Hallo,

ich befinde mich in einer ähnlichen Situation wie euer Sohn und versuche gerne euch mal meine Gefühle zu erklären.

Vorweg: Ich finde nicht, dass ihr euch angemessen verhaltet. Die bisherigen Antworten finde ich ebenfalls unangemessen und kontraproduktiv. Das bedeutet aber nicht, dass ich eurem Sohn zustimme ;)

Ich finde es auch wirklich mies, täglich in der Schule mitzubekommen, wie meine Klassenkameraden leben und was sie sich leisten können. Das ganze Schulsystem ist einfach nicht für Menschen wie uns ausgelegt und bei jeder Gelegenheit bekomme ich auch nicht wenige Sprüche (auch von Lehrern) gedrückt, unter denen ich sehr leide. Menschen sind soziale Wesen und jeder wünscht sich Anschluss. Ich hoffe, dass es verständlich ist, dass ich mich nach Freundschaften und sozialen Anschluss sehne, der mir jedoch verwehrt wird. Ja, ich wünschte ebenfalls, dass meine Eltern mehr Geld hätten und ich dadurch Anschluss finden könnte.

Mir ist und war auch stets bewusst, dass meine Eltern die Möglichkeiten genutzt haben, die sie eben selbst hatten, und nun ihr Bestes geben. Das ändert aber nichts an meinem (wenn auch utopischen) Wunsch. Ich bin eben auch nur ein Mensch, der die Realität aber nicht verleugnet.

Unter unser Wohnsituation leide ich ebenfalls: Wir leben zu fünft in einer kleinen, hellhörigen Wohnung mit 95 qm. Mein Zimmer hat gerade genug Platz für mein Bett und einen Schrank. Ein Schreibtisch passt leider nicht hinein, sodass ich Schwierigkeiten habe, meine Schulaufgaben zu erledigen. Meine Eltern haben keinen so hohen Schulabschluss und verstehen diesen Punkt nicht. Hinzu kommt der ständige Lärm. Meine Mutter arbeitet nicht, aber fühlt sich scheinbar sehr einsam, sodass tagsüber lautstark ein Fernseher laufen muss und den sie auch nachts beim Schlafen anlässt. In Ruhe lernen? Pustekuchen. Dabei wünsche ich mir nur, dass ich es später zumindest einmal besser haben werde, wenn mir jetzt schon alles verwehrt bleibt.

Wie wäre es also, wenn ihr mal mit eurem Sohn vernünftig (!!) redet. Erklärt ihm eure Situation (die er vermutlich ohnehin schon gut einschätzen kann, auch wenn der Frust manchmal größer ist) und fragt ihn, was in konkret stört. Auf diese Punkte geht ihr ein und erklärt, warum nicht mehr realistisch möglich ist. Auf Kleinigkeiten, die wirklich umsetzbar sind, solltet ihr aber eingehen und im Rahmen eurer Möglichkeiten versuchen, diese Wünsche so gut es eben geht zu erfüllen. Verweist aber bitte nicht auf imaginäre Familien, denen es noch schlechter gehen solle. Wir leben in Deutschland und haben andere Referenzwerte und Armutsgrenzen. Unsere Armut ist nicht mit der Armut in Afrika vergleichbar ;) Und solche Vergleiche machen die Situation nur noch unerträglicher, weil ich mich zumindest dann nicht so fühlen würde, als ob ihr mich ernst nehmen würdet. Bringt ihm Verständnis für seine schwierige Situation entgegen, statt ihm das Leben noch schwerer zu machen.

Bezüglich den Urlauben: Versucht die Ferien doch zumindest mit dem zu füllen, was für euch finanziell machbar ist und sorgt zumindest für etwas Abwechslung. Ich fand es immer sehr frustrierend nach den Ferien in der Schule wieder einmal beschämt auf meinem Platz zu sitzen, während alle anderen von ihren tollen Ferien auf Bali, in Südafrika, o.ä. berichten konnten und die Lehrer diese Erzählungen als gute Unterrichtsbeiträge bewerteten. Ich konnte nur sagen, dass ich zu Hause war und habe dafür dann schlechte Noten erhalten. Da staut sich einfach Frust.

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Nein, eher nicht

Natürlich werden dir hier alle antworten, dass sie/ein guter Bekannter/xyz es geschafft hätte und es ja so leicht gewesen sei. Erfolge werden meist mit Intelligenz gleichgesetzt und ehrliche Antworten mit Dummheit assoziiert. Wer möchte sich schon gerne in ein schlechtes Licht rücken ;)

Eine 30/40h Arbeit ist nicht mit einem Vollzeitstudium kompatibel, da es viel zu viele Überschneidungen gibt. Tagsüber musst du an (Labor-) Praktika, Seminaren, usw. in Präsenz teilnehmen. Da ist es nicht möglich zeitgleich an einem anderen Ort zu sein. Es ist übrigens auch nicht unüblich, dass man die Veranstaltungen über den gesamten Tag verteilt hat, d.h. du um 08:00 Uhr beginnst und dann mit mehreren kleinen Zwischenpausen, die kaum eine sinnvolle Nutzung erlauben, den Tag mit der letzten Veranstaltung um 18:00 Uhr bzw. gar 20:00 Uhr (ggf. je nach Uni auch später) beendest. Dann fehlt noch eine sorgfältige Vor- und Nachbereitung, sowie die Prüfungsvorbereitung und ggf. Hausarbeiten bzw. Arbeiten für die Prüfungszulassung schreiben.

Pro CP wird ein gewisser zeitlicher Mindestaufwand gerechnet (den findest du in der Modulbeschreibung), der erfahrungsgemäß eher nicht unter-, sondern eher überschritten wird. Da muss man auch nicht groß herumrechnen, um zu sehen, dass das kaum realistisch ist.

Nicht umsonst gibt es übrigens gesetzliche Vorgaben, die ein Vollzeitstudium bei einer Vollzeittätigkeit bzw. Arbeitszeit >20h untersagen. Die Immatrikulation ist dann nicht erlaubt und bei Falschangaben bzw. einer fehlenden Nachmeldung erfolgt die Exmatrikulation. Der Gesetzgeber geht nicht grundlos davon aus, dass das eher nicht machbar ist und dann das Studium nicht ernst genommen wird. ;) Unis können übrigens auch ihre Akkreditierung verlieren, wenn sie das nicht überprüfen.

Mit mir haben einige begonnen, die glaubten 20h nebenbei zu schaffen. Ich habe die meisten nach den ersten beiden Semestern nicht mehr gesehen und laut Facebook studieren sie nicht mehr^^ Nur eine Kommilitonin hat es geschafft, ihren Prüfungsanspruch noch nicht zu verlieren. Sie benötigt aber etwa doppelt so lang wie andere und ihre Noten sind auch eher mäßig. Diejenigen, die gute Noten wollen, arbeiten gar nicht und strecken ihr Studium dennoch^^

PS: Meine Schilderungen beziehen sich auf ein Vollzeitstudium. Ein Abendstudium bzw. aufbauendes (Fern-) Studium für Berufstätige ist ein Teilzeitstudium, das speziell auf den Alltag und die Leistungen von Berufstätigen Rücksicht nimmt. Sowas ist etwas anderes als ein Vollzeitstudium an einer Präsenzuni.

Anm.: Regelstudienzeit bedeutet nicht zwangsläufig Vollzeitstudium.

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erzählt mir vom ständigen Druck

Hast du denn selbst studiert? Zeitweise kann es da wirklich extrem stressig werden, sodass man kaum Zeit für andere Dinge hat - gerade wenn man halt nicht unbedingt "4-gewinnt in 12 Semestern" spielen möchte, sondern Ansprüche hat (was die meisten nicht haben) und nachhaltig lernen möchte, d.h. nicht nur für die Prüfung.

Meine Wochen während der Vorlesungszeit gleichen durch die ganzen Vorlesungen, Praktika, usw. auch einer 80h-Woche aufwärts. Manchmal bin ich von 8:00 bis 18:00 Uhr in der Uni und muss anschließend noch den nächsten Tag (z.B. Laborpraktika) vorbereiten und/oder für Klausuren lernen. Meine Semesterferien sind dafür recht entspannt und ich habe mehr oder weniger frei. Bei vielen anderen Fächern ist es eher umgekehrt (Prüfungen in vorlesungsfreier Zeit und sonst eher entspannter), sodass sich das Pensum streckt.

"Schlaue" Tipps zeigen eigentlich nur, dass du keine Ahnung hast. Und nein, man ist nicht ungeeignet, nur weil man lernen muss^^

dass sie mit den richtigen Lern- und Entspannungsmethoden viel weniger lernen muss

Woher möchtest du denn wissen, dass sie falsch lerne? Es ist völlig normal, mehrere Stunden am Tag zu lernen oder Hausarbeiten zu schreiben - gerade wenn man das Studium in Regelzeit schaffen möchte... Eine Hochschule ist doch kein Kindergarten....

Bei solchen Gedanken wundere ich mich nicht über die hohen Abbrecherquoten...

den ganzen Burnouts sowie Depressionen.

Sowas sind schon eher die eigentlichen Probleme. Sei ihr doch einfach mal ein guter Freund und versuche herauszufinden, woher das stammt bzw. was ihr wirklich fehlt und was man dagegen tun könnte (statt dich nur auf das Lernpensum zu konzentrieren).

Übrigens: mit deinen "schlauen" Tipps und dem falschen Fokus machst du ihre eigentlichen Probleme noch viel schlimmer.

Depressive bekommen genügend Vorwürfe, dass sie ja nur faul seien und sich mal aufraffen müssten, was schnell zu Selbstvorwürfen führt. Mit deinen Hinweisen, dass sie für ein Studium ungeeignet sei, machst du es echt nicht besser...

Depressionen sind Erkrankungen, von denen man annimmt, dass zu wenige Neurotransmitter (Botenstoffe) in gewissen Arealen des Gehirns ankommen, sodass daraus u.a. ein verminderter Antrieb, erhöhte Müdigkeit, usw. entstehen können - Dinge, die ein Studium zusätzlich erschweren! Nicht jeder akzeptiert diese Veränderungen (was auch gewissermaßen an einer Stigmatisierung der Erkrankung liegen könnte) und versucht das eigentliche Problem auszugleichen, indem man sich zu noch mehr zwingt (was kaum funktionieren kann). So kann auch ein Burnout entstehen.

Daher: Nicht stigmatisieren, keine "schlauen Tipps" zu anderen Lernmethoden, sondern einfach Verständnis zeigen, versuchen die Ursachen herauszufinden und ermuntern, sich ärztliche Hilfe zu suchen, sodass eine mögliche Erkrankung behandelt werden kann.

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Möglich ist es, allerdings spielen dabei sehr viele Faktoren eine Rolle.

Ich komme auch aus einem sozial schwachen Umfeld, was unschwer an meinem Vornamen erkennbar ist. Meine Startschwierigkeiten schiebe ich auf ihn.

Ich komme aus einem sehr kleinen Dorf. Hier sind Namen wie Jaqueline, Kevin, usw. genauso normal wie Anna, Marie. Namen wie z.B. "Konstantin Maximilian von Hohenfeld" gibt es hier jedoch nicht. Vor dem Übertritt ans Gymnasium glänzte ich mit Leichtigkeit mit Bestnoten und meine Lehrer waren stets sehr angetan von mir. Aus diversen Gründen absolvierte ich damals auch einen IQ-Test bei einem Psychologen. Das Ergebnis: hochbegabt. Meine Psychologin überzeugte auch meine Eltern, dass ein Gymnasium die richtige Schule für mich sei.

Leider musste ich mir natürlich das "beste" Gymnasium der Stadt aussuchen, d.h. eine Privatschule, auf die sonst nur Kinder gehobenerer Schichten gingen. Trotz Durchschnitt von 1,0 fragte man bei der Anmeldung meine Eltern, ob sie sich nicht im Haus geirrt hätten und empfahl ihnen eine Hauptschule. Abweisen konnten sie mich jedoch nicht wirklich. Meine neue Lehrer begegneten mir ab dem ersten Tag mit großer Arroganz. Sie machten sich nicht nur über meinen Namen, sondern auch über die (erlernten) Berufe meiner Eltern lustig und meinten, mit einer solchen Herkunft solle ich besser dort bleiben, wo ich "hingehöre".

Schlechte Noten wurden zur Normalität. Egal wie viel ich lernte, egal wie viel ich wusste, ich kam fast nie über eine 3 hinaus. Obwohl ich sehr gute Lernhilfen verwendete, die Aufgabenstellungen der Prüfungsfragen somit nichts Neues waren und meine Antworten zumindest inhaltlich vollständig waren, bekam ich stets unverständliche Abzüge. Meine Lehrer suchten regelrecht nach Fehlern. So wurde z.B. einmal in meiner Antwort "Möglichkeiten" durch "Chancen" ersetzt und so eine ganze Aufgabe für falsch erklärt. Einmal schrieb sogar eine Lehrerin unter meine Prüfung, dass meine Ausdrucksweise primitiv sei...

Auf Nachfrage erklärten mir die netteren Lehrer, dass sie für jede gute Note auch schlechte Noten vergeben müssten und sie lieber jemandem die schlechten Noten geben, dessen Eltern keinen Stress verursachen werden... Die meisten Lehrer machten sich jedoch wieder über mich lustig oder rümpften die Nasen.

Ich könnte noch viele weiter Punkte aufführen, jedoch wird meine Antwort sonst zu lang. Inzwischen studiere ich (ein Prestigefach) und schneide dabei bei jeder einzelnen Prüfung als eine der Besten ab. Hier bin ich glücklicherweise nur eine Nummer und keine Person. Auch beginne ich bald mit meiner Promotion. Wenn mir diese gelingt, werde ich die Erste aus meiner Klasse sein, die promoviert. Und ich bin zuversichtlich.

Zurück zur Frage: Wenn das Umfeld mitspielt, ist ein sehr guter Abischnitt möglich. Allerdings musst du dafür erheblich mehr Aufwand betreiben als deine Klassenkameraden aus besseren Schichten. Meine Eltern konnten mir nie Wissen mitgeben und ich war dankbar, wenn meine Klassenkameraden "einfache" Dinge aussprachen. Ich lernte fast alles erst dann, wenn es im Unterricht thematisiert wurde. Meine Klassenkameraden wussten all das jedoch dann bereits und hatten ein entsprechendes Hintergrundwissen. Auch beim Lernen Zuhause konnten mir meine Eltern nicht helfen. Bat ich sie z.B. mich abzufragen, so waren sie mit komplexeren Antworten, die mehr als ein Wort umfassten, überfordert und sie lasen mir meine Musterantwort nur vor, statt auf nur die Punkte einzugehen, die fehlten/mangelhaft waren. Dass ich es dennoch gepackt habe, schiebe ich auf meine vergleichsweise schnellere Auffassungsgabe.

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Dann finde erst ein Gymnasium, welches dich Abitur machen lässt ohne eine einzige Naturwissenschaft zu belegen. -_-

Um deine Frage zu beantworten: Wenn es bestimmte gesetzliche Regelungen, die die Oberstufe betreffen und dein Vorhaben verhindern, nicht gäbe, wäre es möglich. Alles, was du wissen musst, lernst du im Studium.

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