Wer mal eine Einschätzung sehen möchte, wie sich die Steuerreformpläne der Parteien voraussichtlich auf das Einkommen auswirken, kann hier mal schauen:
https://www.zew.de/fileadmin/FTP/ZEWKurzexpertisen/ZEW_Kurzexpertise2105.pdf
Die FDP propagiert immer die Freiheit der Wirtschaft. Zwar soll sich der Staat laut der FDP nicht in die Wirtschaft einmischen, es gibt jedoch viele Subventionen durch den Staat (und somit den Steuerzahler), die die FDP nicht erwähnt und auch nicht streichen möchte. So toleriert man z.B. die Subventionierung von Diesel oder Flugzeugtreibstoff, fordert aber keine Förderung von Elektrofahrzeugen. Wie passt das zusammen? Außerdem stellt sich die Frage, wie neue alternative Treibstoffe auf den Markt kommen sollen, wenn die alten und klimaschädlichen künstlich am Leben erhalten werden? Das passt auch nicht zusammen und zeigt, dass die FDP Klientelpolitik für diejenigen macht, die von den Subventionen profitieren, die man schön verschweigt. Auch der Bahnbetrieb ist ein gutes Beispiel dafür. Laut Wahlprogramm soll der Staat (und somit der Steuerzahler) die Infrastruktur für die Züge bereitstellen und die privaten Unternehmen fahren. Die freuen sich natürlich, weil die Bürger für ihre Infrastruktur zahlen und sie als großes Unternehmen die Kosten auf die Allgemeinheit abwälzen. Übrigens gibt es auf den Schienen keine Konkurrenz, denn es können nur mehrere Unternehmen fahren, wenn sie sich absprechen. In England, dem Land des Liberalismus, will man die Bahn wieder verstaatlichen: https://www.zeit.de/wirtschaft/2016-12/grossbritannien-southern-railway-streik-bahnfuehrer/seite-2?utm_referrer=https%3A%2F%2Fduckduckgo.com%2F
Die weltbekannte Schweizer Bundesbahn ist übrigens staatlich – und deutlich günstiger!
Einen großen Widerspruch gibt es auch im Steuerhaushalt, es wurde ja im Video schon erwähnt. Laut dem ZEW (Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) hätte der Staat durch die Steuersenkungen der FDP (von denen die niedrigeren Einkommen kaum profitieren) ein Defizit von 87 Milliarden Euro. Der „Wirtschaftsweise“ Achim Truger geht sogar von über 200 Milliarden aus. Und wenn die FDP dann an der Schuldenbremse festhält, die Corona-Schulden im Turbo tilgen, ein Digitalisierungsministerium einrichten und die Bundeswehr aufrüsten will, kann eigentlich jeder sehen, dass dies ein enormer Widerspruch ist. Auch Michael Hüther, Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft, sieht diesen Teil des FDP-Programm kritisch, obwohl er der Partei eigentlich nahesteht.
https://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/bundestagswahl-2021-steuerplaene-von-cdu-csu-spd-die-gruenen-fdp-die-linke-und-afd-im-vergleich-a-f2b71fb9-3574-4470-8061-20ae0526f167
Die FDP wirbt, dass Mieten automatisch günstiger werden, wenn mehr gebaut wird. Wirtschaftsanthropologen und Wirtschaftshistoriker zeigen oft, dass die Modelle von Ökonomen nicht immer der Realität entsprechen. Wohnen kann günstiger werden, wenn mehr gebaut wird. Aber nur, wenn der Vermieter dazu bereit ist. Wenn in Frankfurt, Stuttgart etc. mehr gebaut wird, können das auch Eigentumswohnungen oder generell teure Wohnungen sein. (Was in der Vergangenheit der Fall war). Davon profitiert niemand, der dort in der Pflege, als Handwerker etc. arbeitet. Wien ist ein hervorragendes Beispiel, wie sozialer Wohnungsbau gut funktionieren kann.
https://www.deutschlandfunk.de/sozialer-wohnungsbau-warum-wiener-guenstig-wohnen.769.de.html?dram:article_id=428615
https://www.wien.info/de/sightseeing/architektur-design/sozialer-wohnbau-359334
Die FDP wirbt auch mit Bürokratieabbau: Damit werben wirtschafsliberale Parteien seit der Ära des „Neoliberalismus“ (Thatcher, Reagan etc.) und dennoch zeigen Studien, dass Bürokratie immer mehr geworden ist. Man kann eher sagen, dass jede Ankündigung, Bürokratie abzubauen, immer woanders neue Regelungen erschafft. Als Information empfehle ich:
https://www.penguinrandomhouse.de/Taschenbuch/Buerokratie/David-Graeber/Goldmann/e508230.rhd
Man sollte im Hinterkopf behalten, dass die FDP wie jede andere eine Partei ist, die die Interessen einer bestimmten Gruppe vertritt. Die profitieren von gewissen Regelstreichungen, die andere schützen. Z.B. Arbeitnehmerrecht. Bürokratieabbau klingt im Programm gut, aber immer bedenken, wessen Interessen die Partei meistens vertritt. Womit natürlich nicht gesagt ist, dass das immer so ist. Aber ein neues Ministerium für Digitalisierung und eine europäische Armee erzeugen ja auch wieder Bürokratie…
Der Gedanke hinter dem Vorhaben, durch Steuererleichterung (für eher Reiche) mehr Investitionen in der Wirtschaft zu haben, ist die Trickle-Down-Theorie. Die FDP ignoriert, dass dieser Wirtschafsmythos nie funktioniert hat. Und deshalb senkt sie vor allem Steuern für die mit „mehr“ Geld. Zur Einführung: https://de.wikipedia.org/wiki/Trickle-down-Theorie#Kritik
Die FDP will die Gewerbesteuer streichen. Durch Wegfall der Gewerbesteuer haben die sowieso verschuldeten Kommunen keine finanzielle Grundlage mehr. Sie sollen etwas von dem Geld erhalten, was eigentlich die Länder benötigen. Sieht schlecht aus für öffentliche Schwimmbäder, Schwimmkurse, Sportangebote, Musikschulen etc.
Noch zum Abschluss: Erbschafts- und Vermögenssteuer machen durchaus Sinn, da sie die Schere von Arm und Reich bekämpfen können. Wolfgang Grupp (TRIGEMA), der selbst eigentlich schwarz oder gelb wählt, hat dieses Jahr in einem Interview gesagt, dass er die „linken“ Forderungen nach höheren Spitzensteuern, Vermögensteuer und Erbschaftssteuer nicht ablehnen kann, da die „Vermögenderen“, z. B. Investoren und Unternehmer ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nachkommen und dadurch große Probleme in der Gesellschaft erzeugen, die dann die Normalbürger ausbaden.
Es gibt übrigens gerade eine Initiative deutscher und österreichischer Millionäre, die sich für höhere Steuern für Superreiche einsetzen. Eben Steuergerechtigkeit.
https://www.taxmenow.eu/quellen
https://www.arte.tv/de/videos/105505-000-A/taxmenow-eine-buergerbewegung-will-steuerprivilegien-kippen/
Und ein längeres Interview: https://www.youtube.com/watch?v=n6a1v9cn_A4