Zusammenhang zwischen Transgender und schlechter Kindheit?

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Es sind oftmals Jugendliche mit eher schwieriger Kindheit, die denken, dass sie trans seien. Da stellt sich dann allerdings häufig heraus, dass es nur eine Phase der Identitätsfindung ist.

Ich würde jedenfalls behaupten, dass ich eine sehr schöne Kindheit hatte und wüsste keineswegs, wo da eine Begründung für meine Transidentität liegen sollte. Im Gegenteil: Bisher haben mir Gutachter und Psychologen immer gesagt, dass es bei mir ein eindeutiger Fall sei, weil es eben keine Traumata in der Kindheit gab.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Ich möchte ja keinem von euch auf den Schlips treten aber es ist nachgewiesen dass die ersten drei Lebensjahre maßgebend für die Persönlichkeitsentwickkung sind. Und niemand von euch wird sich an diese Erinnern können.
Und man muss als Elternteil auch nicht schlecht oder böse sein um Kindern später Probleme zu bereiten.
da reicht es schon wenn man das Aufmerksamkeitsbedürfnis des Babys falsch einordnet. Da sind Babys nämlich völlig unterschiedlich und es ist für Eltern sehr schwer das zu erkennen.

So führt es später z.B. zu großen Ängsten und einem stark verringerten Selbstwertgefühl wenn die Mutter einem Baby zu viel/zu wenig oder die falsche Art von Aufmerksamkeit schenkt.
So können zum Beispiel das Bedürfnis nach Autonomie aber auch andere Aspekte zu stark oder zu schwach geprägt werden.

Meiner Ansicht nach können solche Aspekte (wenn sie nicht erkannt werden) zu einer grundlegenden Unzufriedenheit führen, welche oft einen Wunsch nach Veränderung mit sich trägt und auch einen Zusammenhang mit der Gender - Frage haben kann.

Zur Genese von Transidentität gibt es noch keine gute Evidenz.

Es könnte ähnlich sein wie bei Homosexualität. Da geht man davon aus, dass bei Männern etwa 40% über die Gene und etwa 60% über nicht genetische Umweltfaktoren läuft. Bei Frauen ist der genetische Einfluss noch etwas geringer. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele genetisch determinierte Trans-Menschen mit einer behüteten Kindheit nicht trans wären, dass also Gene und "schlechte Kindheit" zusammen kommen müssen.

Die Geschlechtsidentität entwickelt sich im 3. und 4. Lebensjahr. Das Konzept von Geschlecht wird etwa ein Jahr vorher verstanden. Das sagt natürlich nichts darüber aus, wann die Identität determiniert wird, ist aber doch ein entscheidender Unterschied zur Homosexualität.

Nachträgliche Änderung: In der vorigen Version schrieb ich von "Prägung" und hatte die Prozentzahlen 40/60% vertauscht. Die Zahlen habe ich korrigiert und explizit auf Männer bezogen und auch die Frauen erwähnt. Statt Prägung schreibe ich "Umweltfaktoren". Umweltfaktoren sind alle nicht genetischen Einflüsse.


Mayahuel  21.10.2022, 11:02
etwa 40% über die Prägung läuft.

wo kann man das nachlesen?

There is no substantive evidence which suggests parenting or early childhood experiences play a role with regard to sexual orientation

https://en.wikipedia.org/wiki/Homosexuality

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Onesimus  21.10.2022, 11:41
@Mayahuel

Långström N, Rahman Q, Carlström E, Lichtenstein P. Genetic and environmental effects on same-sex sexual behavior: a population study of twins in Sweden. Arch Sex Behav. 2010:

There is still uncertainty about the relative importance of genes and environments on human sexual orientation. One reason is that previous studies employed self-selected, opportunistic, or small population-based samples. We used data from a truly population-based 2005-2006 survey of all adult twins (20-47 years) in Sweden to conduct the largest twin study of same-sex sexual behavior attempted so far. We performed biometric modeling with data on any and total number of lifetime same-sex sexual partners, respectively. The analyses were conducted separately by sex. Twin resemblance was moderate for the 3,826 studied monozygotic and dizygotic same-sex twin pairs. Biometric modeling revealed that, in men, genetic effects explained .34-.39 of the variance, the shared environment .00, and the individual-specific environment .61-.66 of the variance. Corresponding estimates among women were .18-.19 for genetic factors, .16-.17 for shared environmental, and 64-.66 for unique environmental factors. Although wide confidence intervals suggest cautious interpretation, the results are consistent with moderate, primarily genetic, familial effects, and moderate to large effects of the nonshared environment (social and biological) on same-sex sexual behavior

Jetzt, da ich die Studie nochmal rausgesucht habe fällt mir auf, dass ich die Zahlen vertauscht habe. Es sind nur 40% Gene bei Männern. Bei Frauen ist es noch weniger. Ich korrigiere das in meiner Antwort.

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Onesimus  21.10.2022, 11:57
@Mayahuel

Das ist wohl die Reaktion, wenn nicht sein kann, was nicht sein darf ?

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Mayahuel  21.10.2022, 12:12
@Onesimus
was nicht sein darf ?

Oh Herr, gib mir Kraft für diesen Blödsinn.

60% Prägung steht nicht im Text, das saugst du dir aus den Fingern.

Das ist environment in diesem Kontext:

The relationship between the environment and sexual orientation is a subject of research. In the study of sexual orientation, some researchers distinguish environmental influences from hormonal influences,[1] while other researchers include biological influences such as prenatal hormones as part of environmental influences

und:

There is no substantial evidence which suggests parenting or early childhood experiences influence sexual orientation,

https://en.wikipedia.org/wiki/Environment_and_sexual_orientation

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Onesimus  21.10.2022, 12:42
@Mayahuel

Oh. DaS stimmt. Der Begriff "Prägung" war unglücklich gewählt. "Umweltfaktoren" ist besser?

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Onesimus  21.10.2022, 12:53
@Mayahuel

Ich habe die Antwort noch etwas angepasst. Ich hoffe so kannst du auch damit leben.

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Mayahuel  21.10.2022, 13:17
@Onesimus
"Umweltfaktoren"

biologische Umweltfaktoren.

Denn Hinweise für soziale Faktoren sind ziemlich dünn.

Ich kann mir gut vorstellen,

Küchenpsychologie.

LGBT haben ein höheres Risiko für emotionalen, körperlichen und sexuellen Missbrauch:

Indeed, higher risk of child maltreatment, including emotional, physical, and sexual abuse, among lesbian, gay and bisexual (LGB) individuals relative to heterosexuals has been consistently found across research studies with a wide range of sampling methodologies

Abhängig von kulturellem und sozialem Umfeld, und Ethnie:

Latina/o and Asian American participants reported the highest levels of physical abuse (p < .01), and Latina/o and African American participants reported the highest levels of sexual abuse (p < .01).

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2911995/

Den Missbrauch gibt es, WEIL sie LGBT sind. Sie werden aber nicht dadurch LGBT.

As a community, LGBTQ people face higher rates of poverty, stigma, and marginalization, which put us at greater risk for sexual assault. We also face higher rates of hate-motivated violence, which can often take the form of sexual assault.
Moreover, the ways in which society both hypersexualizes LGBTQ people and stigmatizes our relationships can lead to intimate partner violence that stems from internalized homophobia and shame.

https://www.hrc.org/resources/sexual-assault-and-the-lgbt-community

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Onesimus  21.10.2022, 14:30
@Mayahuel

Lies vielleicht nochmal den ersten Absatz meiner Antwort:

Zur Genese von Transidentität gibt es noch keine gute Evidenz.

Was die Kindheitserfahrungen angeht gebe ich dir vollkommen recht. Das ist Spekulation - wie jede andere These zur Genese einer Transidentität. Wir wissen es einfach (noch) nicht. Genau nach dieser Kindheitsthese hatte der FS gefragt. Verzeih mir also bitte, dass ich das in meiner Antwort aufgreife.

Wichtig war mir vor allem aufzuzeigen, dass es vermutlich eine multikausale Genese gibt. Deshalb der Vergleich mit sexueller Orientierung.

biologische Umweltfaktoren
Denn Hinweise für soziale Faktoren sind ziemlich dünn.

Nun, die Frage ist, was das denn sonst sein soll. Es muss nach der Geburt und vor oder in der Pubertät sein. Gibt es eine homosexuelle Ernährung? Medikamente? Handystrahlung? Ich denke bei einem grundlegend psychischen Phänomen ist eine psychische oder soziale Teilursachen plausibel.

Aber hier ging es ja um Transidentität. Und da sehe ich einen gewissen Widerspruch in der orthodoxen Lehre: Wenn Transidentität zu 100% unveränderbar angeboren oder rein biologisch determiniert wäre, dann kann sie kein soziales Konstrukt sein, sondern muss ein biologisches Substrat haben.

Zum Thema Missbrauch habe ich keine Ahnung, aber wenn man die von dir verlinkten Artikel und deren Referenzen liest, dann findet man auch diese Aussage:

It is important to note that both the first and second hypothesized processes leading to violence victimization presuppose some degree of awareness of sexual minority orientation by self or others and, therefore, may be expected to occur more often in adolescence rather than childhood. Attractions to the same or other sex may emerge by age 10 or 11, and opportunities for sexual encounters with the same sex and development of sexual identity are more likely to emerge in mid to late adolescence.31, 32 As a result, the first and second hypothesized processes may be more predictive of new onset of abuse in adolescence or revictimization in adolescence rather than to abuse experienced earlier in childhood.

Es stellt sich also die Frage, warum homosexuelle Kinder schlechter behandelt werden bevor irgendjemand weiß, dass sie homosexuell sind. Die Antwort ist, dass sie evtl. "genderdeviant" aussehen, bevor sie überhaupt wissen, dass sie homosexuell sind:

A third hypothesized process of violence victimization relates to gender expression rather than sexual orientation per se and so may also be considered indirect. Sexual orientation minority women are more likely than heterosexual women to report gender nonconformist behavior in childhood,33 and some evidence suggests that gender nonconformist children may be more likely to be targeted for abuse.

Ich wusste bisher garnicht, dass homosexuelle Menschen in ihrer Kindheit öfter missbraucht wurden. Aber wenn ich mir die von dir genannten Studie und die Zwillingsstudie so ansehe, dann frage ich mich schon, ob die Kausalität von Missbrauch in der frühen Kindheit so klar ist. Glaubst du denn, dass homosexuelle Erwachsene in ihrer Kindheit schon homosexuell ausgesehen haben? Kann sein, keine Ahnung. Wie sehen homosexuelle Kleinkinder denn aus?

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Mayahuel  21.10.2022, 14:53
@Onesimus
Wie sehen homosexuelle Kleinkinder denn aus?

ZB kann man das am Spielverhalten erraten:

Beginning with the 3.5-year-old age group, the team found that children who engaged mostly in "gender-conforming" play (boys who played with trucks and girls who played with dolls, as an example) were likely to report being heterosexual at age 15, whereas the teenagers who reported being gay, lesbian, or not strictly heterosexual were more likely to engage in "gender-nonconforming" play.
The same pattern held true when they expanded the teenagers' choices to a five-point spectrum ranging from 100% heterosexual to 100% homosexual.
Teens who described themselves as lesbian scored on average about 10 points higher on the gender-play scale at age 4.75 (meaning more stereotypically male play) than their heterosexual peers, and teens who described themselves as gay men scored about 10 points lower on the scale than their peers, the researchers report in Developmental Psychology.

https://www.science.org/content/article/toddler-play-may-give-clues-sexual-orientation

Diese Intervieweinstiege sind verblüffend ähnlich, führen sie doch auf direktem Weg zu Geschlechterrollen in der frühen Kindheit.
In allen Fällen sind es hier Mütter, die ihre Söhne schon als kleine Jungen aufgrund des Spiel- und Kleidungsverhaltens als «irgendwie anders» wahrnahmen und daraus bereits in der Kindheit eine mögliche homosexuelle Entwicklung in Betracht zogen.
In der Regel waren diese Ahnungen sehr vage, sie werden eher als flüchtige GedankenStimmen der Eltern geschildert, die zuweilen auftauchten, aber noch nicht zu gezielten Auseinandersetzungen mit dem Thema Homosexualität führten.
Bei Saschas Mutter, die in ihrem Freundeskreis schon damals etliche schwule Männer kannte, war die Ahnung immerhin so stark, dass sie mit ihrem Mann früh und offen darüber sprach.

https://zenodo.org/record/3466917/files/Publikation_Christen_Schwule-S%C3%B6hne-lesbische-T%C3%B6chter_ISBN%20978-3-906036-24-3.pdf?download=1

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Onesimus  21.10.2022, 15:32
@Mayahuel

Danke. Das überzeugt mich, dass Hypothese 3 denkbar ist.

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scatha  30.01.2023, 16:08

Es gibt, außer Genetik und Umwelt, noch einen weiteren Einfluß, nämlich die Anlagen, die eine inkarnierende Seele mit ins Leben bringt.

Und diese könnten - obwohl von der Schulwissenschaft ignoriert - unter Umständen einen so großen Einfluß haben, dass sie die anderen genannten Faktoren bei weitem überwiegen.

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Onesimus  30.01.2023, 16:24
@scatha

Die inkarnierende Seele würde sich in der Statistik als individueller Umweltfaktor äußern. Um das von tatsächlichen Umweltfaktoren abzugrenzen müsste man die Umweltfaktoren kontrollieren. Das ist ethisch und praktisch nicht machbar. Diese Theorie wird sich also nicht wiederlegen und nicht belegen lassen. Genetische und geteilte Umweltfaktoren lassen sich aber weiterhin abgrenzen, auch unter der Hypothese inkartierender Seelen.

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Also... Nein, man wird nicht trans davon, dass man als Kind zb misshandelt wird oder weil die Eltern einen nicht lieb haben.

Aber, wer trans ist, hat häufig eher negative Erinnerungen an Kindheit und Jugend - einfach deshalb, weil man zwar gemerkt hat, dass man anders ist als die anderen Kinder, aber man konnte nicht verstehen warum. Weil man nicht man selbst sein durfte, wenn man zb als kleines Transmädchen ein Kleid anziehen wollte, so wie die anderen Mädchen, aber die Eltern haben sowas gesagt wie "Du bist aber ein Junge, Jungs dürfen keine Kleider anziehen".
Und da haben wir noch gar nicht damit angefangen, wie hoch die Rate von Obdachlosigkeit bei Trans-Teenagern ist. Weil sie eben nach dem Outing von den Eltern rausgeworfen werden.

Deshalb... Nein, eine schlechte Kindheit macht einen nicht trans, aber trans sein macht einen anders, und anders sein führt dazu, dass man mehr schlechte Erlebnisse hat als die anderen.

So oder so macht aber der Satz "Ich bin nicht trans, weil ich eine schöne Kindheit hatte" keinen Sinn. Denn es gibt auch Transmenschen, die eine schöne Kindheit hatten.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Bin bisexuell und nichtbinär & kenne viele andere 'Queere'.

So ein Quatsch. Ich hatte eine sehr schöne Kindheit mit einer Familie die mich bedingungslos liebt, viel gefördert und unterhalten hat. ich hatte keine größeren Sorgen und bin trotzdem trans. Das hat damit gar nichts zutun.


Mogli333 
Fragesteller
 05.06.2023, 18:43

Dann schreibe doch bitte mal, wie du spürst, dass du weder Mann noch Frau bist.

Ich kann mir das einfach nicht vorstellen, weil ich selbst nicht spüre, dass ich ein Mann bin. Es ist halt einfach so wegen meines Körpers.

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Devoid8  05.06.2023, 18:48
@Mogli333

Ich bin ein Mann und spüre das auch. Ich bin nicht nicht-binär :)

Ja, das überrascht mich nicht. Es scheint einige Personen zu geben, wie dich, die nicht trans sind und keine Geschlechtsidentität empfinden. Bedenke aber, dass Menschen verschieden sind und es gibt auch sehr viele Cis-personen, die doch auch fühlen dass sie Mann oder Frau sind.

Ich spüre es einfach, ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll. Und ich merke es auch stark daran, dass ich sehr unglücklich war, als ich das Gefühl versucht habe zu ignorieren. Jetzt hingegen bin ich sehr glücklich und dankbar, dass ich als der Mann der ich bin, leben kann. Es fühlt sich einfach richtig an

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