Hallo JonasFranke,
eine sehr interessante Frage!
Nun zu diesem Thema schreibe ich sehr viel und ich bediene mich auch bei dieser Antwort wieder meiner älteren Antworten zu ähnlichen Fragen ;) .
Allein die Komplexität des Hirns ist erstaunlich: Das Gehirn besteht aus ~100 Milliarden Neuronen (Nervenzellen). Jedes dieser Neuronen ist durchschnittlich mit ~1000 Nachbarneuronen über Synapsen verbunden, d.h. im menschlichen Gehirn gibt es ~100 Billionen Synapsen, über welche die Neuronen durch elektrische Signale (sogenannte Aktionspotentiale) kommunizieren. Durch jede dieser Verbindungen rasen pro Sekunde durchschnittlich mehrere hundert elektrische Signale (es existiert ein Maximum bei ~500 Signalen pro Sekunde). Wäre jedes dieser Signale ein Photon, ein Lichtteilchen, dann würde das Gehirn in gleißendem Licht erstrahlen.
Dieser Haufen an biochemischen-elektrischen Signalen in unserem Kopf macht uns aus. Man könnte einen Menschen sogar dauaf reduzieren, der Rest sind Äußerlichkeiten. In bestimmten Hirnarealen ist unser Bewusstsein lokalisiert, bestimmte Areale ermöglichen die Wahrnehmung der Außenwelt (Exterozeption), in anderen werden Erinnerungen abgespeichert und wieder andere Teile des Gehirns formen unsere Persönlichkeit.
Wird das Gehirn durch etwas geschädigt (Schlaganfall/andere Hirnblutungen), so können genau diese Aspekte wegfallen, Wahrnehmungsausfälle, Persönlichkeitsveränderungen, Sprachstörungen, körperliche/gesitliche Behinderungen... .
Das wohl beeindruckendste am Gehirn ist die Wahrnehmung der Außenwelt. Das Gehirn ist im Hirnschädel eingschlossen (eher geschützt) und wird über die 5 Sinne informiert, was da draußen so vor sich geht.
Die Sinnesorgane schicken Informationen in Form von nach bestimmten Mustern codierten elektrischen Signalen an das Gehirn, und das Gehirn LERNT diese Signale zu interpretieren. Ja, man muss beispielsweise das Sehen erst lernen (auch Neugeborene können nicht sehen/hören bzw. wissen nichts damit anzufangen):
Mike May war drei Jahre alt als er erblindete. 43 Jahre nach seinem Unfall wurde ihm durch eine Operation sein Augenlicht wieder verschafft. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte May keine Ahnung, wie die Farbe grün, rot, oder blau aussieht, genauso wenig wie wir uns eine weiter Farbe vorstellen können, außer denen, die wir schoneinmal gesehen haben. Als er zum ersten mal seine Augenbinden nach der Operation abnahm, sah er immer noch nicht. Obwohl seine Augen perfekt funktionierten, nahm er nur Farben, Formen und Lichter wahr. Sein Gehirn wurde einfach überflutet mit Reizen aus dem Auge, und sein Gehirn hatte keine Ahnung, was es mit den Reizen anfangen soll. Es musste erst lernen die Millionen Signalen zu interpretieren. Heute kann er sehen wie du und ich.
http://www.spiegel.de/spiegelspecial/a-273550.html
Ein einfaches Beispiel wie das Gehirn lernt Signale zu interpretieren:
1 + 1 = 3 ... du hörst wie jemand zweimal in die Hände klatscht
1 + 1 = 2 ... du hörst wie jemand einmal in die Hände klatscht
die Antwort wurde codiert in Form von kurzen Signalen (2=Nein/1=Ja). Du könntest auch jeweils 1 oder 2 Stromschläge bekommen, das Prinzip bleibt gleich, nur dass das Gehirn mit Millionen von Signalen pro Sekunde fertig werden muss.
Aber es wird noch interessanter. Wenn das Gehirn lernen kann bestimmte Signale nach Mustern zu interpretieren, dann könnte man theoretisch auch soetwas wie künstliche Sinne auf dem Gehirn installieren, bzw. das Gehirn diese Sinne installieren lassen. So wäre es z.B. möglich blinden Menschen mittels einer Kamera und einer Schnittstelle zum Gehirn das Sehen zu ermöglichen, ganz ohne Augen. Und genau das ist einigen amerikanischen Wissenschaftlern gelungen:
Erik Weihenmayer ist im Alter von 13 Jahren erblindet, und trotzdem kann er sehen. Und das nicht mit seinen Augen, sondern mit einer Kamera und einem Blättchen auf seiner Zunge, einem Netz von 600 Elektroden, welche nach einem gewissen Muster vibrieren. Eine Kamera an seinem Kopf nimmt Bilder auf und jenachdem wie die Bilder aussehen vibriert das Blättchen in seinem Mund anders. Die Information werden über die Nerven in der Zunge an das Gehirn weitergegeben, welches gelernt hat die Vibrationen zu interpretieren. Ein Auge wird natürlich nicht ersetzt, allerdings ist er in der Lage Umrisse, Größen und Entfernungen wahrzunehmen. Diese Art der Wahrnehmung können wir uns nicht vorstellen, da wir die Welt noch nie so wahrgenommen haben (siehe oben). Man nimmt mit dem Gehirn wahr, nicht mit den Sinnesorganen, diese liefern nur die Informationen (das können aber auch Maschinen übernehmen). Die Zunge ist zwar ein Geschmacksorgan, aber auch eine hervorragende Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Generell ist es dem Gehirn egal woher die Informationen über die Außenwelt kommen, ob nun vom Auge, von der Zunge, oder von sonst woher, Hauptsache ist, die Informationen kommen an, das Gehirn lernt sie zu interpretieren.
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