Diese Frage ist nicht so leicht mit ja oder nein zu beantworten. Früher hatten die Kinder mehr Respekt, das ist richtig, aber ist "Respekt" nicht auch mit strenger Erziehung - Strafe wenn das nicht so gemacht wird - mit vielen Regeln verbunden? Für mich war es selbstverständlich, vor älteren Menschen aufzustehen oder mich gar zu entschuldigen, wenn ich sitzen blieb. Das brauche ich heute nicht mehr, ich stehe freiwillig auf oder bleibe sitzen und beides ist ok, da ich verantwortungsbewusst handle.
Das provokative Verhalten vieler Jugendlicher sehe ich als Zeichen ihrer "Unreife" und fühle mich nicht angegriffen.
Das heißt aber auch, dass ich als "Ältere" mit gutem Vorbild vorausgehen muss. Nicht über Jugendliche lästere sondern eigentlich bedaure, dass sie niemand haben, mit welchem sie das Tema "wie wirkt mein Verhalten auf andere" in angemessener Weise diskutieren und reflektieren können.
Auf der anderen Seite bin ich sehr, sehr froh, dass "Prügeln" nicht mehr zum "Alltag" gehört, sondern Eltern und Erzieher welche Prügeln bestraft werden können. In dieser Beziehung sind wir einen guten Schritt weiter.
Hier in der Schweiz sind die Jugendlichen in der Regel nicht so "respektlos", Füsse auf den Sitz legen, ist nicht so verbreitet.
Früher fand ich besser, das die Eltern nicht alleine für die Erziehung verantwortlich waren, sondern meistens im Familienverband lebten, da konnten die Kinder mehr Erfahrungen mit liebevollen "Älteren" machen, hatten auch negative Beispiele, ganz klar. Aber wenn ich mit meinen Eltern streit hatte, musste ich nicht auf die Strasse sondern konnte zu Oma, Tante, Onkel und hier meinen Kummer loswerden, wurde bedauert oder auch korrigiert, aber immer mit dem Hintergrund, dass man mich liebte, auch wenn ich "ungezogen" war. Ich hatte immer einen Erwachsenen, mit welchem ich in Ruhe meine Probleme besprechen konnte, der mir half, mich in der Welt der Erwachsenen zurecht zu finden. Heute lastet da sehr viel auf den eigenen Eltern und sie sind oft an ihren Grenzen und überfordert. Das war früher besser, ich hatte aber auch das Glück, in einem geborgenen Umfeld groß zu werden.
Heute ist besser, dass nicht Zucht und Regeln den Alltag bestimmen. Das "Du musst" die Erziehung nicht mehr so bestimmt. Die Regeln nicht mehr so streng sind. Das heißt aber auch, dass ich mehr Verantwortung übernehmen und zeigen muss, ich respektvoll und verantwortungsbewusst mit meine Mitmenschen umgehen muss, nicht öffentlich in der Bahn z.B. über Jugendliche lästere, denn warum sollen sie sich gut benehmen, wenn ich sie missachte.
Lästern und schimpfen und jammern ist für mich eh nicht der richtige Weg um etwas positiv zu verändern - ich kann nicht verlangen, dass ich mit etwas negativem ein positives Ergebnis bekomme.
LG. Tricola