Hallo squanch,
ich würde mich selbst als eher "Rechter" einordnen und finde die von Dir zitierten Wikipedia-Definitionen durchaus treffend und interessant. Dann aber schreibst Du:
"... ist es schon eindeutig und objektiv moralischer und einfach "besser" Gleichheit und Fairness anzustreben, Unterdrückung, soziale Ungleichheit und Benachteiligung abschaffen zu wollen, als die Ungleichheit als gegeben und sogar als gut und richtig zu sehen."
In diesem Satz wirfst Du vieles miteinander zusammen, was nicht zusammengehört, nämlich zum Beispiel "Gleichheit" offenbar automatisch mit "Fairness". Und "Ungleichheit" offenbar automatisch mit "Unterdrückung". Das sind aber in beiden Fällen völlig unterschiedliche Dinge. In obiger Definition von "rechts" ist denn auch von der Befürwortung von Unterdrückung und von einer generellen Ablehnung von "Fairness" keine Rede. Im Gegenteil: In der von Dir selbst zitierten Wikipedia-Definition von "liberalen Rechten" heißt es ja explizit, dass diese liberalen Rechte "Ungleichheit nur dann für gerechtfertigt hält, wenn sie das Resultat eines fairen (!) Wettbewerbs (...) ist." Eine solche liberale Rechte steht dem Wert der Fairness somit positiv gegenüber, nicht negativ.
Eine solche liberale Rechte hätte sicherlich auch nichts gegen die Bekämpfung von Unterdrückung auszusetzen, sodass es in diesem Punkt keinen Dissens zur politischen Linken gäbe. Beispielsweise dürfte Dir ja bekannt sein, dass die rechte Partei im deutschen Bundestag sich besonders dezidiert gegen die Unterdrückung von Frauen durch radikal-islamistische Ideologie wendet. Bekanntlich halten es Kritiker innerhalb des linken Spektrums wie zum Beispiel Kevin Kühnert für eine Blamage, dass die politische Linke dieses Thema der AfD überlässt, da es gemäß Deiner obenstehenden Wikipedia-Definition von "links" eigentlich ein linkes Kernthema sein müsste. (Dass Kritiker wiederum der AfD vorhalten, unzureichend zwischen Islam und Islamismus zu unterscheiden, steht auf einem anderen Blatt.)
Auch die von dieser Partei betonte Notwendigkeit von demokratischen Strukturen und der eindeutigen Verurteilung von Gewalt gegenüber politischen Gegnern ist das Gegenteil von Unterdrückung. Tatsächlich ist objektiv unverkennbar, dass die politische Linke paradoxerweise derzeit die stärkste Tendenz zur Unterdrückung von politischen Gegnern aufweist. Sodass sie entweder ihre Prinzipien völlig verraten hat - oder die Wikipedia-Definition ist beschönigend und linkslastig.
Wenn "rechts" also tatsächlich ein Synonym für Unterdrückung und Unfairness wäre, dann wäre Deine Argumentation vielleicht schlüssig, dass "links" generell moralischer ist. Dem ist aber nicht so, wie ich eben anhand von einigen Beispielen gezeigt habe und diesbezüglich noch viel weiter ausholen könnte mit vielen weiteren Beispielen.
"Ungleichheit" hingegen trifft zwar als Charakteristikum für die politische Rechte insgesamt im Großen und Ganzen zu, aber das ist etwas völlig anderes als Unterdrückung (übrigens verwechseln Linke auch ständig "Gleichheit der Menschen" mit "Gleichwertigkeit der Menschen", weshalb sie den falschen Schluss ziehen, dass Gleichheits-Gegner automatisch schlechte Menschen wären).
Und daher: Nein, die Befürwortung von "Gleichheit" ist nicht moralischer als "Ungleichheit". Denn die Frage ist ja immer, was der Preis für ein zu starkes Maß an Gleichheit ist und zu welchen Ergebnissen und Konsequenzen eine Politik der Gleichheit führt, nämlich z.Bsp. in der Wirtschaftspolitik: Eine Reduzierung der wirtschaftlichen Kraft und in der Folge ein verminderter Lebensstandard der oberen UND unteren Einkommensschichten. Oder zum Beispiel das Argument gegen Frauenquoten: Frauen nützt es auch nichts, weil es auf die Frauen zurückfällt, wenn fachlich ungeeignete Frauen in hohe Ämter gelangen.
Ob dem nun so ist, dass Gleichheits-Politik zu negativen Ergebnissen und auch für arme Menschen zu einer Verschlechterung der Lebensverhältnisse führt, ist im Einzelfall natürlich zwischen Links und Rechts zu diskutieren. Bis zu einem gewissen Grad haben ja auch die meisten Rechten nichts gegen einen Rest an Gleichheit, z.Bsp. die gleichen Grundrechte für Männer/Frauen, oder dass Jeder einen Anspruch auf Sozialleistungen hat und so weiter. Bei Frauenquoten, Einheitsschulen oder Mietendeckel sieht das bekanntlich schon anders aus. Bei diesen drei Themen wäre dann zu diskutieren, ob die Ungleichheits-Politik der Rechten falsch oder richtig ist. Aber auch wenn man sie als falsch erachtet: Dass Rechte von vornherein mit moralisch niederen Beweggründen solche Positionen vertreten, kann man aus den von mir ausgeführten Gründen eben nicht sagen.
Es ist freilich nichts Neues, dass viele (nicht alle) politische Linke sich aufgrund solcher irrtümlicher Gedankengänge für die besseren Menschen halten, was einer der wesentlichen Gründe für die Vergiftung des politischen Klimas ist. Dass der dadurch erzeugte Zorn und Hass zu einer Radikalisierung und Verhärtung des konservativen bzw. demokratisch-rechten Spektrums führt und somit die Linken genau jene "rechte Menschenverachtung" heranzüchten, vor der sie doch so vehement und hysterisch warnen - tja, so weit denken die meisten Linken in ihrem engen Horizont nicht...