78:8 warum "wir"?

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Viele meinen, es würde sich dabei um den Pluralis Majestätis handeln, die Argumentation ist aber nciht ganz konsistent, da Allah im Koran ebenfalls auch explizit "Ich" im Koran verwendet.

"Wir" wird überall da verwendet, wo Allah ein Mittel zum Zweck verwendet hat, beispielsweise wenn er den Engeln anbefohlen hat, etwas zu tun. Sicherlich hätte er auch die Macht dazu es selbstständig zu machen und die Engel hat er schließlich auch selbst erschaffen, aber er lässt einiges dennoch den Engeln machen.

Durch das "Wir" lehrt uns Allah somit auch bescheidenheit, wir sollen nicht immer "Ich" "ich" "ich", sondern auch die Taten von anderen würdigen und sie mit einschließen, so wie Allah es an diesen Stellen macht.

An anderen Stellen verwendet Allah aber explizit das "Ich".

Beispielsweise hier in der Surah Adh-Dhariyat, Verse 56:

Und Ich habe die Ginn und die Menschen nur darum erschaffen, damit sie Mir dienen (sollen).

Mit "Wir" ist der Pluralis Majestatis gemeint, in den semitischen Sprachen ist der Pluralis Majestatis ein Form des Respekts

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Auch wenn Allah der Erhabene in keiner Weise Seinen Geschöpfen ähnelt, können wir durch den Pluralis Majestatis begreifen, dass Er durch die Verwendung des Plurals Seine uneingeschränkte Macht und Größe und die Vollkommenheit all Seiner Namen und Attribute zum Ausdruck bringt, wie wir in folgenden Beispielen sehen können:

Beispiele:

„Wahrlich, Wir haben den Koran herabgesandt und wahrlich, Wir werden ihn bewahren.“ (Sura 15, Vers 9)

„Wir haben den Menschen ja in schönster Gestaltung erschaffen.“ (Sure Tiin, 95:4)

2. Durch den Plural werden materielle Ursachen miteinbezogen

Allah lehrt uns im Koran, dass es sich bei unserem Leben hier auf dieser Welt um eine Prüfung handelt:

„Derjenige, der den Tod und das Leben erschaffen hat, um euch zu prüfen, wer von euch die besten Taten begeht.“ (Sure 67, Vers 2)

Deshalb zeigt sich uns Allah nicht direkt, sondern verschleiert alles was Er tut mit Ursachen. Denn ansonsten würden wir Ihn sofort in jeder Sache erkennen und die Prüfung könnte nicht stattfinden.

Wenn Allah beispielsweise einen Menschen erschafft, dann lässt Er dies durch einen Vater und eine Mutter geschehen. Als Muslime wissen wir, dass letztendlich auch darin nur die Macht Allahs etwas bewirken kann und dass die Ursachen und Gründe in Wirklichkeit nichts bewirken (dies hat uns Allah bewiesen, indem den Propheten Adam ohne Vater und Mutter; und den Propheten Jesus ohne Vater erschaffen hat). Aber würde Allah den Menschen immer direkt erschaffen, ohne eine materielle Ursache wie Eltern, dann könnte der Glaube an das Verborgene keine Prüfung mehr für den Menschen sein. Es gäbe keine "falsche Antwortmöglichkeit" mehr für die Prüfung.

Eine Weisheit dahinter, dass Allah "Wir" anstelle von "Ich" benutzt, liegt also darin, uns darauf aufmerksam zu machen, dass Allah bei seinen Vorgehen immer auch Ursachen benutzt. Alles verläuft also nach Regeln, Gesetzen und Weisheit, durch die wir Menschen Allah erkennen können — Allah stellt Seine Macht nicht direkt zur Schau. Aus diesem Grund wurde das Diesseits auch Daru'l-Hikma (Ort der Weisheit) und das Jenseits Daru'l-Qudra (Ort der Macht) genannt.

Beispiele:

„Und Wir haben zu dir ja (im Qur'an) klare Zeichen hinabgesandt.“ (Sure 2, Vers 99)

Diesen Vers könnte man dann so verstehen: Wir (also Allah, indem Er die Engel als Ursache benutzt) haben zu dir ja (im Qur'an) klare Zeichen hinabgesandt.

„Wir haben den Menschen ja in schönster Gestaltung erschaffen.“ (Sure 95, Vers 4)

Entsprechend könnte man hier verstehen: Wir (also Allah, indem Er Vater und Mutter des Menschen benutzt) haben den Menschen ja in schönster Gestaltung erschaffen.

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Es ist ein Merkmal des literarischen Stils im Arabischen, dass sich eine Person aus Respekt oder zur Verherrlichung mit dem Pronomen nahnu (wir) ansprechen kann. Sie kann auch das Wort ana (ich) verwenden, das eine Person bezeichnet, oder die dritte Person huwa (er). Alle drei Formen werden im Koran verwendet, wo Allah die Araber in ihrer eigenen Sprache anspricht.

(Fataawa al-Lajnah al-Daa'imah, 4/143).

"Allah, möge Er verherrlicht und gepriesen werden, bezieht sich manchmal auf sich selbst in der Einzahl, durch den Namen oder durch die Verwendung eines Pronomens, und manchmal durch die Verwendung des Plurals, wie in dem Satz (Interpretation der Bedeutung): 'Wahrlich, Wir haben euch einen offensichtlichen Sieg gegeben' [al-Fath 48:1], und anderen ähnlichen Sätzen. Aber Allah bezieht sich niemals auf sich selbst, indem Er den Dual verwendet, denn der Plural bezieht sich auf den Respekt, den Er verdient, und kann sich auf Seine Namen und Eigenschaften beziehen, während der Dual sich auf eine bestimmte Zahl (und nichts anderes) bezieht, und Er steht weit darüber."

(Al-'Aqeedah al-Tadmuriyyah von Shaykh al-Islam Ibn Taymiyah, S. 75).

Diese Worte, innaa ("Wahrlich, Wir") und nahnu ("Wir"), und andere Formen des Plurals, können von einer Person verwendet werden, die im Namen einer Gruppe spricht, oder sie können von einer Person zum Zwecke des Respekts oder der Verherrlichung verwendet werden, wie es von einigen Monarchen getan wird, wenn sie Erklärungen oder Dekrete herausgeben, in denen sie sagen: "Wir haben beschlossen..." usw. [Dies ist im Englischen als "The Royal We" bekannt - Übersetzer]. In solchen Fällen spricht nur eine Person, aber der Plural wird aus Respekt verwendet. Derjenige, der mehr Respekt verdient als jeder andere, ist Allah, möge Er verherrlicht und erhaben sein. Wenn Er also im Qur'an innaa ("Wahrlich, Wir") und nahnu ("Wir") sagt, so geschieht dies aus Respekt und Verherrlichung, nicht um auf eine Mehrzahl von Personen hinzuweisen. Wenn eine solche Ayaat Verwirrung stiftet, ist es unerlässlich, zur Klärung auf die klaren, eindeutigen Aayaat zu verweisen, und wenn beispielsweise ein Christ darauf besteht, Ayaat wie "Wahrlich, Wir sind es, die den Dhikr (d. h. den Koran) herabgesandt haben" [al-Hijr 15:9 - Interpretation der Bedeutung] als Beweis für göttliche Pluralität zu nehmen, können wir diese Behauptung widerlegen, indem wir solche klaren und eindeutigen Aayaat zitieren wie (Interpretation der Bedeutungen): "Und euer Gott ist ein einziger Gott, es gibt keinen, der das Recht hat, angebetet zu werden, außer Ihm, dem Erbarmer, dem Barmherzigen" [al-Baqarah 2:163] und "Sprich: Er ist Allah, der Eine" [al-Ikhlaas 112:1] - und andere Aayaat, die nur auf eine Weise interpretiert werden können. So wird die Verwirrung für denjenigen, der die Wahrheit sucht, beseitigt. Jedes Mal, wenn Allah den Plural verwendet, um sich auf sich selbst zu beziehen, beruht dies auf dem Respekt und der Ehre, die Ihm gebührt, und auf der großen Zahl Seiner Namen und Eigenschaften und auf der großen Zahl Seiner Truppen und Engel."

(Referenz: Al-'Aqeedah al-Tadmuriyyah von Shaykh al-Islam Ibn Taymiyah, S. 109). Und

Wa Allahu a'lam

Und Allah weiß es am besten.

H471C3 
Fragesteller
 17.04.2022, 18:49

Danke, dass du dir die Zeit genommen hast es so detailliert zu erklären 🤍

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Meine Frage ist wer ist mit "wir" gemeint.?

Diese Form gab es im Deutschen auch.

ich (als Pluralis Majestatis; in Großschreibung)
BEISPIEL
Wir, Kaiser von Österreich

https://www.duden.de/rechtschreibung/wir

CalltoIslam  17.04.2022, 19:34

Akhi, schau Mal was dieser 2desmond jetzt behauptet, schau Mal unter seiner Antwort den letzten Kommentar

https://www.gutefrage.net/frage/wissen-christen-dass-die-bibel-neu-geschrieben-wurde#answer-450295835

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2desmond  17.04.2022, 22:22
@CalltoIslam

Der Allah spricht von sich von "ich". Ein "wir" zeugt ja nicht gerade von der Bescheidenheit, die er andernorts schätzt.

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CalltoIslam  17.04.2022, 22:24
@2desmond

3. Wieso benutzt Allah dann an manchen Stellen trotzdem "Ich"?

Die Gelehrten haben dies wie folgt erklärt: Kontexte, wo Allah von sich selbst mit "Ich" redet, dienen dazu die Einheit Allahs zu betonen. Wie bereits erwähnt, benutzt Allah bei der Erschaffung einer Sache Ursachen als "Werkzeuge", damit Seine Macht nicht direkt sichtbar ist. Aber in anderen Kontexten ist es genau umgekehrt: Allah macht deutlich, dass das, worüber geredet wird, explizit nur für Allah gilt — Seine Einheit soll also hervorgehoben werden.

Beispiele:

„Und Ich habe die Menschen und die Dschinn nur erschaffen, damit sie Mir dienen.“ (Sure 51, Vers 56)

Das Thema in diesem Vers ist der Gottesdienst. Und wie wir wissen, ist es uns verboten, etwas anderes neben Allah anzubeten oder etwas anderem zu dienen. Der Gottesdienst gilt also ausschließlich für Allah, weshalb Allah an dieser Stelle sagt "Ich habe die Menschen und die Dschinn erschaffen" und nicht "Wir".

„Gewiß, Ich bin Allah. Es gibt keinen Gott außer Mir. So diene Mir und verrichte das Gebet zu Meinem Gedenken.“ (Sure 20, Vers 14)

An dieser Stelle erzählt uns Allah, wie Er direkt zu dem Propheten Moses, auf dem Frieden sei, gesprochen hat. Er betont also, dass Er Allah höchstpersönlich ist und sich keine Barriere mehr zwischen den beiden befindet. Außerdem folgt der Satz "Es gibt keinen Gott außer Mir", womit Allah erneut betont, dass nur Er allein angebetet werden darf.

Wie wir also sehen, soll in den Versen, in denen Allah von sich selbst mit "Ich" spricht, Seine Einheit betont werden, während Allah in anderen Versen Seine Macht und Größe oder auch die Ursachen betont, die Er als Schleier für Seine Vorgehen benutzt.

Wa Allahu a'lam

(Und Allah weiß es am besten)

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