtung

hacke Holz und trage Wasser“

Das kann man natürlich auch in einer „Meditationsgruppe“ praktizieren. Aber dann sollte es eine Gruppe sein, die sich mit dir darin einig ist, dass in einer Meditationsgruppe immer der „Anfängergeist“ gegenwärtig ist.

Leider gibt es in vielen Gruppen "Alteingesessene", die meinen, sie haben das Holz hacken und Wasser tragen nicht mehr nötig.

Namasté

Es entspannt einen und tut der Seele gut. Sowas muss nicht gleich was Negatives sein. Das machen viele Leute ist also nichts Außergewöhnliches.