Woran starb Georg Friedrich Händel?

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1) Augenkrankheit

Georg Friedrich Händel erlitt Anfang 1751 anscheinend ein plötzliches und deutliches Nachlassen der Sehkraft seines linken Auges. Er notierte in der Partitur des Oratoriums Jephta, bis hierhin gekommen zu sein, am 13. Februar 1751 wegen Relaxation (Erschlaffung) des Gesichts seines linken Auges verhindert worden zu sein. Am 23. Februar 1751 war dies etwas besser geworden und er beendete am 27. Februar den 2. Akt.

Wahrscheinlich im Sommer nach einem Kuraufenthalt Cheltenham, von dem Händel im Juni zurückgekehrt war, zog er wegen anhaltender Sehschwäche den Augenchirurgen Samuel Sharp vom Guy's Hospital in London zu Rate, der als Spezialist für die Behandlung des grauen Stars (Kataract = Linsentrübung) galt. Bei Händel stellte dieser die Diagnose einer Gutta serena, eines sogenannten schwarzen Stars (Ödem der Netzhaut) auf. Ob Samuel Sharp eine Augenoperation (im Juni oder Juli 1751) durchgeführt hat, ist – gerade angesichts der Diagnose- zweifelhaft und ungesichert.

Die Sehkraft nahm auf beiden Augen ab.

Händel suchte den als geschickten Augenoperateur geltenden William Bromfield, am St. George’s Hospital in London tätig, Leibchirurg der Prinzessin von Wales, auf, der am 3. November 1752 eine Operation durchführte. Dies führte anscheinend zu einer gewissen Besserung, die aber nicht dauerhaft war. Langfristig erbrachte die Operation keinen Erfolg.

Darüber, ob Händel vollständig erblindete oder ein Restsehvermögen (es gibt Eintragungen in Originalpartituren und Zusätze im Testament mit eigenhändige Unterschrift aus den letzten Lebensjahren) vorhanden blieb, weichen die Angaben ab. Im Sommer 1758 (August) ließ Händel wahrscheinlich den fahrenden Okulisten John Taylor eine Augenoperation durchführen. John Taylor war umstritten, einerseits als Scharlatan verschrien, andererseits hatte er einen Ruf, als geschickter Operateur auch Erfolge gehabt zu haben. John Taylor hatte Ende März/Anfang April 1750 zweimal bei Johann Sebastian Bach eine Augenoperation durchgeführt, beide Male mißlungene Starstiche. Johann Sebastian Bach starb am 28. Juli 1750 an einem »Schlagfluß«, einer Apoplexie (Schlaganfall) infolge eines arteriellen Gefäßverschlusses oder einer Massenblutung im Gehirn. Als unmittelbare Ursache dafür kann am ehesten eine Sklerose der Gehirnarterien mit oder ohne gleichzeitigen Bluthochdruck angenommen werden. Die Augenoperation könnte, bedingt durch sich daran anschließende entzündliche Komplikationen und Verabreichung den Kranken schwächender schädlicher Medikamente zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes und Beschleunigung des Todes geführt haben.

John Taylor hat in seiner Autobiographie „The history of the travels and adventures of the Chevalier John Taylor : ophthalmiater” (1761) einen Mißerfolg der Augenoperation bei Händel zugegeben.

Franz Hermann Franken, Die Krankheiten großer Komponisten. Band 4: Georg Friedrich Händel, Johann Sebastian Bach, Anton Bruckner, Hugo Wolf, Béla Bartók, Robert Schumann : (Ergänzung zu Band 1). Wilhelmshaven : Noetzel, 1997 (Taschenbücher zur Musikwissenschaft ; Band 125), S. 33- 40 und S. 48

S. 48: „Händels Blindheit war Folge eines beidseitigen grauen Stars (Linsentrübung). […]. Die Operationen (Starstiche) blieben erfolglos. Ab wann Händel total blind war, läßt sich nicht mehr entscheiden. Ein Restsehvermögen hat aber noch einige Jahre nach Beginn seiner Sehschwäche 1751 bestanden.“

Stefan Evers, Georg Friedrich Händels Augenkrankheit. In: Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde 203 (1993), Nr. 9 (September), S. 223 – 228

Zusammenfassung S. 223:
„In seinem letzten Lebensabschnitt hat Georg Friedrich Händel an nicht endgültig zu klärenden Sehstörungen gelitten. Diese in seinen Biographien oft erwähnte Krankheit wird anhand der Quellen dargestellt und analysiert.

Insgesamt läßt sich Händels Augenkrankheit am ehesten als zentrale vaskuläre Störung mit einer Retinadegeneration oder mit ischämischen Veränderungen in den entsprechenden Kerngebieten bzw. Tractus auffassen, kompliziert durch eine banale senile oder eine posttraumatische Katarakt. Die Risikofaktoren sprechen wahrscheinlich für eine vaskuläre Makuladegeneration bzw. für einen Befall der chorioidealen Gefäße.

Händels Augenkrankheit muß im Zusammenhang mit seinen sonstigen zerebralen Durchblutungsstörungen gesehen werden. Sowohl seine wahrscheinlichen Schlaganfälle als auch seine Sehverschlechterung haben die Bedeutung von Lebensereignissen, was an seinem kompositorischen Werk nachvollzogen werden kann. Beide Krankheitsbilder haben jedoch keinen existentiellen Einfluß auf seine Kreativität gehabt. Bei wenigen Musikbeispielen kann ein Bezug zur Blindheit hergestellt werden. Abgesehen von Veränderungen in seiner Konzertpraxis der letzten Lebensjahre hat Händels Augenkrankheit jedoch keinen direkten Niederschlag im kompositorischen Schaffen gefunden.“

Albrecht  05.05.2013, 05:27

S. 225: „Es ist unklar, ob Handel bis zu seinem Tod komplett erblindet gewesen und in welchen Progressionen die Sehschwäche vorangeschritten ist.“

2) Todesursache

Eine medizinische Diagnose durch einen damaligen Arzt oder genaue Berichte von Zeitgenossen liegen nicht vor.

Daher gibt es nur Rückschlüsse aus (teilweise fragwürdigen) Indizien und unsichere Überlegungen, woran Händel gestorben ist.

Sein allgemeiner Gesundheitszustand hat sich anscheinend in seinen letzten Lebensmonaten verschlechtert.

Am 6. April 1759 spielte er Cembalo bei einer Aufführung seines Oratorium The Messiah (Der Messias). Dies war sein letztes Konzert.

Am 11. April änderte Händel durch eine Ergänzung/einen Zusatz (Kodizill/Codizill), eigenhändig unterschrieben, zum letzen Mal sein Testament.

Am Morgen des 13. April 1759 (Karfreitag) rief seine Freunde an sein Bett in seinem Haus in der Brook Street, London, und nahm von ihnen Abschied. Nach einem Brief von James Smyth, einem mit Händel in seinen letzten Lebensjahren befreundeten Parfümhändler, der in der benachbarten Bond Street lebte, an Bernard Granville, einen anderen Freund Händels, wünschte Händel danach nur noch den Arzt, den Apotheker und James Smyth zu sehen. Im 7 Uhr abends verabschiedete sich Händel, bis zuletzt bei Sinnen/Bewußtsein, von James Smyth. Am 14. April 1759 ist Georg Friedrich Händel um 8 Uhr morgens verstorben.

Als Todesursache werden in der wissenschaftlichen Forschung erörtert:

  • Tumorleiden

  • Schlaganfall (Gehirnschlag, zerebraler Insult)

  • plötzlicher Herzinfarkt

Uwe Neumahr, Georg Friedrich Händel : ein abenteuerliches Leben im Barock. München ; Zürich : Piper, 2009, S.347: „Als Todesursache kommen »entweder ein altersbedingter plötzlicher Herztod (Infarkt) oder ein cerebraler Insult [..] in Frage (die Riskofaktoren sprechen dafür, außerdem ist dies statistisch der häufigste Tod aus ›Altersschwäche‹), oder es hat ein Tumorleiden vorgelegen, wofür der Verfall in Händels letzten Monaten spricht.“

zugrundeliegende Veröffentlichung (Zitat: S. 39):

Stefan Evers, Zur Pathographie Händels. In: Händel-Jahrbuch 40/41 (1994/1995), S. 23 – 46

Franzpeter Messmer, Georg Friedrich Händel. Düsseldorf : Artemis & Winkler, 2008, S. 266: „Der Komponist litt, so erklärt sich der Medizinhistoriker Franz Hermann Franken Händels plötzliche Appetitlosigkeit, an einem Tumor, der schnell wuchs. Zwar magerte der Komponist ab, doch er blieb aktiv, nahm an der Oratoriensaison im Frühling 1759 als Solist teil und trat noch im Founding Hospital bei den Messiah-Aufführungen Anfang April als Organist hervor. Er wollte mit Smyth, so vermutet der Händelforscher Otto Erich Deutsch, zu einem Kuraufenthalt nach Bath aufbrechen. Doch stattdessen fühlte er sich so schwach, dass er die Reise absagte und das Bett nicht mehr verließ.“

Franz Hermann Franken, Die Krankheiten großer Komponisten. Band 4: Georg Friedrich Händel, Johann Sebastian Bach, Anton Bruckner, Hugo Wolf, Béla Bartók, Robert Schumann : (Ergänzung zu Band 1). Wilhelmshaven : Noetzel, 1997 (Taschenbücher zur Musikwissenschaft ; Band 125), S. 41 – 42 und S. 46 – 50

S. 41: „Taylors vergebliche Augenoperation überlebte Händel kein Jahr mehr, er starb am 14. April 1759. Über seine letzen Lebensjahre existieren zwar nur wenig wenige pantographisch verwertbare Unterlagen, sie lassen jedoch grobe diagnostische Schlüsse zu. In dem 1770 ins Deutsche übersetzten »Gentleman's Magazine« von 1760 ist folgendes vermerkt: »von Oktober 1758 an nahm seine [Händels] Gesundheit merklich ab, und die Lust zu essen, die sonst sehr stark bei ihm gewesen war, verließ ihn. Dessen ungeachtet behielt sein Geist auch im letzten Teile seines Lebens seine völlige Lebhaftigkeit …«. Mainwaring schreibt: »Seine Gesundheit geriet einige Monate vor seinem Absterben nachgeradein Abnehmen. Er merkte gar wohl, das sich die letzten Tage herannaheten, und wollte sich mit der Hoffnung einiger Besserung garnicht schmeicheln lassen. Ein gewisser Umstand deutete sonderlich nichts Gutes an, nämlich der gänzliche Verlust seines Appetits, der ihn auf einmal überfiel und desto verderblichere Wirkung hatte bei einem Menschen, der so wie er gewohnt war, eine ungemeine Portion an Speisen und Nahrungssäften zu nehmen …«.“

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Albrecht  05.05.2013, 05:27

S. 42: „Welche diagnostischen Schlüsse lassen sich aus den zitierten Berichten ziehen? Als Fakten liegen vor: Im Oktober 1758 trat bei Händel, dessen Vorliebe für gutes und reichliches Essen bekannt war, plötzlich ein andauernder Appetitverlust auf, der zu einer starken Abmagerung geführt haben muß. Trotzdem hielt sich der Komponist mit aller Kraft aufrecht und wirkte sogar noch eine Woche vor seinem Tod bei einem Konzert mit. Erst anschließend wurde er bettlägerig, blieb aber bis wenige Stunden vor seinem Ableben bewußtseinsklar. Danach läßt sich ein Schlaganfall mit Halbseitenlähmung und Sprachverlust ausschließen. Auch eine cardiale Erkrankung, etwa ein Herzinfarkt, ist unwahrscheinlich, zumal sich keine Angaben über schmerzhafte Herzattacken finden. Vielmehr spricht einiges dafür, daß eines der häufigen Tumorleiden vorgelegen hat. Anhaltender Appetitverlust mit Abmagerung und körperlichem Verfall ohne lokalisierte Schmerzen gehören zu den führenden Symptomen sich schleichend entwickelnder bösartiger Geschwülste etwa des Dickdarms, der Bauchspeicheldrüse, des Gallensystems, der Lungen und Nieren. Die damit einhergehende Blutarmut konnte man zu Händels Zeiten noch nicht diagnostizieren.

Diese grobe Retrospektivdiagnose entspringt allein schon statistischen Überlegungen über die häufigsten Todesursachen bei älteren Menschen, wenn man von den Herz-Kreislauferkrankungen absieht.“

S. 46: „Es ist wenig sinnvoll, sich bei Händel apodiktisch auf Retrospektivdiagnosen festzulegen. Man muß sich damit begnügen, bei seiner Krankengeschichte von Vermutungen und Möglichkeiten zu sprechen.“

S. 48: „Die Todesursache läßt sich bei Händel nur vermuten. Da die tödliche Krankheit mit einem monatelangen gänzlichen Appetitverlust und einem körperlichen Verfall einherging, ist am ehesten an ein Tumorleiden zu denken. In Frage kommen vor allem Geschwülste im Bereich des Magen –Darmtrakts, im Leber-, Gallenbereich und der Nieren. Ein Schlaganfall als Todesursache scheidet schon deswegen aus, weil Händel bis wenige Stunden vor seinem Ableben bei klarem Bewußtsein blieb, obwohl er wegen seiner allgemeinen körperlichen Schwäche bereits eine volle Woche bettlägerig war.“

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LoraPandora 
Fragesteller
 23.05.2013, 16:11
@Albrecht

Vielen Dank für diese sehr hilfreiche Antwort! ch bin ehrlich beeindruckt!:)

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Er war eine enorme Fressmaschine und wenn er essen gegangen war, nahm er die gesamte Speisekarte durch und trank viel Wein. Überall war dieses ganze Bleizeugs drin und das kann zur Blindheit und auch zum späteren Tod führen, also eine Bleivergiftung. Durch diese bekommt man so einige Krankheiten. Heute sind die Bestecke und Geschirre usw... nicht mehr damit belastet und durch Blei wirste heute nicht mehr krank, zum Glück auch. Ich esse auch sehr gerne wie es damals Händel getan hat, aber ich esse nicht ständig, so wie er zu seiner zeit aß. Ich hab mal gelesen, das er ein Problem gehabt haben soll, das zu seiner Freßsucht führte. Deshalb sah er im Alter dann auch so korpulent aus. In jungen jahren war ewr noch schlank.

Woher ich das weiß:Hobby