Würdet ihr dieses Buch lesen - oder ist es schlecht?

Irgendwo dort draußen lag der Friedhof verlassen da. Hier, so weit oben, hatte man eine gute Sicht auf das Städtchen und die dahinter liegenden Felder und Wiesen, die immer wieder vom Verlauf des schmalen Baches durchbrochen wurden. In der Nacht war Schnee gefallen, der dem Ganzen ein friedliches Antlitz verlieh. Ein paar Krähen, die hoch über den Tannen ihre Runden drehten, kreischten. Ansonsten war es totenstill.

Sie schlang den abgetragenen Mantel enger um sich und öffnete das schmiedeeiserne Tor, dann stapfte sie durch den tiefen Schnee zu den weit hinten liegenden Gräbern nahe des Waldrandes. Das Mädchen war abgemagert bis auf die Knochen, ihre Haut leichenblass und all ihre Bewegungen fahrig. Sie kniete sich nieder und betrachtete wortlos den Grabstein, der vor ihr lag. Luisa ... zum Sterben war sie viel zu jung gewesen, nie durfte sie erwachsen werden. Auf ihrem schneebedeckten Grab lagen die schönsten Blumensträuße, aufwendige Gestecke und abgebrannte Kerzen. Als sie starb, hatte die ganze Stadt getrauert. Luisa war kaltblütig ermordet worden.

Das Mädchen stand langsam auf, blickte ein letztes Mal auf die Ruhestätte zurück. Es war eine seltsame Art von Frieden, der sie erfüllte. Sie war froh, dass die Geschichte ein Ende genommen hatte. 

Dann ging sie mit zügigen Schritten davon. Es würde das letzte Mal sein, dass sie hier war, denn endlich würde sie dem allen ein Ende setzen: Sie würde ihre Heimat verlassen, endlich gehen, auf in die Ferne, die Vergangenheit hinter sich ruhen lassen.

In Gedanken versunken lief sie den Weg herunter, bis sie am Friedhofstor mit jemandem zusammenstieß.

»Entschuldigung«, stammelte sie, dann erst schaute sie auf. Sie schaute den jungen Mann mit den rotbraunen Haaren und den grünen Augen einen Moment lang entgeistert an, dann brachte sie hervor: »Viktor?«

Die Stimme des Mannes war rau, sein Gesicht war eingefallen. Er sah erschöpft aus, gezeichnet vom Leben, doch die schmalen Falten um seine Augen verrieten, dass er einer war, der das Lachen liebte.

»Ich bin David, sein Bruder.« Er reichte dem Mädchen die Hand. Auch sie nannte ihren Namen.

»Du kanntest ihn gut, nicht wahr? In seinem letzten Brief erzählte er von dir.«

Sie nickte kaum merklich. Dann sagte sie leise: »Ich kannte ihn beinahe mein ganzes Leben lang. Seit er hierher kam.«

»Ich frage mich einfach nur, warum er das getan hat. Er ist mein Bruder. Er ist mir verdammt wichtig ...« Auch Davids Stimme klang brüchig, er war den Tränen nahe.

»Er hat es für mich getan. Viele sagen, dass ich schuld sei«, flüsterte sie.

David schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht.«

»Du glaubst mehr an die Unschuld eines fremden Mädchens als an die deines Bruders?«

»Das ist nicht wahr.«

»Also«

Dann wandte sie sich ab und lief mit langsamen Schritten den weiten Weg zur Stadt zurück. David sah ihr lange hinterher, bis auch er sich umdrehte und zu dem Grab des Mädchen, das von seinem Bruder ermordet worden war, ging.

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