Hallo,
Du, ich lebe mit meiner Partnerin, die an einer Eßstörung leidet, seit 8 Jahren zusammen und bin ganz verzweifelt, denk manchmal ich verliere mich selbst.
'Hab mich da ausgiebig mit befaßt, hab Fachbücher gekauft, mit schlauen Menschen gesprochen, war in einer Selbsthilfegruppe usw. Weißt Du, ich hab dazugelernt, vergiss zu dick oder zu dünn, vernünftig essen oder ausspucken und all die körperlichen Dinge.
Ne, die Fülle an Gedanken und Empfindungen, Sehnsüchte, Ängste, Hoffnungen, Erwartungen die auf Dich einströmen tust Du verarbeiten. Wenn Du ein sensibler Mensch bist, ist das viel, das ist zunächst einmal toll, schau Amerika, Donald Trump, oder Rechtsradikale oder so nen Mist, an geistiger Armut leidest Du also nicht.
Du hast einen Mechanismus gefunden tiefe, schwere Empfindungen auszuhalten, indem Du bestimmst was in Deinen Körper hinein darf und was nicht, was hinaus muss, wieviel Du aushalten kannst, über das Essen.
Deine Seele ist reich, das steht außer Frage. Nun haben wir aber trotzdem ein Problem: Deine Gefühle über das Eßverhalten zu lenken ersetzt Dir einen Teil Deines Bewußtseins, die Dinge, die Du so nicht schlucken kannst, das was Dir schwer fällt zu verdauen, etwas das Dir im Magen liegt.
Du, mir fällt das Leben auch nicht leicht, mit großen Augen steh ich manchmal da. Und weißt Du warum ich verzweifelt bin? Weil die Bulimie meiner Partnerin alles was sie tut, alles was sie sagt, alles was sie denkt, jede Geste, jede Miene, prüft bevor sie etwas freigibt, weil sie zum lebenswichtigen kognitiven Ersatzorgan geworden ist. Ich liebe Ihre Seele und ich spüre Ihre Seele und ich kenne Ihre Sehnsucht und komm da trotzdem nicht hin.
Was ich Dir sagen will: sie ist nicht sie selbst, die Eßstörung besetzt einen Teil ihrer Identität. Und das willst Du nicht riskieren. Du kannst was tun: mit lieben schlauen Menschen sprechen über ihre Werte, ihre Ziele, Deine, ihre Ängste, Deine Sehnsucht, Ihre. Das kann auch ein Psychologe sein, eine Freundin von mir ist Psychologin, ein schlauer toller Mensch.
Eh, ich war so verzweifelt, hab die Straße vor lauter Tränen nicht mehr gesehen und bin am Pfarramt angehalten, stell dir das mal vor, ich, wenn Du mich kennen würdest, undenkbar, und hab gesagt, da bin ich, brauch Rat ( und ich bin 50 Jahre alt, wie ein kleines Kind ). Ein wundervolles Gespräch bis Mitternacht, unglaublich.
Also, durchaus skurile Wege probieren, auf Zeichen achten, auf Deinen Magen hören, vertrauen irgendwem auch wenn das gefährlich ist.
Alles Gute
Thomas