Ich kann dich voll und ganz verstehen. Letztlich kannst nur du selbst entscheiden, wie du damit umgehst. Du schreibst ja auch, dass du kein Rebell bist, dass du keine Lust auf direkte Konfrontation hast. Dich daher demostrativ in der Öffentlichkeit zu zeigen, scheint nicht deinem Charakter zu entsprechen. Ungeachtet dessen kann ich mir gut vorstellen, dass du das in einem heterosexuellen Kontext auch nicht machen würdest. Zumindest so, wie du dich beschreibst.
Ich habe mit meiner Sexualität sehr viele Freunde verloren. Insgesamt sind das so etwa 95% gewesen, also quasi alle. Mein gesamter Kreis war hetero und auch ziemlich homophob. Einen richtigen Tag des Outing hatte ich nicht. Ich habe das aufgeteilt auf viele einzelne Gespräche mit Freunden und Verwandten. Letztlich habe ich dabei aber die meisten nicht bis heute behalten. Die größere Menge sagt, dass das absolut ok ist. Aber ich habe es sehr stark gemerkt, dass sie mich danach einfach nicht mehr angerufen haben. Auch zu Partys und Festen wurde ich nicht mehr eingeladen. Ein paar Vereinzelte haben mir auch direkt gesagt, dass sie das verstörend und falsch finden. Wirklich geblieben sind mir nur eine Hand voll von Leuten, von denen ich teilweise eine solche Offenheit oder Neutralität nicht erwartet hätte. Es gab sogar ein paar vereinzelte Fälle, in denen sich herausgestellt hat, dass ich nicht alleine war mit der Homosexualität. Manchmal erfährt man von anderen nur dann, dass sie gay sind, wenn man ihnen es selbst von sich erzählt. Aber auch mit denen habe ich langfristig den Kontakt nicht halten können. Mit zweien hatte ich dann auch was, was dann vielleicht etwas dazu beigetragen hat.
Es gibt jetzt vielleicht den einen oder anderen der sagen würde, dass das sowieso keine richtigen Freunde oder Verwandten waren. Das ist aber ganz klar Bullshit! Natürlich waren es Freunde! Sie haben zu meinem damaligen Kontext gepasst. Irgendwie habe ich mir sie halt auch gesucht. Zwar nicht bewusst, aber so ist das halt passiert. Dann habe ich den Kontext gewechselt und diese Leute haben dann nicht mehr zu diesem Kontext gepasst. Bis auf ein paar Vereinzelte, sind es auch alles nette Menschen. Sie können nur mit diesem ganzen Gay-Zeugs nichts anfangen.
Ich weiß, das ist eher eine Geschichte von mir. Ich will dir aber einfach damit zeigen, dass du nicht alleine bist. Es gibt hier draußen auch ein paar versteckte, die ganz genauso sind wie du. Nur lässt unsere aktuelle Gesellschaft das nur für die eher rebellischen unter uns das zu. Die zarten und empfindlichen unter uns haben hier derzeit wenig Achtung. Musst du durch, Susie! :)