Wieso ist das Mathematikstudium so schwer?

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Es ist unmöglich, das einem Schüler zu erklären.
Es ist unmöglich, Schülern eine realistische Vorstellung von den Inhalten eines Mathe-Studiums zu vermitteln.

Zum Vergleich:
Versuch mal, einem Erstklässler, der gerade bis 10 zählen kann, zu erklären, was die Binomischen Formeln sind ;-)

Ich hab Mathe studiert, also ich weiß, wovon ich spreche.

In der Schule begegnest du vielen mathematischen Phänomenen und lernst viele Methoden zur Lösung dazugehöriger Fragestellungen.

Aber irgendwelche Leute müssen solche Methoden ja einmal entdeckt haben, und das beruht zum großen Teil auf Einsichten über Objekte der Mathematik, die keineswegs auf der Hand liegen.

Im Gegensatz zur Schule, die sich an entscheidenden Stellen mit Plausibilitätsüberlegungen zufriedengibt, die sich auf anschauliche Vorstellungen gründen, entwickelt die Universität ein viel härteres, nämlich begriffliches Denken, weil nur damit echte Beweise zu führen sind. Und darauf eben beruht die Verlässlichkeit der Mathematik, wegen der sie in allen möglichen Bereichen eine unentbehrliche Stütze ist. Anschauliche Vorstellungen sind für den professionellen Mathematiker (also auch den Mathematikstudenten) nur noch im Motivationssinne wichtig, aber keine beweisrelevante Instanz mehr (wie ehemals auf der Schule).

Beweise werden auf der Schule nur in "weicher" Form geführt, und meist kommt hinzu, dass für die notenrelevanten Klausuren nur sichere Beherrschung der Methoden wichtig ist, nicht aber deren Begründungen. Dadurch entsteht aber ein Bild von Mathematik, durch das sehr viele mit ganz falscher Erwartungshaltung ins Mathematik-Studium gehen. Du musst dir vorstellen, dass es die Begründungsweisen sind, auf denen im Studium der Schwerpunkt liegt, und dass es dazu eines viel rigoroseren, abstrakteren Zugriffs bedarf als den, den du in der Schulmathematik kennengelernt hast. Die (scheinbare) "Eiseskälte" der reinen Begrifflichkeit, mit denen man notwendigerweise von Anfang an konfrontiert wird, kommt für viele Erstsemester dermaßen überraschend, dass sie innerhalb weniger Wochen das Gefühl bekommen, "total zu schwimmen". Gerade der Studienbeginn ist im Fach Mathematik überaus fordernd. Die Mathematik fängt dort "bei 0" an, aber ganz anders, als man es gewohnt war. Und es geht (gefühlsmäßig) rasend schnell voran. Damit kommen viele nicht zurecht und brechen das Studium ab. Erwartet man aber, dass eine ganz neue Etage der Mathematik betreten wird, und gewinnt man Grund unter den Füßen, indem man das Neue von Anfang an ernstnimmt, so wird man in der Folge immer sicherer, fühlt sich immer wohler, interessiert sich für immer weitere Gebiete des Faches - und im Rückblick weiß man kaum noch, wie ungewohnt alles im ersten Studienjahr war und wie schnell und übergroß alles erschien.

Das Hauptproblem im Mathematikstudium ist der Beginn, weil er nach der Schulmathematik einen echten Bruch im Zugriff bedeutet.

Weil viel Eigeninitiative und eigenes Denken verlangt wird. Der Professor hat in der Woche ganz genau 1.5-4.5 (Meistens 1-3 Vorlesungen/Woche) Zeit, dir den Stoff näherzubringen, also erklärt er Theorie und formuliert Beweise. Studenten schreiben eifrig mit. Dann gibt's ein Übungsblatt (Meistens in der Übung) das in der nächsten Woche beurteilt wird. Du hast effektiv also nur 1 Woche (manchmal 2 oder 3) Zeit, dir ein Thema anzueignen.

Der (meiner Meinung nach) größte Unterschied zwischen Mathe auf der Uni bzw. der Schule ist folgender....

In der Schule lernst du z.B. über Vektoren und rechnest ähnliche Beispiele, die auch zur Hausaufgabe kommen.

Im Studium lernst du nur Theorie und musst diese verstehen, um Beispiele zu lösen, die du vorher noch nie probeweise gerechnet hast. Zusätzlich dazu kommen noch Beweisbeispiele dazu. Da kommt am Ende dann kein Rechenwert mehr heraus. Du musst logisch argumentieren.

Der Unterschied ist also das Tempo, Niveau, Theorielastigkeit, Das Vorkommen von Abstrakten Beweisen und die Erwartung an dich, Theorie selbstständig umzusetzen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Mathematik-Studium

Schul-Mathe:

Lösen Sie die Gleichung x(x-1) = 0.

Lösungsansatz: "Aha, das Produkt zweier Faktoren ist 0. Also muss bereits einer der Faktoren 0 sein. Haben wir schon 100-mal angewendet, keine große Sache!"

Uni-Mathe:

Zeigen Sie: in einem Körper ist ein Produkt genau dann gleich 0, wenn einer der Faktoren gleich 0 ist.

Lösungsansatz: "Uff, was ist nochmal ein Körper? Welche Rechenoperationen kann ich da durchführen? Achja, das Distributivgesetz haben wir für etliche Beweise verwendet, ich probiers mal damit..."

Eine Stunde später...

"Mist, irgendwie war das Distributivesetz eine Sackgasse... Muss ich wohl doch mal die Definition eines Körpers nachschlagen..."

Eine weitere halbe Stunde später:

"Ah, richtig! In Körpern kann man ja durch alles außer 0 teilen. Dann ist der Beweis trivial! Schnell aufgeschrieben und weiter gehts mit Aufgabenteil b)."

Zeigen Sie: In einem Ring kann es passieren, dass ein Produkt 0 wird, obwohl keiner der Faktoren 0 ist.

Lösungsansatz: "Ach du Schande, das widerspricht jeglicher Intuition... Welche Ringe haben wir nochmal kennen gelernt? Mal nachschlagen..."

In der Schule lernt man Lösungswege kennen und wendet diese an. In der Uni gibt es kein Schema F, das man einfach immer wieder anwenden kann. Die meisten Übungsaufgaben sind völlig neue Puzzles, die man durch viel ausprobieren und nachschlagen zusammenfügen muss. Wer nicht die nötige Geduld und/oder das Händchen dafür hat, verliert hier schnell die Motivation.

In der Schule geht es meist um Lösungs-und Rechenwege.

An der Uni sind mathematische Beweisführung und abstraktes Denkvermögen gefragt.

Das gilt auch für Physik und teilweise Informatik.