Meinung des Tages: Was haltet Ihr von Habecks Vorschlag des schuldenfinanzierten Sondervermögens für die deutsche Wirtschaft?

Die deutsche Wirtschaft hat strukturelle Probleme - für 2024 hat der IWF (Internationaler Währungsfonds) eine neue, durchaus pessimistische, Prognose für die deutsche Wirtschaft veröffentlicht. Ein Miniwachstum von 0,5 Prozent wird Deutschland darin zugesprochen - damit würde Deutschland in den sechs Wirtschaftsräumen und 16 Ländern, die vom IWF analysiert wurden, als Schlusslicht dastehen. Auch in der Politik wird händeringend eine Lösung gesucht, sodass der Wirtschaft wieder Aufschwung verliehen werden kann. Bundeswirtschaftsminister Habeck hat dafür nun einen Vorschlag erbracht, der teils für lange Gesichter sorgt: Ein schuldenfinanziertes Sondervermögen soll die Wirtschaft entlasten. Doch ist das der richtige Weg?

Drohende Rezession

Zum Jahresende 2023 ist die deutsche Wirtschaft geschrumpft. Das Statistische Bundesamt gab bekannt, dass das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal um 0,3% im Vergleich zum Vorquartal zurückging. Auch im direkten Vergleich zum letzten Quartal 2022 ist ein Rückgang sichtbar: um 0,2 Prozent. Sofern auch im laufenden ersten Quartal 2024 die deutsche Wirtschaft zum zweiten Mal in Folge schrumpfen würde, ergäbe das laut wissenschaftlicher Definition eine Rezession.

Belastungsfaktoren der Wirtschaft

Unternehmen in fast allen Wirtschaftsbereichen klagen über die sinkende Nachfrage, so erklärte es der ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Auftragseingänge seien rückläufig, Stornierungswellen besonders im Bereich des Wohnungsbaus würden durchs Land schwappen, so seine Aussage.
Notenbanken haben aufgrund der Inflation sowohl in Europa als auch in Nordamerika die Leitzinsen angehoben, wodurch die Finanzierungen von Investitionen wesentlich teurer werden. Außerdem wird die Wirtschaft auch durch Sonderfaktoren wie den derzeit extrem hohen Krankenstand sowie den Streik der Deutschen Bahn und die außergewöhnliche Kälte im Januar beeinflusst.
Eine Trendwende ist bisher nicht in Sicht.

Habecks Vorschlag

Laut Koalitionsvertrag soll die Schuldenbremse eingehalten werden. Ein Sondervermögen, welches schuldenfinanziert wäre, könnte laut dem Wirtschaftsminister ein möglicher Ausweg aus der aktuellen Lage sein. Unternehmen könnten Sondervergünstigungen sowie zusätzliche Abschreibungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen. Eine konkretes Volumen für diesen Sondertopf nannte er allerdings nicht.

Reaktionen auf den Vorschlag des Sondervermögens

Innerhalb der Koalition wurde dieser Vorschlag prompt zurückgewiesen. Der FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler argumentierte, dass zwar die Rahmenbedingungen für den Wirtschaftswachstum in Deutschland verbessert werden müssten, er den Weg über weitere Schulden jedoch für falsch hielte.

Auch der CSU-Ladesgruppenchef Alexander Dobrindt erteilte dem Vorschlag eine klare Absage. Neue Sonderschulden, so sagte er der DPA, brauche das Land nicht, denn diese würden nur zur "Verlängerung des Ampel-Elends" führen. In seinen Augen bräuchten Unternehmen eine Ausweitung des Energieangebots, Senkungen der Unternehmenssteuern und weniger Bürokratie.

Jens Spahn richtete seine Kritik gegen die Person Habecks und dessen Politik selbst - bevor Robert Habeck der Union Gespräche anbieten würde, solle er erst einmal den Zusammenhalt innerhalb der eigenen Koalition aufbauen. Seit zwei Jahren regiere Habeck - mit dem Ergebnis der Rezession in Deutschland. Für Spahn ist deutlich: Der Standort Deutschland ist in Gefahr.

Der Abgeordnete der AfD Wolfgang Wiehle bezeichnete die Energiewende als unbezahlbar. Für ihn sei grün die politische Farbe des Abstiegs.

Unsere Fragen an Euch: Was denkt Ihr über den Vorschlag Habecks? Wäre ein schuldenfinanziertes Sondervermögen die "Rettung" für die deutsche Wirtschaft? Was für andere Optionen zur Entlastung von Unternehmen könnte es geben? Welche Gründe gibt es in Euren Augen dafür, dass Deutschland 2023 als einzige große westliche Industrienation wirtschaftlich geschrumpft ist?

Wir freuen uns auf Eure Antworten

Viele Grüße und einen guten Start ins Wochenende!
Euer gutefrage Team

Quellen:

https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/habeck-will-wirtschaft-mit-sondervermoegen-ankurbeln,U33JVDu
https://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/deutsche-wirtschaft-2024-iwf-erwartet-nur-05-prozent-wachstum/100009708.html
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/bip-deutschland-q4-100.html

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Ehrliche Antwort:

Wieso brauchen wir überhaupt (mehr als 0,5%) Wirtschaftswachstum.
Was bringt es, wenn die Wirtschaft wächst, aber der allgemeine Wohlstand gleich bleibt oder sogar zurück geht?

Der Wirtschaft geht es zB auch teilweise dann besonders gut, wenn es den Menschen besonders schlecht geht. Zum Beispiel nach schweren Unwettern, wenn vieles zerstört ist und wieder aufgebaut werden muss oder noch extremer, nach Kriegen.

Das Beispiel zeigt, dass die Behauptung "Geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut" jedenfalls nicht immer stimmt. Aber wieso glauben wir, dass sie meistens stimmt?

Mittlerweile haben wir eine Produktivität, die hoch genug ist, um uns alle problemlos zu versorgen. Wir produzieren mehr Dinge, als wir sinnvoll verwenden können. Es werden viele Güter sogar direkt weggeworfen, ohne jemals verkauft worden zu sein. Die Betriebe müssen selber auch wachsen, weshalb sie geplante Osboleszenz betreiben. Ein Handy wird typischerweise nach 2 Jahren kaputt, eine Waschmaschine spätestens nach 10 Jahren. Dabei könnte das Handy 15 Jahre halten und die Waschmaschine 50 Jahre.

Vom allgemeinen Wohlstand zum individuellen Wohlergehen.
Geht es mir wirklich besser, wenn ich nach 2 Jahren schon wieder ein neues Handy kaufen muss? Nein. Mir geht es auf den Nerv, dass ich mich schon wieder damit befassen muss, welches ich kaufe.
Geht es mir besser, wenn ich 40h arbeiten muss um etwas zu produzieren/verkaufen, was eigentlich nicht wirklich gebraucht wird?
Nein. Es ginge besser, wenn ich nur 25h arbeiten müsste und dann auch nur Dinge produzieren/tun würde, die wirklich gebraucht werden.

Individuelles Wohlergehen und Thema Klima (weils in den anderen Antworten genannt wurde):
Geht es mir besser, wenn die Flutkatastrophe mein Haus zerstört hat?
Offensichtlich nein. Der Wirtschaft geht es dann besser. Aber ich bin halt nicht die Wirtschaft.

Individuelles Wohlergehen und Luxus:
Geht es mir besser, wenn ich zum Wirtschaftswachstum beigetragen habe und mein Chef sich dadurch einen neuen Sportwagen kaufen kann? Nein.
Geht es mir besser, wenn ich mir selber einen neuen Sportwagen kaufen kann? Eigentlich auch nicht. Weil es ist und bleibt ein Statussymbol und wenn ich darauf angewiesen bin, ist das eigentlich sehr traurig.

Worauf ich hinaus will:
Wirtschaftswachstum und Wohlstand sind nicht so miteinander verbunden, wie es manchmal dargestellt wird.
Klar, wir stehen im Wettbewerb mit anderen Ländern und wir müssen unabhängig sein usw und brauchen Macht, damit wir uns zur Wehr setzen können.
Aber geht das wirklich nur mit Wirtschaftswachstum?
Vielleicht wärs mal Zeit, dass dafür eine andere Lösung gefunden wird.

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