Ist jetzt schon eine Weile her & vielleicht hast Du Antwort schon längst, aber wenn ich Dich richtig verstehe, beschreibst Du einen Zustand der Läuterung.

Zumindest wenn Begriffe wie "besinnen/umbesinnen", "realisieren", "sich ertappen/ertappt fühlen", "Einsicht" oder "sich bewußt/gewahr werden" es noch nicht ganz treffen.

Dein Beispiel beschreibt aber gewissermaßen auch Scham, Zurücknahme, sich korrigieren oder zurückrudern/zurückziehen.

Der Klassiker für „still werden, nachdem man sich zu weit vorgewagt hat“
„Ich hab mich dann lieber zurückgenommen.“

Falls Du schon eine Antwort gefunden hast, würde sich mich jedenfalls brennend interessieren :)

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Natürlich, deshalb gibt bzw. gab es historisch ja all die verschiedenen christlichen Konfessionen überhaupt. Weil zu keiner Zeit Einigkeit herrschte, welche Praxis die "wahrhaft Richtige" ist. Das ist bis heute so.

Manche Leute vergessen gerne oder ignorieren bewusst, dass das Christentum ja selbst schon als jüdisch-apokalyptische Splittergruppe/Sekte entstanden ist, die im Widerspruch zur Tradition und Mehrheitsmeinung stand. Jesus war Jude, der sich für rechtgläubig hielt und laut den Evangelien völlig unmissverständlich für die Befolgung des "Gesetzes", der Tora, stand, weshalb wir im Christentum ein "Altes Testament" haben, das Jesus' selbsterklärte Überzeugung und Ansichten (und die Prophezeiungen des Messias ;) enthält - doch für andere Juden seiner Zeit lag er eben falsch.

Jesus betont in den Evangelien lediglich die entscheidende Bedeutung, sich öffentlich zu ihm zu bekennen. Er macht klar, dass die Anerkennung seiner Person und Sendung die Voraussetzung für die Anerkennung durch den Vater ist.

Matthäus 10,32-33:
„Wer sich nun zu mir bekennt vor den Menschen, zu dem werde auch ich mich bekennen vor meinem Vater im Himmel. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den werde auch ich verleugnen vor meinem Vater im Himmel.“

analog

Lukas 12,8-9:
„Ich sage euch aber: Jeder, der sich zu mir bekennt vor den Menschen, zu dem wird sich auch der Menschensohn bekennen vor den Engeln Gottes. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, der wird auch verleugnet werden vor den Engeln Gottes.“

Und Paulus schreibt es in seinem Brief an die Römer (Röm 10,9-10):
"Denn wenn du mit deinem Mund bekennst: »Jesus ist der Herr! «, und wenn du in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, dann wirst du gerettet. Denn mit dem Herzen glaubt man, um gerecht zu werden, und mit dem Mund bekennt man, um gerettet zu werden."

Wie Du Dein Bekenntnis ausdrückst, kann Dir zumindest mit Berufung auf die Bibel niemand mit gesicherter Autorität vorschreiben. Jesus selbst nennt darin nur zwei Rituale: einmalig die Taufe (vgl. Johannes 3,3-5 & den "Missionsbfehl" an die Jünger in Matthäus 28,19-20), sowie das Abendmahl als Gedächtnisritual (Lukas 22,19-20 & 1 Kor 11,23-26).
Wenn Du darüber hinaus Jesu Wort und Beispiel genau folgen willst, müsstest Du im Grunde die jüdischen Feste wie Pessach und Chanukka feiern, wie er es tat. Alles andere - vom Vater-Unser bis zum Kreuzschlagen sowie sämtliche Liturgie, Fastenbräuche, Feiertage etc. - sind spätere Traditionen und Konventionen im Gedenken an Jesu Leben und Wirken, über deren Verbindlichkeit oder gar Ablauf die Texte des NT kein Wort verlieren.

Und rein theoretisch müsstest Du Dir halt aussuchen, welche christlichen Schriften für Dich überhaupt als verbindlich gelten, aber das geht vielleicht etwas zu weit :) Mir persönlich gefällt z.B. das Thomasevangelium gut und sprich mich an. Die allermeisten heutigen Konfessionen betrachten es als apokryph oder lehnen es als herätisch ab.

Mir ist das egal, weder Origines, noch Athanasius von Alexandria, noch Eusebius von Cesarea, noch sonst irgendein Kirchenvater oder -lehrer waren Zeitzeugen und wussten hundert(e) Jahre später, welche Evangelien wirklich authentisch und verbindlich sind und welche nicht. Ihre Kriterien waren ohnehin meist Zirkelschlüsse: Authentisch war angeblich, was "apostolisch" war, also von einem Apostel stammte, was "orthodox" (rechtgläubig) war, d.h. mit den Lehren der Kirche in Übereinstimmung stand und was "populär", also in Gemeinden allgemein im Umlauf war. Was also nicht in ihr jeweiliges, bereits erlerntes Bild der rechten Lehre passte oder zu ihren Lebzeiten weniger verbreitet war, konnte demnach nicht von einem Apostel stammen und war damit nicht authentisch. Merkste selber.

Jedenfalls waren für Jesus - nach unserem heute verbreiteten Kanon - Grundsätze entscheidend wie Taufe (Johannes 3,3-5 & Matthäus s.o.), Buße und Abkehr von der Sünde (Matthäus 4,17 / Lukas 13,3), die Befolgung der Gesetze/Gebote Gottes (und genau genommen der Verzicht auf weltlichen Besitz aufgrund der bevorstehenden Apokalypse, s. Matthäus 19,16–22 / Markus 10,17–22 / Lukas 18,18–23) - und natürlich die Akzeptanz Jesu als Erlöser und Weg zum Vater (Matthäus 11,27 / Johannes 14,6 etc.).

Wenn man schließlich bedenkt, wie scharf sich Jesus gegen die starre, heuchlerische und ausbeuterische Institutionalisierung von Religion wandte, wie sie von den religiösen Führern seiner Zeit praktiziert wurde (vgl. Matthäus 23,1-36) und wie sehr er gleichzeitig immer wieder die innere Haltung des Glaubens, der Liebe und der Gerechtigkeit hervorhob, die nicht auf äußerlichen Ritualen und hierarchischer Macht fußte, dann denke ich, kann man guten Gewissens auf etablierte Konfessionen (und ihr auch heute teilweise vergoldetes und marmoriertes Ambiente) verzichten. Ironischerweise sind die meisten Konfessionen ja in der Absicht entstanden, zurück zum Ursprünglichen zu finden, nur um irgendwann selbst zur starren Institution zu werden.

So oder so: Alle christlichen Kirchen kamen als organisierte Institutionen lange nach Jesu Zeit und behaupten alleinig seine Lehre weiterzutragen, während alle anderen mehr oder weniger falsch liegen. Ob nun eine oder keine von denen Recht hat, liegt bei Dir und Deinem Verständnis des Neuen Testaments. Die einzige Antwort, die man nach 2.000 Jahren Streiterei wohl ausschließen kann, ist, dass alle Recht haben ;)

Viel Erfolg auf Deinem Weg.

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