Hi,
bei mir wurde vor 1,5 Jahren ADHS im Erwachsenenalter diagnostiziert.
Meine Erfahrungsstory zur medikamentösen Behandlung von ADHS bei Erwachsenen mit Elvanse adult und Medikinet
(30mg, 50mg, 60mg): Ich bin zum Glück an einen Arzt geraten, der mir direkt Elvanse adult verschrieben hat.
Nach jahrelanger Odyssee von Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen war dies endlich ein Medikament, das in den Bereichen wirkt, wo ich es benötige.
- Einstellung auf die richtige Dosis
Allerdings falsch lief bei mir die Einstellung auf das Medikament (zu schnell in zu großen Schritten aufdosiert, keine tägliche Aufsicht)
Dies führte dazu, dass ich unnötigerweise in den ersten ca. 2 Wochen häufiger Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen und Rebound hatte, aber auch den Unterschied spüren konnte, welche Dosis hilfreich und welche zu viel war
- Erfahrungen mit anderen Medikamenten zur Behandlung von ADHS
Zwischenzeitlich wurde mir Medikinet verschrieben, um im Bedarfsfall kurzfristig nachjustieren zu können. Das hatte allerdings so krasse Wirkungen, dass ich damit gar nicht klar kam und es nur 2 mal versucht habe.
Im Austausch mit anderen erwachsenen ADHS Patienten hat Elvanse adult auch sehr positiv abgeschnitten Strattera und Medikinet aber auch gut.
- Erfahrung mit Dauereinnahme aktuelle Nebenwirkungen
Nun über 1 Jahr später habe ich abgesehen von zwischzeitlichem Herzklopfen (ca. 2 Std nach Einnahme etwa über 2-3Std), keinerlei Nebenwirkungen mehr und nicht das Gefühl gedämmt oder in meiner Persönlichkeit verändert zu sein.
Allgemeine Wirkung von Elvanse adult für Außenstehnde einfach erklärt
Die Wirkung ist aber in jedem Fall reizhemmend, also genau das, was sie tun soll. Davon sind alle Sinne aber Appetit, Lust usw. ebenfalls betroffen. Ich versuche es Außenstehenden immer so zu beschreiben: Ohne Medikament sind vor all meine Sinne Verstärker geschaltet. So wird aus dem kurzen Gedanken "attraktiver Mann" in meinem Kopf ein 5x so lautes und forderndes "ich will jetzt sofort Sex mit diesem Mann!!!" oder aus "ich liebe den Geruch nach frischen Waffeln" wird "Ich will jetzt sofort eine Waffel, ach und noch eine und noch eine!!". Solange ich den Mann sehen oder Waffeln riechen kann, solange bin ich unersättlich. Elvanse hat die Verstärker leiser gemacht oder abgeschaltet. Jetzt muss ich lernen die Dinge überhaupt wahrzunehmen, weil ich mich mein Leben lang nur angesprochen fühlte, wenn ich angeschrien werde und freue mich darüber endlich satt sein zu können.
Was ist zu beachten, Risiken abschätzen
Das Medikament kann/ sollte/ darf nicht dauerhaft ohne fachgerechte medizinische Versorgung eingenommen werden. Das Beste ist, dass es nur über 12 Std wirkt. Sprich, stellst du Nebenwirkungen fest, hören sie spätestens nach 12 Stunden auf und du sprichst mit deinem medizinischen Fachpersonal darüber.
Es ist anzuraten die Einstellung in einer Klinik, Tagesklinik oder Reha zu machen. Dort werden dann täglich Vitalwerte fachlich überprüft und überwacht.
Mein Fazit, Gedanken warum ich mich für die Einnahme entschieden habe
In der Risiko/Nutzenabwägung stelle ich für mich fest, dass die Auswirkungen vom ADHS bei mir momentan deutlich einschränkender, akut gesundheitsgefährdend und nicht nur Risiken in Aussicht stellen sondern eindeutig negative Fakten geschaffen hat und weiterhin schaffen wird, wenn ich mein Leiden nicht behandle.
Das Medikament dem Zweck dient aus einem Stadium wo ich akut leide heraus zu kommen und mich im besten Fall in die Lage versetzt durch Therapie, Psychoedukation und Methodentraining irgendwann ohne medizinische Unterstützung leidensfrei mein Leben zu leben. Bis dahin dient mir das Medikament als Krücke, um mich in Therapie etc. nicht ständig selbst zu sabotieren.
Und wenn ich nicht mehr ohne Krücke laufen kann, dann nicht. Mein Gehirnstoffwechsel hat einen chronischen Mangel, er wurde erkannt und tolle Forscher und Mediziner haben herausgefunden, wie ich trotzdem ein "normales" Leben führen kann.
Jemand mit chronischer Stoffwechselstörung wie Diabetis würde doch auch in der Risiko/ Nutzenabwägung zum Ergebnis kommen, dass Insulin zu spritzen nun Teil des eigenen Lebens ist. Dennoch kann man seinen Lebensstil versuchen so zu wandeln, dass es die eigene Gesundheit begünstigt. Oder je nach Diabetistyp man sogar wieder ohne Insulin leben kann.
Was gilt es zu bedenken:
Fragen, die du dir selbst stellen solltest: Leidest du an deinem ADHS und wie sehr? Welche Möglichkeiten hast du und nutzt du bereits, um dein Leiden zu behandeln (Therapie, Psychoedukation, Reha, Selbsthilfegruppe...) ? Hast du medizinisches Fachpersonal (Psychiatrie/ Neurologie) dem du vertraust? Hast du die Möglichkeit einen ordnungsgemäßen Einschleichprozess durchzuführen und erlaubst dir, dass sich dein Leben verändert und dieser Prozess deine Einwilligung und Energie benötigt? Ungefähr so, als würdest du dein Leben kopieren aber in einem anderen Land mit einer anderen Sprache leben.
Die Tablette ist nur der Sprachkurs. Du gehst beispielsweise regelmäßig hin, aber wenn du keine Lust hast die Sprache zu lernen und weiterhin im Alltag nur Deutsch sprichst, dann wirst du nicht das Leben führen können, das du möchtest.
Eine Tablette ist kein Zaubermittel und ADHS ist nur dann eine Krankheit, wenn man darunter leidet. Elvanse kann deine Krücke sein, wenn du nicht mehr fallen willst. Wenn du aber laufen kannst oder du dich mit dem Rollator wohler fühlst oder vollkommen zufrieden damit bist bequem im Rollstuhl zu fahren, dann ist dir die Krücke keine Hilfe.
Wenn man an ADHS leidet, können u.a. Medikamente helfen nicht mehr zu leiden.
Ich freue mich von dir zu lesen.
LG
ShineSein