Aussetzung – Stimmanzahl.

Normalfall ist der vierstimmige Satz; der kann als Chorsatz oder als Klaviersatz ausgeführt werden. Bei einem Chorsatz für gemischte Stimmen liegen alle Stimmen im Mittel jeweils eine Quart/Quint auseinander; die Stimmen werden in einzelnen Systemen notiert oder aber in Klaviernotation (Sopran und Alt im Violinschlüssel-System, Tenor und Bass im Bassschlüssel-System). Bei einem Klaviersatz werden drei eng beieinanderliegende Stimmen für die rechte Hand notiert und die Bassstimme allein für die linke Hand.

Zwei der Stimmen haben Sonderfunktionen. Eine Stimme enthält die vorgegebene Melodie; üblicherweise die höchste Stimme. Die tiefste Stimme ist die Bassstimme; für sie gelten teilweise abweichende Regeln. Die übrigen Stimmen („Mittelstimmen“) vervollständigen die Harmonie.

Aussetzung – Stimmführungsregeln.

Welche Stimme welchen Akkordton übernimmt, hängt weniger vom Akkord ab, sondern mehr von den Bewegungen der Stimmen untereinander; entsprechend heißen die Regeln dafür nicht Tonverteilungsregeln, sondern Stimmführungsregeln. Die beinhalten etliche Verbote (Oktav-/Quintparallelenverbot) und Gebote (kürzester-Weg-Regel).

Für eine einfache Vier-Akkorde-Kadenz habe ich dieses Verfahren unter http://www.gutefrage.net/frage/volle-kadenz-musik#answer34453259 beschrieben.

Im Fall unseres Beispieles beginnt der Aussatz damit, dass wir die Melodie in die Sopranstimme schreiben. Als nächstes empfiehlt sich, die Bassstimme festzulegen; bei so einem schlichten Satz wie unseren ist es das einfachste und angemessenste, den jeweiligen Akkordgrundton in den Bass zu legen.

Die Mittelstimmen übernehmen die fehlenden Töne. Die Harmonie, die in Takt 1 entstehen soll, ist D-Moll; in Sopran und Bass liegen je ein d, es fehlen also noch f und a. Die höhere Stimme (Alt) bekommt den höheren Ton (a). In Takt 2 soll B-Dur erklingen; Sopran hat schon f, Bass b, fehlt also noch d. Der Alt kann nach oben ins d springen, aber auch der Tenor könnte abwärts ein d erreichen. Damit der Satz insgesamt nicht zu tief wird, lassen wir den Alt nach oben springen. Jetzt sind alle Töne vorhanden; der Tenor darf also einen verdoppeln. Eigentlich könnte er gut den Grundton verdoppeln und dazu nach oben ins b springen, dann würden im Übergang zu Takt 3 aber Oktavparallelen entstehen. Daher verdoppelt der Tenor am günstigsten das f. Und so weiter...

Als Beispiel für einen fertigen Chorsatz ist als Bildchen angehängt. Auf dem jeweils letzten Achtel der Takte habe ich noch Durchgangstöne eingefügt. Zwischen Bass und Sopran führen diese Durchgangstöne bisweilen zu Oktavparallelen, die hier aber gerade noch toleriert werden können.

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Definitiv Ja: obwohl Dominanten in Molltonarten häufig verdurt sind, können sie auch als Mollakkorde auftreten. "nein, die Dominante steht immer in Dur." ist leider eine falsche Antwort! Ob eine Dominante ein Dur- oder ein Mollakkord wird, hängt nur davon ab, wohin sich der Ton bewegt, der ihre Terz bildet.

Also: Dominanten sind immer Akkorde auf der 5ten Stufe einer Tonleiter. Die Terz der Dominante ist demzufolge immer die 7te Stufe dieser Tonleiter. Immer wenn diese 7te Tonleiterstufe in eine 8te=1te Tonleiterstufe aufwärts fortschreitet, wird sie zum Leitton erhöht und es entsteht eine verdurte Dominante. Wenn sie stattdessen absteigt, bleibt sie natürlich (also nicht erhöht), und die Dominante bleibt ein Mollakkord.

Kirchentonarten spielen dabei gar keine Rolle. Mehrstimmige Kompositionen, die in einer Kirchentonart notiert sind, enthalten in vergleichbaren Situationen genauso Leittöne, die bei funktionaler Deutung der entstehenden Akkorde auch zu verdurten Dominanten führen.

Bei einer 4-Akkorde-Standardkadenz (Tonika, Subdominante, Dominante, Tonika) hat eine der drei Oberstimmen zwingend den Verlauf 8-8-7-8, und weil die 7te Stufe dabei zur 8ten führt, entsteht immer ein Leitton, und daher ist die Dominante in dieser Kadenzform immer verdurt. Die vier Akkorde so einer E-Moll-Kadenz lauten also E-Moll, A-Moll, H-Dur, E-Moll und nie anders.

Trotzdem gibt es Molldominanten; sie entstehen, wenn eine Stimme aus der 8ten Stufe über die 7te in die 6te und weiter zur 5ten Stufe fortschreitet. Beispiel: E-Moll, H-Moll mit d im Bass, A-Moll mit c im Bass, H-Dur.

Andersherum und aus derselben Logik heraus können in Molltonarten sogar verdurte Subdominanten vorkommen, nämlich wenn eine Stimme aus der 5ten Stufe über die erhöhte 6te in die erhöhte 7te und weiter zur 8ten Stufe fortschreitet. Beispiel: E-Moll mit Spitzenton h, A-Dur mit Spitzenton cis, H-Dur mit Spitzenton dis (und Basston fis und Sept a statt Grundton h; zur Vermeidung von Satzfehlern), E-Moll mit Spitzenton e.

Die vielzitierten drei verschiedenen Molltonleitern ("natürlich", "melodisch", "harmonisch") sind in keinem Fall Ursache der Leittöne, sondern deren Folge; und schon gar nicht kann mensch sich aussuchen, welche Art Molltonleiter mensch als Grundlage der Kadenz nimmt, sondern die Stimmführungsregeln entscheiden, welche Tonvarianten vorkommen. Entsprechend ist "melodisch" Moll eine unnötig vereinfachende Sichtweise auf die melodischen Bewegungsmuster in Molltonarten. "Natürlich" Moll gibts in der Praxis eigentlich gar nicht, und "harmonisch" Moll wird höchst selten als Tonfolge gebraucht (die übermäßige Sekund klingt zu exotisch), sondern ist eigentlich nur der Tonvorrat, der entsteht, wenn die in einer 4-Akkorde-Standardkadenz enthaltenen Töne aufgereiht werden. Diese drei Moll-Leitern sind eigentlich nur ein hilfloses und problematisches Konstrukt, um Mittelstufenschüler vor der Komplexität real existierender Kompositionen zu bewahren...

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