Ein Wort: Ja.
Ich bin Alevitin und Imam Ali war kein Prophet. So eine Aussage habe ich selbst noch nie gehört, weil das auch nicht wahr ist.
Hallo, ich bin Alevitin und Jesus war ein Prophet.
Ich bin Alevitin und betrachte den Islam aus einer anderen Perspektive.
Mit „typisch” beziehe ich mich auf die weltweit oft verbreitete Darstellung des Islam: mit Kopftuchzwang, starren Regeln, Intoleranz – und leider auch oft mit Gewalt, Fanatismus oder Hass, wie es viele Medien vermitteln. Aber ich möchte betonen: Ich spreche hier nur für mich, nicht für alle Alevit*innen. Denn viele Alevit*innen lehnen alles ab, was mit dem Islam zu tun hat – was ich sehr gut nachvollziehen kann. Manche praktizieren ihre Religion nicht, andere fühlen sich gar nicht mehr religiös. Manche sind auch streng religiös. So wie es in jeder Religion unterschiedliche Wege gibt.
Mein Weg zwischen Verfolgung und Suche nach Sinn.
Diese Sichtweise hat viel mit meiner persönlichen Geschichte zu tun. Ich selbst wurde unreligiös, aber mit Menschlichkeit, Mitgefühl und tief in meiner Kultur verwurzelten moralischen Werten erzogen. Ich bin kurdische Alevitin und somit eine Minderheit in der Minderheit, wenn man so will. Meine Familie stammt aus dem Norden Kurdistans, der heute offiziell Teil der Türkei ist. Dort wurden wir brutal verfolgt – wegen unserer Herkunft als Kurdinnen und wegen unseres Glaubens als Alevit*innen. Mein Heimatort war vom Maraş-Massaker im Jahr 1978 betroffen. Dieses Verbrechen ist vielen nicht bekannt, aber für uns ist es Teil der kollektiven Erinnerung. Unsere Familien wurden bedroht, inhaftiert, gefoltert und ermordet, nur weil sie so waren, wie sie waren.
Warum viele Alevit*innen dem Islam kritisch gegenüberstehen.
Diese Erfahrungen haben tiefe Spuren hinterlassen. In der Geschichte wurden Alevit*innen von sunnitisch geprägten Strukturen oft als „keine echten Muslime“ abgestempelt. Viele wurden gezwungen zu konvertieren, andere wurden verfolgt, wenn sie dies nicht taten. Nach Massakern wie in Dersim, Sivas oder Maraş hatten sie oft die Wahl: Konvertieren, sterben – oder schweigen. Viele versteckten ihre Religion. Unsere Rituale wurden geheim gehalten und unsere Gebete verstecken sich bis heute in Liedern und Gedichten, die von „orthodoxen Muslimen“ oft als haram abgetan werden.
Ich habe mich bewusst für einen anderen Zugang zum Islam entschieden.
Trotz all dieser schmerzhaften Hintergründe habe ich mich irgendwann gefragt: Wer ist Allah wirklich? Und kann ich ihm auf meine Weise näherkommen? Meine Eltern glauben zwar an Allah, haben mir aber nie etwas über ihn beigebracht – auch aus Angst vor religiöser Stigmatisierung.
Ich bin eine Fragende. Ich hinterfrage alles, auch meine Religion. Ich wollte nie einfach übernehmen, was andere mir vorsetzen. Das gilt auch für den Islam, wie er oft gelehrt wird. Ich habe mich in das Alevitentum eingelesen, geforscht und festgestellt: Ich brauche keine Religion, um ein guter Mensch zu sein, aber ich darf eine haben, um meinem Leben einen spirituellen Sinn zu geben.
Ich weiss, dass viele islamistische Terroristen „Allahu Akbar“ rufen. Das ist grausam und widerspricht allem, woran ich glaube. Doch das bedeutet nicht, dass der Glaube an Allah falsch ist. Ich wollte verstehen: Kann ich nicht dem Koran folgen, aber auf alevitische Weise?
Das Alevitentum steht für Frieden und Menschlichkeit.
Genau das habe ich dort gefunden. Hier steht der Mensch im Zentrum. Liebe, Respekt und Gerechtigkeit sind keine leeren Worte, sondern gelebte Werte. Bei uns ist es nicht wichtig, ob du fünfmal am Tag betest, sondern wie du lebst. Du kannst nach aussen hin „religiös“ sein und innerlich leer sein – oder ein liebevoller, mitfühlender Mensch ohne grosse Rituale. Allah sieht, wer du wirklich bist.
Ich bete – aber auf meine Weise.
Mein Glaube zeigt sich nicht in dogmatischer Strenge, sondern in persönlicher Überzeugung. Ich bete fünfmal täglich, aber auf alevitische Art. Ich mache Wudu (die rituelle Waschung) auch mit Nagellack, denn im Koran steht nicht, dass das Wasser den Nagel direkt berühren muss. Diese Vorschrift stammt aus späteren Hadithen und Rechtsschulen, die oft von Männern mit patriarchalen Absichten erstellt wurden. Ich erkenne den Koran als Heilige Schrift an, aber ich lese ihn mit Vernunft, Mitgefühl und einem kritischen Blick. Viele Hadithe lehne ich ab, insbesondere solche, die Frauen einschränken oder den koranischen Grundwerten widersprechen. Das meine ich mit, ich folge dem Islam nicht blind, sondern hinterfrage alles.
Erst als Mensch, dann als Gläubige bin ich gewachsen.
So ist mein Weg ein anderer geworden. Zunächst wurde ich als guter Mensch erzogen, dann als gläubiger Mensch. Ich bin weit davon entfernt, perfekt zu sein. Aber mein Weg ist ehrlich. Ich glaube an Allah, aber nicht an Zwang, Fanatismus oder Hass. Mein Glaube ist geprägt von der Erinnerung an das Leid meines Volkes und dem Wunsch nach einer besseren, gerechteren Zukunft.
@Nashorn987
Wenn du gerade zweifelst, ist das kein Verrat, sondern ein Zeichen von Tiefe. Glaube darf nicht aus Angst bestehen, sondern aus Überzeugung. Wenn du möchtest, darfst du dir gerne andere Glaubenswege anschauen, auch den Weg, den ich gehe. Du bist nicht allein.
Ich bin Alevitin und bete fünfmal täglich, wie es im Koran für alle Muslime vorgeschrieben ist. Aleviten, Sunniten und Schiiten sind Muslime und müssen sich alle an den Koran halten. Ich bete das alevitische Gebet auf Kurdisch, meiner Muttersprache, sowie die Sure Al-Fatiha.
Vor dem Gebet unterziehe ich mich der rituellen Waschung, dem Wudu. Dabei reinige ich mein Gesicht, meine Hände bis zu den Ellbogen, streiche über meinen Kopf und wasche meine Füße bis zu den Knöcheln. Das Wudu ist nur gültig, wenn man keine Dinge getan hat, die es ungültig machen.
Während des Gebets lege ich die rechte Hand auf die linke Brust, spreche das Gebet, küsse die Fingerspitzen meiner rechten Hand und berühre damit meine Stirn. Diese Geste mit der Hand wiederhole ich insgesamt dreimal. Ich bete nicht an Orten, an denen Musik läuft, nicht in Moscheen, keinesfalls in Toiletten, sondern überall dort, wo ich mich gerade befinde sowie in Cem-Häusern.
Ich halte mich ausschließlich an den Koran als göttliche Offenbarung und betrachte alles, was darin nicht ausdrücklich von Allah verlangt wird, als nicht verpflichtend. Viele im Islam verbreitete Regeln und Traditionen basieren auf Hadithen und späteren kulturellen Auslegungen. Zwar glaube ich an den Koran als das Wort Gottes, an die moralischen Lehren des Propheten Muhammad und an die Weisheit von Imam Ali, doch als religiöse Pflicht folge ich ausschließlich dem Koran. Alles andere, auch Hadithe, prüfe ich kritisch – mit Herz und Verstand.
Ich glaube an den Koran als das Wort Gottes, an die moralischen Lehren des Propheten Muhammad und an die Weisheit von Imam Ali. Doch ich folge ausschließlich dem Koran als religiöser Pflicht. Hadithe sind Überlieferungen, die nach dem Tod des Propheten von Menschen gesammelt wurden. Sie können inspirierend sein, ersetzen aber nicht das Wort Gottes. Solange Allah nichts verlangt, fühle ich mich nicht verpflichtet, etwas zu tun, zum Beispiel ein Kopftuch zu tragen oder mit der rechten Hand zu essen. Als Muslimin, insbesondere als Alevitin, hinterfrage ich alles im Koran, um mehr zu lernen und zu verstehen. Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, was ich zu glauben habe.
Beispiele für Gebete1. Gebet der DankbarkeitTürkisch:
Ya Hak, sonsuz merhametinle, bizleri yarattığın ve her gün bizlere sunduğun nimetler için sana şükürler olsun. Güneşin doğuşu, nefesimiz, kalbimizin atışı, sevdiklerimizin varlığı… Hepsi senin lütfun. Bize sabır, sevgi ve anlayış ver, kalplerimizi kin ve nefretten arındır. Bize doğru yolu göster, ışığınla yolumuza rehberlik et. Bizleri koru, kötü niyetlerden ve kötülüklerden uzak tut. Bu hayatın zorluklarında gücümüzü ve umudumuzu kaybetmememiz için bize destek ol. Allah Allah.
Deutsch:
O Gott, mit deiner unendlichen Barmherzigkeit danken wir dir, dass du uns erschaffen hast und uns jeden Tag mit Gaben beschenkst. Der Sonnenaufgang, unser Atem, das Schlagen unseres Herzens, die Menschen, die wir lieben – alles ist deine Gnade. Schenke uns Geduld, Liebe und Verständnis, reinige unsere Herzen von Hass und Feindschaft. Zeige uns den rechten Weg und leite uns mit deinem Licht. Schütze uns, bewahre uns vor bösen Absichten und Unheil. Gib uns Kraft und Hoffnung, damit wir die Herausforderungen des Lebens bestehen. Allah Allah.
Türkisch:
Ya Hak, kudretinle bizleri ve sevdiklerimizi her türlü tehlikeden, kötülükten ve haksızlıktan koru. Gözlerimizi aç, kalplerimizi temizle. Karanlıkların içinde ışığınla yolumuza rehberlik et. Düşmanlarımızı sevgiye, kinimizi affetmeye dönüştür. Bize cesaret ve güç ver, doğru yoldan sapmamamız için bizi uyar. Kötü niyetlere karşı kalkanımız ol. Sen her şeyin sahibi ve her şeyi bilen sensin. Allah Allah.
Deutsch:
O Gott, mit deiner Macht beschütze uns und unsere Liebsten vor allen Gefahren, dem Bösen und Ungerechtigkeiten. Öffne unsere Augen, reinige unsere Herzen. Führe uns mit deinem Licht auf unserem Weg durch die Dunkelheit. Verwandle unsere Feinde in Liebe und unseren Hass in Vergebung. Gib uns Mut und Stärke, um nicht vom rechten Weg abzukommen. Sei unser Schutzschild gegen böse Absichten. Du bist der Herr über alles und weißt alles. Allah Allah.
Türkisch:
Ya Hak, yeni bir güne uyanırken sana şükür ederim. Bize verdiğin yaşamı ve nefesi kabul et. Bugün yapacağımız her işte kalbimizi temiz ve niyetimizi samimi kıl. Bizi doğru yoldan ayırma, sevgi ve sabırla dolu bir gün geçirmemize izin ver. Zorluklarla karşılaştığımızda bize sabır ver, neşemizi ve umudumuzu kaybettirme. Senin ışığınla aydınlanalım. Allah Allah.
Deutsch:
O Gott, wenn ich an diesem neuen Tag erwache, danke ich dir. Nimm das Leben und den Atem an, den du uns gegeben hast. Mache unser Herz rein und unsere Absicht aufrichtig in allem, was wir heute tun. Entferne uns nicht vom rechten Weg und erlaube uns, einen Tag voller Liebe und Geduld zu erleben. Wenn wir auf Schwierigkeiten stoßen, gib uns Geduld und lass uns Freude und Hoffnung nicht verlieren. Lass uns von deinem Licht erleuchtet sein. Allah Allah.
Türkisch:
Ya Hak, bu geceyi huzur içinde geçirmemiz için sana sığınıyorum. Günün yorgunluğunu ve sıkıntılarını kalbimden al. Rüyalarımızı temiz, ruhumuzu sakin kıl. Sevdiklerimizi koru, bizi kötülüklerden uzak tut. Sabah yeni umutlarla uyanmayı nasip et. Bugün yaptığımız yanlışlar için bizleri affet ve kalbimizi sevgiyle doldur. Senin ışığınla uyuyalım ve uyanalım. Allah Allah.
Deutsch:
O Gott, ich suche Zuflucht bei dir, damit wir diese Nacht in Frieden verbringen. Nimm die Erschöpfung und Sorgen des Tages von meinem Herzen. Mach unsere Träume rein und unsere Seele ruhig. Beschütze unsere Lieben und halte uns fern vom Bösen. Schenke uns den Morgen voller neuer Hoffnung. Vergib uns unsere Fehler von heute und erfülle unser Herz mit Liebe. Lass uns in deinem Licht schlafen und erwachen. Allah Allah.
Ich hoffe von Herzen, dass ich dir weiterhelfen konnte!
La ilaha illa Allah. Lā fatā ʾillā ʿAlī, lā sayfa ʾillā Dhū al-Fiqār.
Ich bin alevitische Muslimin und bete sowohl alevitisch als auch gemäss den Vorgaben des Korans. Das bedeutet, dass ich täglich etwa zehn Gebete verrichte.
Fünfmal täglich bete ich das alevitische Gebet und zusätzlich spreche ich fünfmal am Tag die Sure Al-Fatiha.
Mir ist es wichtig, mich an die Gebotspraxis Gottes zu halten und gleichzeitig meine alevitische Identität nicht zu verdrängen oder zu verlieren. Beides ist Teil meines Glaubens und meines Weges.
Ich bin Kurdin - und ich sage das mit Stolz.
Wenn mich jemand fragt, woher ich komme, antworte ich ohne zu zögern: aus dem nördlichen Teil Kurdistans, aus Bakur.
Ich spreche meine Sprache fließend und beherrsche sogar zwei Dialekte: Kurmancî und Sorani.
Ich bin meinen Eltern unendlich dankbar, dass sie sich nie haben assimilieren lassen und uns unsere Sprache, unsere Kultur und unseren Stolz weitergegeben haben.
Mein Blut ist kurdisch und sonst nichts.
Natürlich fühlen sich manche dadurch angegriffen - wie die Türkin in meiner Klasse - aber das interessiert mich nicht.
Sei selbstbewusst, steh zu dir und lass dich nicht davon verrückt machen, was andere denken könnten.
Nur wer sich selbst treu bleibt, kann wirklich frei und glücklich sein.
Hey, ich bin Kurdin aus Bakur und kann dir das genau erklären.
"Yan... yan..." bedeutet auf Kurdisch "entweder... oder...", "Mirin" bedeutet "Tod" oder "sterben", je nachdem, wie man es verwendet, und "Azadî" bedeutet "Freiheit". Auf Deutsch heisst der Spruch also: "Entweder Freiheit oder Tod".
Es drückt die tiefe Sehnsucht nach Freiheit aus, die tief in unserer Kultur und Geschichte verankert ist. Für uns Kurd:innen ist das ein starkes Symbol des Widerstandes. Dieser Slogan hat seine Wurzeln in vielen Protestbewegungen gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit, besonders in Rojhilat (Ostkurdistan), wo die Menschen seit jeher für ihre Rechte und ihre Identität kämpfen.