Leben als Atheist im einer religiösen Familie

Bevor ich zu meiner Frage komme werde ich zwangsläufig etwas weiter ausschweifen müssen, denn das Thema ist im Allgemeinen keine leichte Mahlzeit für mich.

Ich sehe mich als die Art von Atheisten an, die zwar grundlegend nicht ablehnen, dass es im Rahmen des Möglichen liegt, dass es eine Kraft, Energieform oder was auch immer gibt, die der Mensch einfach nicht verstehen kann, genauso wenig wie man einem tauben Lebewesen erklären kann, was hören ist. Dieses Lebewesen (vorrausgesetzt die kognitiven Fähigkeiten sind gegeben) würde vielleicht verstehen, dass es Longitudinalwellen gibt, die ein bestimmter Mechanismus im Ohr in elektrische Impulse umwandelt, doch es würde trotzdem nicht verstehen, was "hören" ist. Aber ich lehne diese Idee trotz der Möglichkeit ab, oder anders gesagt: Ich glaube nicht daran. (Das unterscheidet mich auch von Agnostikern)

Mein Problem ist nun, dass ich in einer sehr religiösen, katholischen Familie lebe und weiterhin, dass meine grundlegenden Prinzipien, die für mich schon fast die Züge von strengem Glauben annehmen (nur auf eine weit rationalere Art), mir quasi verbieten, meinem Umfeld vorzugaukeln, etwas zu praktizieren, an das ich nicht glauben kann und will. Selbst wenn ich gläubig wäre, wüsste ich, dass ich mich der katholischen Kirche wie sie nunmal ist, nicht zugehörig fühle. Ich verstehe auch nicht, wieso man einer riesigen komerziellen Firma erwas salopp ausgedrückt Geld in den Allerwertesten schieben muss, um an einen Gott zu glauben. Ich bin nunmal ein typischer Einserschüler,der sehr interessiert an Naturwissenschaften ist, sein Studium schon sicher in der Tasche hat und sehr logisch und rational denkt, ich kann nunmal nichts anfangen mit Glauben.

Ich habe also gestern ein sehr langes und anstrengendes Gespräch geführt und gemerkt, dass das zu nichts führt, weil dann lauter "Argumente" kamen, wie "du bist so egoistisch, dass du uns sowas antust", "wegen dir müssen deine Verwandten bei deiner Beerdigung trauern, weil deine Seele nicht in den Himmel aufgenommen wird", oder sogar Argumente wie "es enttäuscht mich von ganzem herzen, dass ich weiss, dass du nach meinen Tod nicht Rosenkranz beten wirst, um meine Seele zu erlösen."

Alleine schon wenn soetwas kommt, schreckt mich das total ab, weil das nach purem Hokuspokus klingt. Wie erkläre ich also meinen Eltern, dass sich das nicht ändern wird, auch nicht, wenn mir etwas schlimmes widerfahren wird? Diese Gelegenheitsgläubigen, die nur glauben, wenn sie etwas brauchen, verabscheue ich zutiefst. Ich will weder meinen Glauben vortäuschen, noch mich von meiner Familie distanzieren. Werde ich mich also auf jahrelange Diskussionen einstellen müssen ? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?

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Vorweg soviel: Mir gefällt sehr, was Du da geschrieben hast. 

Darüberhinaus: Du brauchst keine jahrelangen Diskussionen zu befürchten, zumal es für Diskussionen ja stets mindestens zwei Menschen braucht. Auch meine Eltern haben sich vor gerade 50 Jahren erfreulich schnell daran gewöhnt, dass ich mich vom ganzen Glaubensgejaul radikal und unumkehrbar verabschiedet habe. 

Dass Deine Eltern, wie mir scheint, keine Argumente für ihren Glauben vorbringen können, sondern nur moralinsaure Nötigungen mit dem Appell an Dein schlechtes Gewissen, halte ich für unfair und respektlos. 

Meine Empfehlung: Bleib' unbeirrt auf Deinem Emanzipationsweg und versuche trotzdem, Deine Eltern so gern wie möglich zu behalten.

Armin Gloor

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Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, an einen Gott zu glauben, aber tausend Gründe, um auf die ganze infantile Glauberei zu verzichten. Einer davon ist folgender: Schau' Dir mal die Persoenlichkeitsmerkmale der Dir bekannten Götter an: bis auf die Knochen unsympathisch, selbstgerecht, lernunfähig, brutal, sündenbesessen, jähzornig, rechthaberisch, eifersüchtig, willkürlich, die Menschen zu Deppen machend, wichtigtuerisch, respektlos, rachsüchtig, grausam... (subject to be continued). Wenn es einen Gott gäbe, der die Menschen auch nur ein klitze kleines bisschen lieb hätte, würde er sich ihnen gegenüber nicht so saublöd aufführen. - Ich hätte da noch eine Empfehlung (Empfehlungen kann man beachten oder ignorieren): Schau' mal, was passiert, wenn Du an keinen Gott glaubst. Ich versichere Dir: Es passiert nichts! Einfach überhaupt rein gar nichts! - Ich wünsche Dir viel Lebensfreude und Gelächter beim Ausprobieren.

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Ja, Glaube ist Aberglaube, daran besteht kein Zweifel. Es gibt zwar ein paar Aspekte, die die beiden Phänomene voneinander abheben, zum Beispiel: - Dass der Glaube etwas "Höherwertiges" sei als der Aberglaube, wird immer nur von Gläubigen behauptet. Für Nicht-Gläubige ist beides derselbe illusionistische und irreführende Blödsinn. - Um den Glauben herum gibt es eine Wissenschaft (die Theologie), die zwar keine ist, das aber umso dreister und beharrlicher behauptet. Um den Aberglauben herum gibt es meines Wissens keine vergleichbaren Gedankentürme - schon gar keine, die an einer Schule gelehrt würden. - Die Dümmlichkeit des Aberglaubens wird in der Regel mit weniger Widerstand anerkannt als die nicht mindere Dümmlichkeit des Glaubens. - Wenn abergläubische Glaubensinhalte organisiert würden, würden sie als religiöse Glaubensinhalte wahrgenommen. Die zahllosen Idiotenverbände der Esoterik veranschaulichen das in bedrückender Art und Weise. Empfehlung an die Fragerin bzw. den Frager: Wenn Du radikal auf die Botschaften des Glaubens und des Aberglaubens verzichten kannst, fühlst Du Dich leichter, beschwingter und gesünder. Hab' meine besten Wünsche, Armin Gloor

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Theologie ist eine Fachdisziplin, die man an staatlichen Universitäten studieren kann. Gleichzeitig ist sie die einzige akademische Fachdisziplin, die noch keinen einzigen Nachweis dafür geliefert hat, dass ihr zentraler Forschungsgegenstand - nämlich Gott - überhaupt existiert. Aus diesem Grund sollte man meines Erachtens die Theologie aus den akademischen Lehrplänen entfernen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

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Die Frage nach der Gerechtigkeit stellt sich ja immer dann, wenn ein Urteil, eine Entscheidung, eine Bewertung u. dgl. ergangen ist. Weil sich sowas auf ganz verschiedene Gegenstände beziehen kann (z.B. auf rechtliche, moralische, künstlerische, politische etc.) und zudem auf grundsätzlich subjektiven Kriterien und Motiven beruht, ist Deine summarische Frage im Grunde nicht beantwortbar - schon gar nicht mittels theologischer Texte. Aber im Alltag könnte vielleicht das weiterhelfen: Wenn ein Urteil so beschaffen ist, dass es von allen Betroffenen ohne Verlierergefühle akzeptiert werden kann, könnte es gerecht sein.

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