Hallo,
ich hatte in der Familie einen ähnlichen Fall. Mir ist dabei aufgefallen, dass diese Person eine innere Unzufriedenheit in sich trug (das kam dann raus, als diese Person in Momenten der Trauer offen wurde und sich mir anvertraut hat). Es spielt sicherlich noch eine verzerrte Selbstwahrnehmung eine Rolle. Mach dir bewusst, dass er sich vermutlich nicht bewusst ist, was er dir und sich selbst antut. Womöglich (alles sind nur Vermutungen von mir) weiß er nicht wie er auf andere wirkt. Kann es vielleicht auch sein, dass er nicht akzeptieren kann, dass du anders denkst als er?
Es gibt einige Kinder, die ihre Eltern an Reife überlegen sind. Es wäre möglich dass das auch hier der Fall wäre.
Nur, was bringt dir das alles? Wie kannst du besser damit umgehen?
Mir persönlich hat geholfen, dass ich in erster Linie versucht habe ihn zu verstehen. Was treibt ihn an, derart böse zu dir zu sein?
Ich habe angefangen mit ihm zu reden, was auf heftigen Widerstand gestoßen ist ("Komm mir nicht mit deinem Psycho-Gelaber"). Ist das machbar bei dir? Mit ihm zu reden?
Wenn man sagt "Geh mal zum Psychologen" unterstellst du ihm ja, dass er ein Problem hat (ganz davon abgesehen ob es so ist oder nicht) und viel schlimmer noch, dass er ein "Psycho" ist (mir ist in diesem Zusammenhang auch aufgefallen, dass Menschen, die nie über ihren Tellerrand schauen, eine festgefahrene Meinung haben von der sie nicht bzw. nur schwer wieder abweichen. In meinem Fall war es so, dass diese Person eher eine negative Vorstellung von Psychologen hatte. Kein Wunder war er so wütend)
Hinzu kommt noch, dass jemand mit dieser Art der verzerrter Selbstwahrnehmung niemals auf die Idee kommen würde, etwas stimme nicht mit ihm. Es sind immer die Anderen ;-) "ICH brauche einen Psychologen? Will sie mir damit sagen, dass ich geisteskrank bin? Tzzz.... die hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank! Wenn hier einer einen Psychologen braucht, dann wohl sie, die mir sowas unterstellt!"
Ich habe alles was er gesagt hat, an mir abprallen lassen.
Wie habe ich das angestellt?
In dem ich versucht habe, seine Sichtweise nachzuvollziehen. Er hat wohl sehr offensichtlich eine eingeschränkte Sicht der Dinge (beschränkt im Geist, nicht über den Tellerrand sehen, keine andere Meinung zulassen, da nur die eigene die einzig richtige ist etc.). Er sieht die Dinge nur aus seiner Perspektive. Ich behaupte jetzt mal, dass er sich noch nie die Mühe gemacht hat, sich in deine Gedankenwelt hineinzuversetzen. Deshalb ist es für ihn auch so schwer, Ratschläge anzunehmen. Er sieht sich nicht so wie du ihn siehst. Folglich hat er auch kein Problem. Kannst du mir folgen?
Es hat mich wütend und traurig gemacht, von jemanden so behandelt zu werden. Aber: es macht nur wütend und traurig, wenn man sich wütend und traurig machen lässt. Das ist wohl leichter gesagt... ich kann hier nur aus eigener Erfahrung sprechen. Irgendwann habe ich die Dinge rationaler betrachtet.
Was ich auch versucht habe: ihm den Spiegel vorzuhalten. "Wie würdest du dich fühlen, wenn..." oder auch "Stell dir vor, Person X/deine Frau/Chefin/Chef etc. kommt zu dir und schreit dich total an und stellt Behauptungen auf, die überhaut nicht stimmen. Wie ergeht es dir dabei?" Man kann hier nur hoffen, dass er so viel Einsicht hat, dass es klick macht und er kapiert was du ihm sagen möchtest. Denn dann wärst du so weit zu sagen "Ja, und ich fühle mich so und so, wenn du dies und das zu mir sagst. Ist dir das bewusst?"
Es kostet Kraft. Der ganze Prozess hat Kraft gekostet. Aber es hat sich gelohnt.
Wichtig für mich: auch ich musste meine Sichtweise ändern. Ich musste lernen, zu akzeptieren, dass er sich ändern kann. Und wenn er sich geändert hat, dass ich nicht in die alten Muster falle "Wenn ich das zu ihm sage, dann das...". Räume ihm die Freiheit ein, die du dir von ihm wünscht.
Ich hoffe ich konnte dir irgendwie 1, 2 Denkanstöße geben, die dir irgendwie nützlich sein werden.
Kannst mich sonst gerne nochmal kontaktieren.
Alles Gute und liebe Grüße