Anachronistische Sprüche?

Das Ergebnis basiert auf 16 Abstimmungen

Kinder mit nem Willen kriegen was auf die Brillen 50%
Lehrjahre sind keine Herrenjahre 25%
Solange Du Deine Füße unter meinem Tisch hast... 13%
Hier wird gegessen, was auf dem Tisch kommt 6%
Das hätte ich mir damals nicht erlauben können 6%

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Kinder mit nem Willen kriegen was auf die Brillen

Mit Ausnahme dieses Spruchs kenne ich alle - aber der ist tatsächlich unterste Schublade. Und eigentlich noch darunter. Denn "You can’t make good decisions as an adult if you were never allowed to make any decisions while you were a child." (dt.: Man kann als Erwachsener keine guten Entscheidungen treffen, wenn man als Kind nie die Möglichkeit hatte, Entscheidungen zu treffen.) - Wen Spencer


Machtnix53  31.10.2023, 15:21
Man kann als Erwachsener keine guten Entscheidungen treffen, wenn man als Kind nie die Möglichkeit hatte, Entscheidungen zu treffen.

Ein sehr treffender Spruch. Ohne Freiheit lernt man keine Verantwortung, sondern nur die Schuld eigener Fehler auf andere zu schieben. Erst wenn die Konsequenzen auf nichts anderes als eigene Entscheidungen zurückzuführen sind, bekommt man eine Ahnung davon, was Verantwortung ist.

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Lehrjahre sind keine Herrenjahre

Lehrjahre sind keine Herrenjahre - meist wird damit Jugendlichen Angst gemacht und ihnen das Gefühl gegeben, es stehen jetzt ein paar schlimme, demütigende und entwürdigende Jahre ins Haus, in denen man damit leben muss, nur gedemütigt zu werden, machtlos zuzusehen hat und froh sein muss, dass der Lehrmeister einen nicht auch noch ständig grün und blau schlägt. Schon zu meiner Zeit vor rund 15 Jahren war eine Ausbildung in den meisten Fällen schon in Ordnung und dieser Spruch war überholt.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

LuClRa  31.10.2023, 18:25

So überflüssig dieser Spruch.

Auch viele hier schreiben diesen ja oft🤦‍♂️👿.

Leider im Handwerk immer noch oft benutzt.

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rotesand  31.10.2023, 21:26
@LuClRa

Ja, vor allem dort - und auch dadurch hat das Handwerk ein schlechtes Image.

Dass die Firmen niemanden finden, hängt gerade im Handwerk auch an zu hohen Anforderungen oder veralteten Ansichten der Entscheidungsträger, aber die "Jugend von heute" ist aus meiner Sicht besser als ihr Ruf. Ein Personaler, mit dem schon gelegentlich zu tun hatte (Volksbank) meinte mal zu mir: Jeder muss bei der Stellensuche/-vergabe Kompromisse eingehen, und solange es passt sind beide Seiten zufrieden. So sehe ich das auch, aber erklär' das mal einem Altgedienten, der in einer Handwerksidylle von vor 40-50-60 Jahren zuhause ist und "neues Zeug" inklusive Computer allumfassend für "Sch...dreck" hält - auch das sollte man nicht für möglich halten, aber ich habe so etwas mehr wie einmal erlebt und das gibt es immer noch, man muss nur mal raus aufs Land fahren.

Viele Personaler und Firmen leben gerade auf dem Land in einer Berufswelt, in der die 90er scheinbar nie aufgehört haben und wo der "Stift" ein unterbezahlter Larry ist, der irgendwelche fragwürdigen und mit dem zu vermittelnden Inhalt an sich nicht im Zusammenhang stehenden Jobs machen muss, die sonst keiner verrichten will, als Freiwild für üble Beleidigungen und Demütigungen, die nach dem Motto "ist doch nur Spaß" mit schallendem Lachen der Gesellen und unter Mitwirken des Meisters fertig gemacht werden fungiert, oftmals nicht ernstgenommen wird und mit dem typischen, in vielerlei Variationen so oder so ähnlich gebräuchlichen Spruch "na ja, Lehrjahre sind keine Herrenjahre und ich würde vor 45 Jahren von meinem Lehrherrn grün und blau verprügelt und von meinem versoffenen Vater daheim erst recht, nun motz' mal nicht, du weißt gar nicht, wie gut es dir geht" bitter lächelnd abgefertigt wird, wenn er dennoch mal sagt, was er denkt ------> das wollen die Jugendlichen halt nicht (mehr) mit sich machen lassen, weil sie die Wahl haben: ich selbst würde das auch nicht wollen, wäre ich davor, mir eine Lehrstelle zu suchen. Tut mir leid, aber ich (gelernter Industriekaufmann - Lehrzeit war okay) kann die Kiddies verstehen.

Und solange irgendein Land-Handwerkskammer-Mensch sich weiterhin irgendwo hinstellt und im Brustton der Überzeugung die duale Ausbildung (sowie sich selbst) trotz aller ihm sicher auch bekannten Missstände in den Himmel lobt und die Jugend per se lächerlich macht, was ein Pressevertreter zu notieren hat und von den Leuten am Morgen danach in der Zeitung gelesen wird, wird sich da nix ändern. Ich habe mehrfach schon solche Situationen erlebt und dachte mir - man sollte es eigentlich nicht für möglich halten. Einmal ca. 2018 war es besonders schlimm mit so einem 70-Jährigen von der IHK, der da wohl ehrenhalber Präsident gewesen ist. Der Mann erweckte den Eindruck, in seiner eigenen Vergangenheit und im Handwerksbereich von vor 40-50 Jahren zuhause zu sein; dem würde ich es ohne Weiteres zutrauen, dass er sich darüber beklagt, dass Auszubildende nicht mehr verprügelt werden dürfen.

Solange solche Leute für das Handwerk bzw. die Industrie stehen und die Jugend belächeln oder sogar treten statt sie zu fördern, wird sich auch nichts ändern. Kein junger Mensch geht freiwillig - wenn er es nicht muss - in ein Berufsfeld, wo er sich vom ersten Tag nicht akzeptiert und subtil als dilettantischer Taugenichts deklariert sowie abgelehnt fühlt. Das hat nix mit verwöhnten Kiddies zu tun, sondern ist die Wahrheit.

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LuClRa  31.10.2023, 21:36
@rotesand

Bin ganz bei dir. Ich, auch Industriekfm.😁, habe eine tolle Firma, die auch ihre Handwerker gut behandelt.

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rotesand  31.10.2023, 21:37
@LuClRa

Das sollte eigentlich Standard sein, ist es aber oft leider nicht - viele sind da auch verwöhnt und wissen ihre Belegschaft nicht zu schätzen bzw. sitzen auf einem arg hohen Ross.

Ich persönlich gehe mit jedem offen und authentisch um - egal ob er Praktikant ist (wir haben selten welche) oder ein hoher Angestellter eines Kunden. Und so bin ich erfolgreich geworden - die Leute fühlen sich gut aufgehoben, weil es persönlich zugeht.

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LuClRa  31.10.2023, 21:41
@rotesand

Die AGs müssen ihre MAs schätzen lernen. Kein Wunder, dass man keine Leute findet. Und (meine) Generation Z ist teilweise zu Recht wählerisch.

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Solange Du Deine Füße unter meinem Tisch hast...

Diesen Spruch habe ich so verinnerlicht, dass ich schon früh dafür gesorgt habe, ihn nicht mehr hören zu müssen.

Dazu wäre natürlich noch der Turbo-Satz gekommen: 'Lehrjahre sind keine Herrenjahre' - nur dazu kam es nicht: ich habe einen anderen Weg beschritten.

Wenn schon keine Herrenjahre, dann habe ich mir zum mindesten die Wahl der Gestaltung erlaubt: mit einer Stelle in Paris, wo ich neben internationaler Berufspraxis gleich auch noch die Sprachkenntnisse ausbauen konnte. Es ist eine gute Entscheidung mit Auswirkungen auf mein ganzes Leben gewesen - bis heute !

Ich denke, solche Dauerbrenner sind didaktische Stimmungskiller, minimalpädagogische Elemente, zu denen Eltern gegriffen haben, wenn ihnen partout so schnell nichts anderes einfallen wollte. Vertiefenden Diskussionen hätten sie bestimmt nicht standgehalten!

Ob es heutzutage noch immer diese oder ähnliche Sätze gibt, entzieht sich mangels Nachwuchs meiner Kenntnis. Bei nervigen Kindern gestehe ich Eltern allerdings zu, sich im Zustand akuten Energiemangels zur Wehr zu setzen. Die Wortwahl ist dann evtl. halt nicht so prall.


LeniWendtland 
Fragesteller
 31.10.2023, 11:20

Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Auch mit den letzten beiden Sätzen bin ich einverstanden. Da fällt mir auch noch ein Spruch zu ein: "Wie man in dem Wald hineinruft..."

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Spielwiesen  31.10.2023, 11:27
@LeniWendtland

Stimmt - aber dessen Hintergrund kann ich grad noch so akzeptieren. :-) Da genügt es, sich mit sog. Spiegelneuronen zu befassen und schon macht man etwas anders.

Smileys sind übrigens Indikatoren für den 'Ton', in dem man gerade in den Wald hineinruft! (Mir hat schonmal jemand die Freundschaft gekündigt, weil ein entsprechender Smiley fehlte!) LG ◇♡◇

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Kinder mit nem Willen kriegen was auf die Brillen

Den Spruch finde ich furchtbar. Die anderen sind auch schrecklich. Gehört habe ich die alle schon mal. Zum Glück waren die aber nie auf mich bezogen oder nicht ernst gemeint.

Lehrjahre sind keine Herrenjahre

"Kinder mit nem Willen kriegen was auf die Brillen" kenne ich nicht.

Aber "Lehrjahre sind keine Herrenjahre" kenne ich und finde ich einen der schlimmsten Sprüche, weil er versucht, eine bescheidene Ausbildungszeit zu entschuldigen, anstelle anzunehmen, dass die Firma oder die Kollegen sich keine Mühe gegeben haben oder es einfach übertrieben haben.