Ist der Sein-Genitiv jetzt grammatikalisch korrekt?

7 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Dass das jemand "sein-Genitiv" nennt, ist mir auch noch nicht untergekommen... ;) Grammatisch heißt er einfach (adnominaler) possessiver Dativ. Abgesehen davon gebe ich meine Meinung dazu hier mal per Copy und Paste - die Frage kommt nämlich durchaus öfter.

Das ist weniger eine Frage grammatischer Richtigkeit als vielmehr situationsabhängiger Angemessenheit.

Die Form Karl sein Auto, Ingrid ihre Tasche, der Männer ihr Hobby ist im Deutschen durchaus gebräuchlich; nur hat sie es nie vom Dialekt / von der Umgangssprache in die Schriftsprache geschafft, weshalb sie (mMn zu unrecht) gemeinhin als falsch angesehen wird.

Die Wahrheit ist, dass diese Form, die übrigens in Grammatiken (adnominaler) possessiver Dativ genannt wird, in manchen Dialekten die bevorzugte, wenn nicht gar einzige, Form ist, um Besitzverhältnisse auszudrücken. Und Dialekte bzw. Umgangssprache als grundsätzlich falsch abzutun, ist sowieso eine deutsche Unart, die vermutlich in unserer Schulzeit begründet liegt - Stichpunkt: "Sprich gefälligst richtiges Deutsch!" Man sollte festhalten, dass Standarddeutsch keine gottgegebene Sprache ist, deren Dialekte alle Missbildungen wären. Vielmehr war es sogar so, dass sich der Standard erst aus den Dialekten heraus als eine überregionale Verkehrssprache entwickelt hat. Einige dialektale Eigenheiten wurden übernommen, andere halt nicht. Das ändert nichts an ihrer grammatischen Richtigkeit.

Mir als Bayer graust es, wenn jemand bairischen Dialekt spricht, aber dann den sächsischen Genitiv (das ist die Variante mit dem Genitiv-s) benutzt, weil er meint, das wäre "richtiger".

Aber mir ist bewusst, dass ich mit meiner Meinung gegen Windmühlen ankämpfe...

Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn du dich in einer Umgebung bewegst, in der die von dir angesprochene Form Verwendung findet, gibt es keinen Grund (und schon gar keine grammatische Grundlage), deren Verwendung zu kritisieren. Wenn du dich aber in einer Situation befindest, in der es "offizieller" zugeht und gemeinhin nach der Schrift gesprochen wird, z.B. bei Vorträgen, Arbeiten für die Schule oder den Beruf etc., solltest du diese Form vermeiden.

SeGrant 
Fragesteller
 03.07.2022, 20:29

Uff... Wow! Vielen Dank für diese ausführliche, logische und einleuchtende Antwort! Einfach Genial. Du hast dir die hilfreichste Antwort verdient!

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DerKalif  03.07.2022, 20:31
@SeGrant

Danke! Aber wie gesagt, die Frage kommt öfter, daher musste ich meine Antwort nur kopieren. :D

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Ist nicht korrekt.. Ich erwische mich manchmal selber dabei, wie ich es verwende, obwohl ich weiß, dass es nicht korrekt ist und früher nie verwendet habe. Habe mich da etwas beeinflussen lassen.

LG

Wenn ich dich richtig verstanden habe, stellst du hier eine Alternativfrage mit zwei Wahlmöglichkeiten:

Entweder a) der "sein-Genetiv" ist "grammatikalisch korrekt"

oder b) die Gesellschaft "verdummt langsam" (als evolutionärer Prozess verstanden).

Ich habe nachgelesen, dass die Dativ-Possessiv-Konstruktion, die du meinst, in den regionalen mündlichen Umgangssprachen und Dialekten geläufig bzw. seit Langem im deutschen Sprachraum nachweisbar ist. Sie gilt aber vor allem in der Schriftsprache nicht als standardsprachlich.

Die Frage nach der grammatikalischen Korrektheit trifft also nicht den Kern. Es geht um Geläufigkeiten und Sprachtraditionen im Mündlichen. Kein Grund also, die "Verdummung" einer Gesellschaft an die Wand zu malen. Immer schön den Ball flachhalten.

"Vorneweg: Ich bin einer der Leute, die es nicht ausstehen können, wenn jemand den Sein-Genitiv verwendet. "

Und ich bin jemand, der es nicht ausstehen kann, wenn irgendwelche Klugmüller Begriffe erfinden (z.b. "Sein-Genitiv"), um damit dann gegen andere zu hetzen.

AmongUs137  03.07.2022, 20:33

Ich kann es nicht ausstehen, wenn Leute, die nichts nettes zu sagen haben, ihren Mund nicht einfach halten können!

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SeGrant 
Fragesteller
 03.07.2022, 20:34

Gegen wenn, habe ich deiner Meinung nach denn gehetzt?

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Es ist keine korrekte Ausdrucksweise im Neuhochdeutschen. Es gehört zu den umgangssprachlichen Ausdrucksweisen und zum Dialektbereich. Nicht zur offiziellen, standardmäßigen Schriftsprache.