Lieber Lukas,
das Thema „Kurze Hosen im Winter“ erscheint unerschöpflich. Seit etwa drei Jahren nimmt die Anzahl kurzer Hosen bei Jungs und jungen Männern im Winter sichtbar zu. An den jetzt schon kalten Tagen fiel das wieder deutlich auf. Ein massentauglicher Modetrend wird das in Deutschland jedoch nicht, so bewerte ich das. Wenn es kalt ist, zieht man sich warm an und trägt in der Regel lange Hosen. Das ist so. Das weiß jeder. Es wird bei wenigen Probanden, vorwiegend in Städten im jugendlichen und jungen Alter bleiben.
Aus soziologischer Betrachtung beschäftige ich mich mit dem Thema. Wie war das früher und wie verläuft die Entwicklung heute? Am gefragtesten sind ehrliche Antworten von Leuten, die im Winter selbst kurze Hosen tragen. Oder in deren Umfeld das gelebt wird. Ich weiß jedoch nicht, ob hier überhaupt eine dafür interessierte Zielgruppe liest und schreibt.
Was tragen die Wintermutigen gegenwärtig?
Das sind keine kunterbunten Hosen die bis zu den Waden reichen und keine Schlabberhosen die an den Knien enden. Es erstaunt: Gerade im Winter werden, wenn überhaupt, recht kurze Hosen getragen, die weit oberhalb oder Mitte der Oberschenkel enden. Im Gegensatz zu manchen Trends vergangener Jahre kann das meiner Ansicht nach sogar gut aussehen - jugendlich, sportlich, aktiv, dynamisch. Ansichten sind bekanntlich verschieden, weshalb ich meine Meinung nicht verallgemeinern will.
Ein „Stil" ist am häufigsten zu sehen:
Schuhe: Sneaker flach, weiß oder Turnschuhe hoch, oft weiß
Socken: keine oder Füßlinge oder Sportsocken kurz, oder mit Label am Schaft
Hose: kurze Sporthose, oft mit Label am Bein, schwarz oder kurze Stoffhose mit Seiten- und Gesäßtaschen
Jacke: Kapuzenjacke / Hoodie, schwarz oder Daunenjacke, schwarz
Mütze: Bascap, schwarz oder andere Farbe oder Strickmütze, schwarz oder andere Farbe
Absolut angesagt ist bei den kurzen Sporthosen heute schwarz. Bei Frauen gab es früher die Bezeichnung „kleines Schwarzes" für einen verbreiteten Kleiderstil. Für junge Männer kann man jetzt von der „kurzen Schwarzen" reden, wenigstens im Sommer? Auch Jacken und Mützen sind oft schwarz, aber auch in anderen Farben zu sehen.
Ich glaube es gibt mehrere Gründe die sich gegenseitig ergänzen und zu der Entscheidung führen, im Winter immer oder nur zu bestimmten Tagesabläufen, kurze Hosen zu tragen.
Befragungen ergaben interessante Hintergründe:
1. Zugehörigkeit
„Trendsetter" werden bewundert, dienen oft als Vorbild. Das gilt auch in der Schule, besonders in der Pubertät. „Mein Klassenkamerad wird bewundert. Er hatte im Januar noch eine kurze Hose an. Das machte ich dann auch. Es gefällt mir. Ich dachte vorher, ich würde ständig frieren. Bei Frost ziehe ich wieder die lange Hose an." Der „Gruppenzwang" kann viel bewirken. Solange man sich nicht „fremd gesteuert" fühlt, erscheint das in Ordnung. Ausprobieren um sich kennen zu lernen geht immer. Man darf auch sagen: das ist mir auf die Dauer zu kalt. Ich ziehe wieder lange Hosen an. Das wäre ja die Regel.
2. Bequemlichkeit
Jungs und Männer möchten es bequem. In einer langen Jeans kommt man bei körperlicher Betätigung schnell ins Schwitzen. Eine lange Hose kann einengen, unbequem sitzen. „Wenn ich 8 Stunden in einem überheizten Raum bin, ist die Kurze wunderbar. Den Gang ins Freie empfinde ich trotzdem als angenehme Abkühlung. Da friere ich lieber ein paar Minuten auf dem Weg oder wenn ich mal länger unterwegs bin."
3. Erotische Komponente
Die Mädchen schauen nach den Jungs, auch welche Markenklamotten sie tragen. Jungs die sich trauen im Winter in kurzer Hose aufzutreten sind Gesprächsthema und werden „gefeiert". Vermutlich schwingt hier unbewusst eine erotische Komponente mit. „Ich war gespannt ob Tom bei diesen Temperaturen wieder in Sportshorts kommt. Seine Beine finde ich mega ... , ... und bei der Kälte! Ich möchte mal seine kalten Beine anfassen ..." Solche Wertschätzung bleibt den Jungs nicht verborgen. Sie fühlen sich angesehen wenn die Mädchen begeistert sind. (Die Jungs schauen natürlich genauso wie sich Mädchen kleiden. Erinnert sei an den Trend der „bauchfreien" Mode in den 1990er Jahren. Wenn sich manche Mädchen im Bus zur Haltestange hochreckten, gab die kurze Winterjacke den nackten Bauch und den Rücken über dem Steißbein frei. Piercing oder Tattoo gehörten oft dazu, wurden sichtbar und erhitzten die Gemüter der Eltern und Lehrer. Nach zwei Wintern war diese Mode vorbei ... gut oder schlecht? Je nach Sichtweise.)
4. Eigener Style
Mancher überzeugte winterliche Shortsträger entwickelt seinen eigenen Stil und steht dazu, sozusagen als „Markenzeichen". Das sind oft kluge Leute in gehobenen Positionen, die sich ihr eigenes Wohlbefinden sehr selbstbewusst gönnen. „Während meines Studiums merkte ich, wie wohler ich mich überall in Shorts fühlte und behielt die Kurze im folgenden Winter bei. Das blieb seit 16 Jahren so. Das wird voll akzeptiert. Ich bin ja auch der Geschäftsführer." Oft sind ihre kurzen Hosen von wertiger Qualität und passen gut zur übrigen Garderobe. Hier stimmt das Gesamtbild. Ein wertschätzender Umgang ist ihnen sicher.
5. Selbstdarstellung
Sie gehen ins Sportstudio, machen Kraftsport, ihr Körper ist durchtrainiert, oft wohlproportioniert, manchmal sogar übertrieben. Arme, Schulter, Brust oder Waden sind oft tätowiert. „Ich bin ein „harter Kerl", will zeigen was ich habe. Dazu gehört ganz klar die kurze Hose, gerade auch im kalten Winter, das machen wir fast alle." Das sind die Unerschrockenen, die auch bei deutlichen Frostgraden nie zugeben, dass sie wirklich frieren. Sie haben einen starken Willen und ziehen das auch schadlos durch. Dann soll es so sein.
6. Sonstige
Dazu zählen winterliche Gesellen mit nackten Beinen, die sich keiner der zuvor beschriebenen Gruppen zuordnen lassen: Außenseiter, die auffallen wollen, möglich ist ein nicht strafbares sexuelles Bedürfnis. Sie sind selten in kurzen Hosen zu sehen, sie frieren gut sichtbar und wirken eher verstörend. Eine wenig sagende Antwort eines Probanden war: „Ich habe heute festgelegt, dass Sommer ist." Solche Ausnahmen sind nicht repräsentativ und fallen aus der Betrachtung.
Die Schilderung von Erlebnissen und Meinungen zum Tragen kurzer Hosen im Winter sind erwünscht. Interessant sind auch die Regionen und Orte. Bekanntlich gibt es regionale Unterschiede. Alles sollte der Wahrheit entsprechen. Erfundene Fakten und Wunschvorstellungen können die praktische Erforschung des sozialen Verhaltens im Rahmen der soziologischen Entwicklung von Bekleidungsgewohnheiten nicht dokumentieren. Vielleicht gibt es ähnliche Fragen, zu denen sich vorhandene oder überlieferte Antworten finden?
Freundliche Grüße