Mir wurde damals erklärt, dass ich durch das Antidepressivum, was ich einnahm, endlich anfangen werde richtig zu leben, dass hieß unter anderem auch, dass ich dann anfangen werde, mir andere Freunde zu suchen (obwohl ich mit den damaligen nicht unglücklich war, aber sie alle waren intelligenzgemindert und haben mich nach Aussagen meiner damaligen Psychiaterin "in meiner normalen, gesunden psychosozialen Entwicklung ausgebremst".)
Desweiteren sollte ich anfangen, mich für sexuelle Themen zu interessieren, da dies zu dem damaligen Zeitpunkt (mit 18) nicht der Fall war. Aber auch dort war ich zufrieden. Außerdem sollte ich anfangen, regelmäßig an jugendtypischen Aktivitäten wie z. B. feiern gehen, teilzunehmen. Ich habe mich nicht wie 18, sondern wie 11, 12 verhalten. Auch meine Körpersprache und meine Art zu reden waren so.
Mit Themen für junge Erwachsene konnte ich noch nichts anfangen, habe mich dabei überfordert gefühlt. Vor allem intellektuell. Jüngere Kinder/Jugendliche (ca. 13-16) haben mich wie ein jüngeres Kind behandelt. Sie haben mich oft als "hängengeblieben" und "geistig behindert" bezeichnet. Das hat mich gestört, aber ich habe mich nicht dagegen gewehrt, weil ich nicht wusste wie. Die anderen waren ja tatsächlich weiter als ich. Ich habe sie als älter wahrgenommen und hatte somit deutlich Respekt vor ihnen.
Trotzdem war ich nicht unzufrieden, aber mein Umfeld, einschließlich meiner Eltern und Großeltern haben immer wieder gesagt, dass meine somatisierten Beschwerden davon kommen und ich mein Leben ändern müsse, um gesund zu werden, selbst dann, wenn ich in manchen Bereichen keinen Leidensdruck hätte.
Diese Sorge war sicher nicht unberechtigt. Mir wurde gesagt, dass diese "Symptome" durch die Einnahme von Antidepressiva verschwinden würden. Ich habe das natürlich geglaubt. Ich wollte ja, dass der sekundäre Leidensdruck durch mein Umfeld aufhört. Ich war damals davon überzeugt, dass die Medikamente mich quasi "in die Pubertät bringen würden" und die entsprechende Entwicklung dann von alleine kommt.
Ich hielt das für ein normales, selbstbestimmtes Erwachsenenleben für notwendig, denn so wie ich vorher war, wurde ich als unreif wahrgenommen und dementsprechend schlecht behandelt. Doch durch die Wirkung der Medikamente habe ich mich nur von mir selbst entfremdet gefühlt. Meine Vorlieben, was den Freundeskreis angeht, haben sich nicht geändert. Ich habe auch immer noch keine Lust auf Weggehen und Feiern bekommen und auch das sexuelle Interesse hat sich nicht eingestellt.
Hintergrund meiner Frage ist, weil man auf vielen Internetseiten bei der Frage, ob Antidepressiva die Persönlichkeit ändern, lesen kann: "Nein, Antidepressiva bringen den Menschen wieder in einen Zustand, dass er wieder er selbst sein kann. Die Depression hat den Menschen verändert, deshalb kommt es dem Umfeld so vor, als hätte derjenige eine veränderte Persönlichkeit."