Hallo meereen,
also zunächst einmal habe ich volles Verständnis dafür, dass Du über Deine Beschneidung wütend bist. Jeder Mensch, der sich schon einmal intensiv mit dem Eingriff und seinen Folgen befasst hat, kommt zu dem Ergebnis, dass es sich um eine gravierende Körper- und Menschenrechtsverletzung handelt. Dogmen und Stammtisch-Parolen wie etwa "weibliche Genitalverstümmelung ist aber viel schlimmer" oder "ist doch nur ein kleines Stück Haut" sind falsch. Laß Dich also bitte nicht verunsichern von Leuten, die hierüber leeres Geschwätz von sich geben, aber die Thematik nicht kennen.
Nun zum Juristischen. Hier müssen wir unterscheiden zwischen Strafrecht und Zivilrecht.
Im Strafrecht wird die Vorhautamputation zumeist als einfache, nicht als qualifizierte Körperverletzung betrachtet, weswegen sie 3 Jahre nach der Tat verjährt ist.
Im Zivilrecht verjährt die Körperverletzung seit dem Jahre 2000 innerhalb von 30 Jahren, wobei es einen gewissen Rückwirkungseffekt für diejenigen Verletzungen gibt, die zum Zeitpunkt des Erlasses dieser sehr langen Verjährungsfrist ihrerseits noch nicht verjährt waren. Ich bräuchte hierfür also das genaue Datum des Eingriffs. um die Berechnung vorzunehmen.
§ 1631d BGB ist nach Aufassung derjenigen Juristen, welche sich mit dem Tatbestand der Vorhautamputation inhaltlich dezidiert befassen und nicht nur aus Gründen des Appeasements, ohne nähere Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage, eher fadenscheinige Statements von sich geben, klar verfassungswidrig. Darauf kommt es jedoch nicht an. Ich weiß nicht, wann Du beschnitten wurdest - ich habe aber auch nicht alle Beiträge hierzu durchgearbeitet - aber jedenfalls nicht im erst letztes Jahr, oder? Ich gehe einmal davon aus, dass Deine Vorhautamputation vor Dezember 2012 stattgefunden hat. Dann kommt es auf § 1631d BGB schlicht und ergreifend nicht an.
Je nachdem, ob also die Verjährung eingetreten ist oder nicht, kann also prinzipiell eine zivilrechtliche Klage erhoben werden. Im Zivilrecht existiert auch nicht so etwas wie "Verbotsirrtum". Hier geht es nur um die Frage des Sorgerechts. Wenn Du jedoch den Klageweg beschreitest, ist es von immenser Bedeutung, dass sich Dein Anwalt/ Deine Anwältin mit der Vorhautamputation, ihrer Schwere und ihren Folgen sehr gut auskennt bzw. dass Du diese Informationen beisteuerst.
Es KÖNNTE sein, dass das Gericht entscheidet, dass zum Zeitpunkt Deiner VA noch nicht klar war, dass eine Genitalverstümmelung selbst dann schädlich ist, wenn sie an einem Jungen und nicht etwa an einem Mädchen praktiziert wird. Diese sexistische Unterscheidung ist tief im Bewußtsein vieler Menschen verankert, die Beiträge hier sind gute Beispiele hierfür. D.h. es käme auf den Grad der Fahrlässigkeit und der Sorgfaltspflichtverletzung an. In dieser Beziehung besteht durchaus ein gewisses Prozessrisiko. Du solltest also über die Finanzierbarkeit nachdenken, es sei denn, Du warst bereits zum Zeitpunkt der VA bei der gleichen Versicherung rechtssschutzversichert wie jetzt. Bei einem größeren finanziellen risiko solltest Du erst mal auf Schmerzensgeld und sowas verzichten; hälst Du ein Urteil nur über Schadenersatz oder sowas in der Hand, kannst Du Sache ja weiterverfolgen. Der insofern geringfügige Streitwert dürfte allerdings für die beauftragten Anwälte wenig Reiz bieten, sich da echt reinzuknien...